Anpassung der Fachinformation von Erythromycin

Orale Akne-Therapie – welche Antibiotika eignen sich in Schwangerschaft und Stillzeit?

Stuttgart - 03.05.2023, 17:50 Uhr

Welche medikamentösen Optionen haben Schwangere bei schwerer Akne? Und was gilt es generell beim Antibiotikum Erythromycin zu beachten? (Foto: Jacob Lund / AdobeStock)

Welche medikamentösen Optionen haben Schwangere bei schwerer Akne? Und was gilt es generell beim Antibiotikum Erythromycin zu beachten? (Foto: Jacob Lund / AdobeStock)


Ein aktueller Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ruft derzeit in Erinnerung, dass der Einsatz von oralem Erythromycin in Schwangerschaft und Stillzeit, zum Beispiel bei schwerer Akne, zwar möglich, aber nicht risikofrei ist: Ein gewisses Risiko für Herzfehler beim Kind kann nicht ausgeschlossen werden. Zudem sind neue Wechselwirkungen von Erythromycin mit anderen Arzneimitteln zu bedenken. 

Wie das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) Ende April bekannt gegeben hat, werden die Fach- und Gebrauchsinformationen des Makrolid-Antibiotikums Erythromycin zur systemischen Anwendung angepasst. Der Bescheid ist die Folge eines europäischen, die periodischen Sicherheitsberichte bewertenden Verfahrens. Demnach empfiehlt der Pharmakovigilanz-Ausschuss der europäischen Arzneimittelbehörde EMA (PRAC) die Hinweise zur Erythromycin-Exposition in der Schwangerschaft und zu Wechselwirkungen mit Glucocorticoiden, Lomitapid sowie Chloroquin/Hydroxychloroquin anzupassen.

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Bislang hieß es zum Thema Schwangerschaft in der Fachinformation von Erythromycin lediglich: „Es gibt keine ausreichenden und gut kontrollierten Studien mit Schwangeren.“ Von nun an soll dort jedoch stehen:


„Die verfügbaren epidemiologischen Studien zum Risiko schwerer angeborener Fehlbildungen bei der Anwendung von Makroliden, einschließlich Erythromycin, während der Schwangerschaft liefern widersprüchliche Ergebnisse.“ 

Anlage 2 zum BfArM-Bescheid vom 25.04.2023


Denn wie es in der Fachinfo schon zuvor hieß, sind in Beobachtungsstudien am Menschen „kardiovaskuläre Fehlbildungen nach Anwendung von Arzneimitteln, die Erythromycin enthalten, in der frühen Schwangerschaft berichtet“ worden.

Laut Embryotox kann Erythromycin in der Schwangerschaft und Stillzeit aber indikationsgerecht eingesetzt werden – das heißt bei bakteriellen Infektionen und schweren Formen der Akne. Besser geeignete Alternativen sind jedoch Penicilline und Cephalosporine. Eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung ist also – auch bei hohem Erfahrungsumfang mit Erythromycin in Schwangerschaft und Stillzeit – nötig.

Gibt es Leitlinien zur Akne-Therapie in der Schwangerschaft?

Derzeit gibt es keine aktuellen deutschen oder europäischen Leitlinien zur Therapie der Akne. Ende 2022 wurde jedoch ein US-amerikanischer Überblick über die Literatur zur Akne-Therapie, speziell für die Schwangerschaft und Stillzeit, in dem Journal „Dermatology and Therapy“ veröffentlicht. Darin heißt es:


„Die Behandlung von Akne in Schwangerschaft und Stillzeit sollte je nach Schweregrad einem Stufenschema folgen, um das Risiko zu minimieren. Topische Therapien, wie Benzoylperoxid, Azelainsäure oder Keratolytika, können zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Erkrankungen eingesetzt werden. Bei mittelschwerer bis schwerer Akne kann eine systemische Behandlung mit Penicillin, Amoxicillin, Cephalexin und Erythromycin erforderlich sein, wobei die trimesterspezifische Teratogenität der Medikamente und die Krankengeschichte von Mutter und Kind zu berücksichtigen sind.“

Ly, S, Kamal, K, Manjaly, P et al. Treatment of Acne Vulgaris During Pregnancy and Lactation: A Narrative Review. Dermatol Ther (Heidelb) 13, 115–130 (2023). https://doi.org/10.1007/s13555-022-00854-3


Diesem Überblick zufolge gilt orales Erythromycin im zweiten und dritten Trimenon der Schwangerschaft als sicher. Im ersten Trimenon wird auf die uneindeutige Studienlage hinsichtlich kardiovaskulärer Fehlbildungen und Pylorusstenosen hingewiesen. Embrytotox erläutert hierzu: „Ein Zusammenhang zwischen Makrolid-Therapie beim Neugeborenen in den ersten Lebenswochen und Pylorusstenose wird diskutiert. Bisher konnte ein solches Risiko bei intrauteriner Exposition im letzten Trimenon nicht bestätigt werden.“

Die US-amerikanische Übersicht erklärt zudem auf Basis einer Studie aus den 1970er Jahren, dass „Erythromycin estolat“ in jedem Trimester einer Schwangerschaft kritisch zu bewerten ist – wegen des möglichen Risikos einer mütterlichen Hepatotoxizität. Laut Lauer-Taxe (Stand: 02.05.2023) ist zum Beispiel in dem Fertigarzneimittel Infectomycin von der Firma Infectopharm „Erythromycin estolat“ enthalten. In dessen Fachinformation findet sich jedoch kein entsprechender Hinweis (Stand Februar 2023). „Erythrocin Neo Filmtabletten“ sind seit März 2023 als „außer Vertrieb“ gelistet, enthielten aber „Erythromycin ethylsuccinat“. Weitere orale Erythromycin-Präparate sind derzeit nicht gelistet.

Amoxicillin statt Doxycyclin gegen Akne?

Laut dem US-amerikanischen Überblick zur Akne-Therapie in Schwangerschaft und Stillzeit sollten zur Behandlung von Akne – abweichend von den Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung – beim Versagen der lokalen Therapie bevorzugt Penicilline/Aminopenicilline, gefolgt von Cephalosporinen und Makroliden empfohlen werden. Amoxicillin beispielsweise soll laut der US-Übersicht wegen uneinheitlicher Daten zum Risiko einer Kiefer-Lippen-Gaumenspalte aber vorsichtshalber auch erst ab dem zweiten Trimester verordnet werden, bei Embryotox findet sich kein entsprechender Hinweis. 

Aufgrund der aktuellen Lieferengpässe bei Antibiotika scheint es auch in Indikationen jenseits der Akne nicht sehr unwahrscheinlich, dass schließlich auch bei Schwangeren Makrolide zum Einsatz kommen. 

Erythromycin ist nicht nur bei schweren Formen der Akne vulgaris indiziert, sondern (als Alternative oder Ergänzung zu anderen Antibiotika) beispielsweise auch bei:

  • Infektionen der tiefen Atemwege
  • Keuchhusten und Keuchhustenprophylaxe
  • Infektionen des Hals-, Nasen- und Ohrenbereichs
  • Scharlach, als Alternative zu Penicillin bei einer Penicillinallergie
  • Diphtherie

Das ansonsten bei Akne übliche Doxycyclin ist bei Schwangeren ab der 16. Woche kontraindiziert. Tetracycline wie Doxycyclin können sich an Calciumionen in Zahnanlagen und Knochen anlagern. 

Angesichts des Risikos für Antibiotikaresistenzen sollten orale Antibiotika bei Akne generell nicht als Monotherapie zum Einsatz kommen – sondern in Kombination mit Benzoylperoxid oder Azelainsäure. 

Topische und systemische Behandlungsmöglichkeiten bei Akne

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Erythromycin kann also weiterhin – wenn klar notwendig – in der Schwangerschaft und Stillzeit zum Beispiel bei Akne zum Einsatz kommen. Laut Produktinformationen kann es die Plazentaschranke überwinden und wird in die Muttermilch ausgeschieden, die fötalen Plasmaspiegel sollen jedoch gering bleiben.

Wechselwirkungen mit Glucocorticoiden

Der Einsatz oraler Glucocorticoide ist in der Akne-Therapie zwar nicht üblich, aber theoretisch möglich – laut dem US-amerikanischen Überblick wäre eine kurzfristige und niedrig dosierte Prednison-Gabe auch in der Schwangerschaft theoretisch möglich. Nicht nur deshalb ist es interessant, dass in den Produktinformationen von Erythromycin künftig auch folgender Hinweis stehen soll:


„Bei gleichzeitiger Anwendung von Erythromycin mit systemischen und inhalativen Kortikosteroiden, die primär durch CYP3A metabolisiert werden, ist aufgrund der Möglichkeit einer erhöhten systemischen Exposition mit Kortikosteroiden Vorsicht geboten. Bei gleichzeitiger Anwendung sollten Patienten engmaschig auf unerwünschte Nebenwirkungen des systemischen Kortikosteroids überwacht werden.“

Anlage 2 zum BfArM-Bescheid vom 25.04.2023


Zudem wird in den Produktinformationen von Erythromycin nun darauf hingewiesen, dass die gleichzeitige Anwendung von Erythromycin und Lomitapid aufgrund der Gefahr stark erhöhter Transaminasen kontraindiziert ist. Lomitapid wird zur Senkung erhöhter Blutfettwerte eingesetzt, ist in Deutschland aber nicht im Handel. 

Dass Erythromycin zu einer QT-Zeitverlängerung führen kann, ist schon länger bekannt. Neu soll jetzt in diesem Zusammenhang aber auf eine Wechselwirkung mit Chloroquin/Hydroxychloroquin in der Packungsbeilage hingewiesen werden: „Erythromycin sollte mit Vorsicht bei Patienten angewendet werden, welche diese Arzneimittel erhalten, da von diesen bekannt ist, dass sie das QT-Intervall verlängern und somit möglicherweise Herzrhythmusstörungen und schwere kardiovaskuläre Nebenwirkungen auslösen können.“

Im ersten Jahr der Corona-Pandemie war das Malaria- und Rheuma-Mittel Chloroquin (bzw. Hydroxychloroquin) als vermeintliches Wundermittel gegen COVID-19 angepriesen worden. Basis für die Aufnahme der neuen Wechselwirkung sind laut BfArM-Bescheid nun Daten von 2020 über ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen und schwerwiegende kardiovaskuläre Nebenwirkungen bei gleichzeitiger Anwendung von Chloroquin/Hydroxychloroquin mit dem Makrolid-Antibiotikum Azithromycin.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Erythromycin in der Schwangerschaft

von Dorf-Apothekerin am 04.05.2023 um 13:17 Uhr

Die beobachteten und gemeldeten Schwangerschaftsvergiftungen sind bedauerlicherweise bis heute kein Thema. Es geht immer nur um Mißbildungen beim Embryo, dass aber die Nieren der Mutter durch (Kreuz)Allergien (z.B. auf Penicillin) in Gefahr geraten können, wird nicht weiter untersucht. Damit werden Mutter und Kind insbesondere im dritten Trimenon gefährdet. Immerhin findet die Leber der Mutter in diesem Artikel offizielle Beachtung.
Akne läßt sich im Übrigen sehr gut ohne Medikamente behandeln: keine Kuhmilchprodukte, kein Schweinefleisch und kein Weizen.
Aber daran verdienen wir halt nichts. Die Methode ist für Schwangere aber die sicherste und bringt ein akzeptables Ergebnis.

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