Antibiotika-assoziierte Durchfallerkrankung

Rezidivierende Infektionen mit Clostridioides difficile – fäkaler Mikrobiomtransfer wirksam

Stuttgart - 02.05.2023, 10:45 Uhr

Der fäkale Mikrobiomtransfer kann Patienten und Patientinnen mit rezidivierenden C. difficile Infektionen helfen. (Foto: Med Photo Studio / Adobe Stock)

Der fäkale Mikrobiomtransfer kann Patienten und Patientinnen mit rezidivierenden C. difficile Infektionen helfen. (Foto: Med Photo Studio / Adobe Stock)


Die Cochrane Collaboration hat zwei Reviews zur Sicherheit von Stuhltransplantationen bei Darmerkrankungen vorgelegt: Bei rezidivierender Infektion mit Clostridioides difficile und zur Kontrolle beim aktiven Status der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa ist die Methode wirksam. Für Morbus Crohn bescheinigt das Forschungsteam aber lediglich eine unsichere Evidenz. Außerdem ist noch kein Verfahren zum fäkalen Mikrobiomtransfer in Deutschland zugelassen, in den USA können gleich zwei Präparate in Verkehr gebracht werden.

Clostridioides difficile ist ein Bakterium, das bei Kleinkindern häufig und bei Erwachsenen weniger häufig im Darm vorkommt. Die Besiedlung steigt nach einer Krankenhausaufnahme statistisch um das Fünf- bis Zehnfache an. Durch eine Behandlung mit Antibiotika kann das Gleichgewicht der Darmflora gestört werden, wodurch es zu einer Fehlbesiedlung mit C. difficile kommen kann. Symptome einer Infektion sind zumeist massive Durchfälle, sowie auch Kolitis und pseudomembranöse Kolitis mit toxischem Megakolon und Darmperforation.

Ein Cochrane-Team kommt in einem von zwei neuen Reviews zu der Konklusion, dass eine Stuhltransplantation „bei immungesunden Personen wahrscheinlich zu einer höheren Heilungsrate von wiederholt auftretenden Infektionen mit dem Bakterium Clostridioides difficile führt als andere untersuchte Behandlungen“. Mit letzteren ist beispielsweise die Standardtherapie mit dem Antibiotikum Vancomycin gemeint. Für die Metaanalyse wurden sechs klinische Studien bewertet.

Außerdem hat das Forschungsteam der Cochrane Collaboration einen bestehenden Review von 2018 aktualisiert, in dem insgesamt zwölf Studien zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen untersucht wurden. Ein fäkaler Mikrobiomtransfer erhöht demnach bei Patientinnen und Patienten mit einem aktiven Schub einer Colitis ulcerosa den Anteil der Betroffenen, die in Remission sind. Wie langanhaltend diese Kontrolle der Erkrankung ist, konnte aus den Daten nicht abgeleitet werden. Die Evidenz für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse und die Lebensqualität gilt ebenfalls als nicht gesichert, wie einer Pressemitteilung des „Science Media Centers“ zu entnehmen ist. Da zu Morbus Crohn nur eine Studie ausgewertet werden konnte, ist die Datenlage zu dürftig, um eine fundierte Aussage treffen zu können.

Prof. Dr. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Jena, resümiert zu den beiden Metaanalysen:


Die Ergebnisse bestätigen die bisherige Einschätzung, dass der fäkale Mikrobiomtransfer insbesondere bei einer Infektion mit C. difficile, hocheffektiv und sicher ist. Der wesentliche Unterschied zwischen [der Infektionserkrankung und den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen] besteht darin, dass eine Infektion mit C. difficile eher als eine akute Erkrankung, meist nach Antibiotikaeinnahme, verstanden werden kann, während es sich bei den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen um eine Gruppe chronischer Erkrankungen handelt.

Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Jena


In den USA sind bereits ein rektales und ein orales Arzneimittel zur Stuhltransplantation bei wiederkehrenden C.-difficile-Infektionen zugelassen. RebyotaTM (Ferring Pharmaceuticals) wurde Ende letzten Jahres als erstes fäkales Mikrobiotapräparat von der Food and Drug Administration (FDA) zur Sekundärprophylaxe bei wiederkehrenden C.-difficile-Infektionen zugelassen. Ein bis drei Tage nach der letzten Antibiotika-Gabe soll das flüssige Arzneimittel, das aus dem aufbereiteten Darmmikrobiom gesunder Menschen besteht, als Einlauf angewendet werden. Die Erfolgsrate der Behandlung lag bei der Zulassungsstudie unter RebyotaTM bei knapp über 70 Prozent und damit signifikant höher als mit Placebo (57,5 Prozent).

Zweites zugelassenes Präparat für Mikrobiomtransfer in den USA

In der Anwendung und Lagerung einfacher ist das seit dem 26. April 2023 in den USA zugelassene orale Fertigpräparat Vowst™ (Seres Therapeutics). Es muss anders als das rektale Mikrobiomtransfer-Mittel nicht gekühlt gelagert werden, wie aus einer Pressemitteilung der FDA hervorgeht. VowstTM soll ebenfalls nach antibiotischer Therapie eine erneute Infektion mit Clostridioides difficile verhindern. Vier Kapseln täglich an drei aufeinanderfolgenden Tagen konnten in einer der Zulassungsstudien das Rezidivrisiko um den Faktor 3,2 senken. Eine Infektion mit dem Stäbchenbakterium trat in der Verumgruppe bei 12,4 Prozent der Behandelten auf und in der Kontrollgruppe bei 39,8 Prozent. Stallmach merkt hierzu an, dass die Effektivität eines klassischen fäkalen Mikrobiotatransfers in Studien höher sei.

Fehlende Standardisierung erhöht Risiken

Sowohl das orale als auch das rektale Arzneimittel zum Mikrobiotatransfer enthält aufgereinigte Darmbakterien von ausgewählten Spendern und Spenderinnen. Da die Zusammensetzung der Mikroorganismen so nicht kontrolliert werden kann, bestehen unter anderem Risiken für die Übertragungen von Krankheitserregern oder Nahrungsmittelallergenen. In den USA sind zwei Menschen nach fäkalem Mikrobiomtransfer mit einem pathogenen, multiresistenten Escherichia-coli-Stamm infiziert worden. Einer der Patienten verstarb. Die Sicherheitsvorschriften für die Stuhlspende wurden daraufhin massiv verschärft. 

Die Präparate Vowst™ und RebyotaTM zeigten in den Zulassungsstudien hauptsächlich Nebenwirkungen wie Diarrhö, Verstopfung, Fatigue oder allgemeines Unwohlsein.

Wie sieht es in Europa mit Stuhltransplantationen aus?

In Europa ist bisher kein Verfahren zum fäkalen Mikrobiomtransfer zugelassen. Will ein Arzt oder eine Ärztin dies bei einem Patienten oder einer Patientin einsetzen, geht das bisher nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, den die Betroffenen selbst bezahlen müssen. Ein Großteil der Kosten wird durch die Auswahl eines qualifizierten, gesunden Spenders verursacht, dessen Darmmikrobiom keine potenziellen Pathogene beinhalten darf. Prof. Dr. Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunkts Infektiologie an der Medizinischen Klinik II am Universitätsklinikum Frankfurt, findet, dass die Risiken einer fäkalen Mikrobiomübertragung gering seien, wenn alle vorgegebenen Sicherheitsvorkehrungen getroffen würden. „Eine neue EU-Direktive gibt jedoch vor, dass diese Präparate in Zukunft unter das Transplantationsgesetz fallen sollen. Dies würde die zur Verfügungstellung deutlich erleichtern“, hofft Vehreschild.

Definierte Bakterienstämme in Phase-II-Studie

Um das Sicherheitsprofil zu verbessern, wäre eine definierte Mischung aus Bakterien, die den Patienten und Patientinnen im Rahmen eines Mikrobiomtransfers verabreicht würde, gegenüber dem relativ undefinierten Darmbakterien-Cocktail aus Fäzes überlegen. Das Unternehmen Vedanta Biosciences arbeitet derzeit an einem Arzneimittel, das nicht-schädliche Stämme von C. difficile beinhaltet. Die biologische Nische im Darm, die vom pathogenen Vertreter besetzt ist, soll von den Bakterien im Präparat eingenommen und so das Rezidivrisiko gesenkt werden.

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Das Arzneimittel VE303 konnte in einer klinischen Studie bei täglicher, oraler Einnahme in hoher Dosierung über zwei Wochen das Risiko einer erneuten Infektion mit C. difficile circa um den Faktor drei im Vergleich zu Placebo senken. 13,8 Prozent der Verumgruppe erlitten innerhalb von acht Wochen eine erneute Infektion mit dem Anaerobier, in der Placebogruppe waren es 45,5 Prozent. 79 Probanden und Probandinnen nahmen an der Studie teil, wovon 30 in der Gruppe mit hochdosiertem VE303 waren und 22 in der Placebogruppe.


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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