Düsseldorf

„Ernsthaftes Interesse“ statt Symbolpolitik: Apothekerin freut sich über Laumann-Besuch

Berlin - 20.04.2023, 17:00 Uhr

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, Apothekeninhaberin Michelle Pohst und der AVNR-Vorsitzende Thomas Preis (v. l. n. r.) in der Düsseldorfer Kern Apotheke. (Foto: AVNR)

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, Apothekeninhaberin Michelle Pohst und der AVNR-Vorsitzende Thomas Preis (v. l. n. r.) in der Düsseldorfer Kern Apotheke. (Foto: AVNR)


Retaxationsfallen, sinnlose Regularien und der tägliche Kampf mit den Lieferengpässen: Das waren unter anderem die Themen, auf die Apothekerin Michelle Pohst am gestrigen Mittwoch den Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, ansprach, als sie ihn in ihrer Offizin in Düsseldorf empfing. Der Minister zeigte sich beeindruckt von der Arbeit, die in der Apotheke geleistet wird – und beklagte, dass diese durch das geplante Lieferengpass-Gesetz nicht „wertgeschätzt und fair honoriert“ werde.

Der NRW-Gesundheitsminister war pünktlich. Um halb vier stand Karl-Josef Laumann (CDU) am gestrigen Mittwoch an der Kern Apotheke in Düsseldorf auf der Matte. In Begleitung des Vorsitzenden des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis, nahm er sich eine Stunde, um sich ein Bild über die Situation in den Apotheken vor Ort zu machen, wie die Inhaberin der Kern Apotheke, Michelle Pohst, gegenüber der DAZ erklärte. Wenig Zeit, denn brennende Themen gibt es viele: Retaxationsfallen, sinnlose Regularien – und natürlich der tägliche Kampf mit den Lieferengpässen.

Der Gesundheitsminister habe eine Liste mit den aktuellen Lieferengpässen erhalten. Anhand von Candesartan wurde gezeigt, wie viel Arbeit und Kosten diese verursachen. Zudem ging es um aktuelle Probleme bei der Präqualifizierung für Trinknahrung – Laumann wollte genauer wissen, was Präqualifizierung ist und warum sie gebraucht wird. 

Was die Hilfsmittelversorgung betrifft, konnte das Apohekenteam Laumann nicht nur über unbrauchbare Regularien aufklären. Am Beispiel eines für Salbutamol benötigten Spacers konnte es auch begreiflich machen, warum die Hilfsmittelversorgung nicht aus den Apotheken verschwinden darf. Das war viel Stoff für den Minister, kein Wunder, dass die Zeit am Ende nicht reichte. Aber Pohst war auch hierfür vorbereitet. Sie gab Laumann eine Übersicht zu unnötigen bürokratischen Abläufen in der Apotheke mit. Kurz gefasst umfasst sie folgende Punkte:

1. Aufdruck der Sonder-PZN vereinfachen.

2. Präqualifizierungspflicht aufheben.

3. Belieferung von Hilfsmitteln: Diagnose auf dem Rezept und Empfangsbestätigung durch den Patienten auf Rückseite sind unnötig.

4. Dosierungsangabepflicht unnötig, da Angabe „DJ“ durch den Arzt ausreichend ist. Die Angabe ist also leicht umgänglich und stellt eine zusätzliche unnötige Prüfpflicht für die Apotheken dar. 

5. Vereinheitlichung der Hilfsmittel-Verträge der Krankenkassen. Die Genehmigungspflicht für niedrigpreisige Hilfsmittel, oder solche, die besonders gängig sind, sollte generell fallen. 

6. Unterweisung der Mitarbeiter in Pflichtschulungen: alle drei Jahre statt jährlich.

7. Retaxierungsgefahr: Hohe Prüfpflicht bei den Angaben einer Verordnung, Gewinn für Patientensicherheit oft nicht erkennbar.

8. Prüfprotokolle für jede Chemikalie bzw. Ausgangsstoff: Prüfung, die durch Hersteller der Produkte geleistet wird, ist dabei wesentlich besser und umfangreicher.

9. Allgemein gültige Guideline für Gefährdungsbeurteilung in Apotheken reicht, Anpassung auf jede Einzelapotheke unnötig.

10. Pflicht zur Aktualisierung von Ärzte-Software würde viele unklare Verordnungen vermeiden.

11. Warum müssen Kosten für Securpharm komplett durch die Apotheken getragen werden?

ALBVVG „nicht weitreichend genug“

Auf den Minister machte das offenbar Eindruck. „Die aktuellen Lieferengpässe besonders bei Antibiotika bereiten mir zunehmend Sorge“, heißt es in einer Pressemitteilung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom Mittwoch. Das geplante „Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (ALBVVG) ist laut Laumann allerdings „nicht weitreichend genug, um Lieferengpässen an der Ursache entgegenzuwirken und langfristig die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu sichern“. Außerdem: „Die von der Apotheke vor Ort geleistete Arbeit – auch in Hinblick auf die bestehenden Lieferengpässe, aber auch vor dem Hintergrund der hohen Inflation“ werde im Gesetzentwurf bislang nicht „wertgeschätzt und fair honoriert“.

Der Gesundheitsminister verdeutlichte in diesem Zusammenhang auch noch einmal einige Positionen der Landesregierung. Er forderte unter anderem, dass im laufenden Gesetzgebungsverfahren der bürokratische Aufwand bei Apotheken abgebaut werden müsse und Retaxationen durch die Krankenkassen auf ein „sinnvolles Maß“ beschränkt werden.

„Positiv überrascht“

Thomas Preis hatte laut Pressemitteilung noch einmal darauf hingewiesen, dass die Anzahl der durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldeten Lieferengpässe innerhalb eines Jahres um über 20 Prozent auf mittlerweile fast 500 angestiegen ist und das für die Apotheken einen „enormen Personalaufwand“ bedeutet. „Alleine die Kosten dafür belaufen sich pro Apotheke im Durchschnitt auf mehr als 3.000 Euro monatlich“, so Thomas Preis.
Pohst war „positiv überrascht“ von dem Besuch. Sie sei auf „ernsthaftes Interesse“ gestoßen und es habe sich nicht um „reine Symbolpolitik“ gehandelt. Man habe dem Minister mit Beispielen aus den vergangenen Wochen einen „guten Einblick“ geben können. Laumann habe sich „sehr engagiert“ gezeigt, die Anliegen der Apotheken voranzubringen und ihnen Gehör zu verschaffen. „Hoffen wir, dass dieser Aussage auch Taten folgen“, so Pohst.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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