Analyse zum Apothekenwirtschaftsbericht

Diagnose: Apotheken in Schieflage

Süsel - 04.05.2023, 07:00 Uhr

Viele Apotheken befinden sich in einer bedenklichen Schieflage. (Foto: mirkomedia/AdobeStock)

Viele Apotheken befinden sich in einer bedenklichen Schieflage. (Foto: mirkomedia/AdobeStock)


In der vorigen Woche hat die ABDA ihren Apothekenwirtschaftsbericht über die Entwicklung im Jahr 2022 vorgelegt. DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn hat die Zahlen hinterfragt und sieht darin erschreckende Signale, die einen strukturellen Wandel der Apothekenlandschaft erkennen lassen. Seine Diagnose: Viele Apotheken befinden sich in einer Schieflage. Die Analyse finden Sie in der aktuellen Ausgabe der DAZ. 

Der Apothekenwirtschaftsbericht, den Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie der ABDA, und Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales der ABDA, am 25. April beim Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes präsentiert haben, enthält Daten zu vielen Themen rund um die Apotheken. DAZ-Redakteur Thomas Müller-Bohn mahnt in seiner Analyse, die langfristigen Entwicklungen an verschiedenen Stellen zu betrachten.

Neue Dynamik bei den Schließungen

Die Apothekenzahl ist nicht einfach nur weiter gesunken, sondern die Schließungswelle hat eine neue Dynamik angenommen. Jahrelang sank die Apothekenzahl „mehr oder weniger“ um 300 pro Jahr, im Berichtsjahr 2022 aber um 393 und schon im ersten Quartal 2023 um weitere 129. Es ist kein Boden in Sicht. Die neue Qualität des Problems zeigt sich besonders bei den Filialen, deren Zahl um 30 sank. 2021 war sie noch um 100 gestiegen. Im Jahr 2022 schlossen 263 Haupt- oder Einzelapotheken (Vorjahr: 278) sowie 198 Filialen (Vorjahr: 91), also überproportional viele Filialen. Die Schließungswelle wirkt demnach massiv auf die Filialen. Das ist neu! Als Ergebnis der Schließungen beträgt die Apothekendichte im Osten 23,4 und im Westen 21,4 Apotheken pro 100.000 Einwohner. Im Westen liegt das unter dem Wert von 1975 (21,9).

Die Zahl der Apotheken sinkt schon seit 2008, aber lange stieg die Zahl der Beschäftigten in Apotheken. Seit 2020 sinkt auch diese Zahl, bisher nur leicht. Doch die zunehmende Zahl der Teilzeitbeschäftigten macht deutlich, dass die Beschäftigung in Apotheken zurückgeht.

Mehr Absatz und Umsatz

Im Berichtsjahr 2022 nahm der Arzneimittelabsatz in Apotheken entgegen dem langfristigen Trend auf 1.405 Millionen Packungen zu. Dabei stieg der Anteil der rezeptfreien Arzneimittel von 41,3 Prozent im Vorjahr auf 43,7 Prozent. Dies ist vermutlich durch die außergewöhnlich starke Welle von Atemwegserkrankungen im Herbst zu erklären. Der Nettowarenumsatz in den Apotheken stieg entsprechend dem langfristigen Trend auf 64,27 Milliarden Euro. Dies dürfte wesentlich auf den immer höheren Preisen neuer Arzneimittel beruhen. Aufgrund der überwiegend packungsbezogenen Honorierung haben die Apotheken davon kaum etwas. Die pandemiebedingten Sonderumsätze gingen deutlich zurück. Nach Schätzungen der ABDA erzielten die Apotheken im Jahr 2021 mit dem Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) Sonderumsätze von etwa 2,5 Milliarden Euro, 2022 nur noch etwa 600 Millionen Euro.

Mehr Umsatz – weniger Gewinn

Dies alles schlägt sich in den Geschäftszahlen nieder. Der durchschnittliche Nettoumsatz einer Apotheke stieg 2022 um 4,7 Prozent auf 3,225 Millionen Euro, wobei sich der Gesamtumsatz auf 2,1 Prozent weniger Apotheken verteilte. Das Betriebsergebnis sank um 22,8 Prozent auf durchschnittlich 162.890 Euro und betrug damit nur noch 5,1 Prozent vom Nettoumsatz – so wenig wie noch nie.

Schere zwischen Apotheken geht weiter auseinander

In der Umsatzverteilung ging die Schere zwischen großen und kleinen Apotheken im Berichtsjahr noch weiter auseinander. Obwohl eher kleine Apotheken schließen dürften, gibt es mehr kleinere Apotheken. Die Verteilung verschiebt sich nicht unverändert nach rechts, sondern der Gipfelbereich verbreitert und spaltet sich. Das Maximum wandert sogar nach links und es entsteht ein zweiter Gipfel im Bereich des Umsatzdurchschnitts. Aus diesen erstaunlichen Befunden folgert Müller-Bohn, dass viele typische Apotheken stagnieren oder sogar schrumpfen, während die größeren Apotheken umso mehr wachsen.

Offenbar sind viele kleinere Apotheken in Schieflage geraten und damit bedroht. Doch ein Geschäftsmodell, das nur noch in eher wenigen Apotheken mit Sonderfaktoren funktioniert, kann die flächendeckende Versorgung langfristig nicht sichern. Die ganze Analyse zum Apothekenwirtschaftsbericht mit vielen weiteren Daten finden Sie in der gedruckten Ausgabe der DAZ.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

N-Ident-secur ins postqualifizierte Nirwana

von frustriertes Apothekerlein am 04.05.2023 um 16:35 Uhr

Die wirtschaftliche Schieflage ist die eine Seite, die zu großen Teilen fremdbestimmt ist.
Dazu kommt dass unsere Standesvertretung seit Jahren akzeptiert, dass wir kostenlos weitere Dienste übernehmen müssen.
Wir bezahlen seit Jahren viel Geld für einen elektronischen Apothekerausweis und SMC-B für ein paar wenige sogenannte E-Rezepte auf einem DIN-A-4-Blatt, bei denen allerdings Engpass-Sonderregelungen wie z.B. Auseinzelung nicht möglich sind!
Wir bezahlen auch für securPharm und N-Ident-Zertifikate, weil in deutschen Apotheken ja sonst mit gefälschten Arzneimitteln gehandelt würde.
Wir kontrollieren die "böse" Pharmaindustrie, deren Prüfzertifikaten für Rezeptursubstanzen man ja nicht trauen kann.
Seltsamerweise darf die Industrie aber den Zertifikaten aus Fernost trauen, die beim Import in die EU "nach Aktenlage (am Schreibtisch?) geprüft" werden...
Und nach der Präqualifizierung alle 2 Jahre mit den vielen hübschen Fotos warte ich seit Jahren auf die Erlaubnis mich endlich "richtig" qualifizieren zu dürfen und ob es dann noch weiter geht.

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