- DAZ.online
- News
- Politik
- So ist die Stimmung in ...
Apotheken-Protest am Dienstag
So ist die Stimmung in Schleswig-Holstein vor dem morgigen Aktionstag
Am kommenden Sonntag stehen in Schleswig-Holstein Kommunalwahlen an. Diesen Termin nimmt der AVSH zum Anlass, um noch einmal auf die Lage der Offizinen im Bundesland aufmerksam zu machen: Er ruft seine Mitglieder dazu auf, sich am morgigen Dienstagvormittag an einer Protestaktion zu beteiligen. Verbandschef Lund gibt sich kämpferisch – doch von der Basis ist auch Kritik an der Planung zu vernehmen.
Rund 150 Apotheken hat das Bundesland Schleswig-Holstein in den vergangenen 15 Jahren ersatzlos verloren. Diese Entwicklung werde sich in den kommenden Jahren noch beschleunigen, warnt jetzt der Apothekerverband Schleswig-Holstein (AVSH) in einem Informationsschreiben: Aktuell sind demnach 30,13 Prozent der Apothekeninhaberinnen und Apothekeninhaber im Land 60 Jahre und älter, 7,14 Prozent haben bereits das Alter von 70 Jahren erreicht. „Gleichzeitig können sich kaum noch Hochschulabsolventen den Gang in die Selbständigkeit vorstellen – vor allem, weil die wirtschaftliche Perspektive fehlt.“
Mehr zum Thema
Zahlen der Treuhand Hannover
„GKV-Versorgung ist für Apotheken defizitär“
Was die Apotheken nun brauchen, um auch in Zukunft noch für ihre Patientinnen und Patienten da sein zu können, liegt für Verbandschef Hans-Günter Lund auf der Hand: Eine Honorarerhöhung muss her, und zwar dringend. Schon viel zu lange seien sie von der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland abgekoppelt. „So kann es nicht weitergehen“, sagt Lund im Gespräch mit der DAZ. Die am kommenden Sonntag anstehenden Kommunalwahlen nimmt der AVSH zum Anlass, seine Mitglieder zum Protest aufzurufen. Ursprünglich hatte der Verband offenbar einen neuen Apothekenstreik ins Auge gefasst – in einer Pressemitteilung vom heutigen Montag lässt der AVSH nun jedoch offen, wie der Protest am morgigen Dienstagvormittag aussehen soll.
Lund betont gegenüber der DAZ, Ziel sei es, Aufmerksamkeit für die Lage der Präsenzapotheken zu schaffen. Seine Apotheke in Leck bleibe morgen Vormittag geschlossen und auch die Kollegen in der Umgebung zögen mit. Es sei aber auch möglich, sich auf andere Weise Gehör zu verschaffen und die Patientinnen und Patienten zu informieren – die Entscheidung, welche Form des Protests sich für die individuelle Apotheke eigne, überlässt er den Inhaberinnen und Inhabern selbst. In jedem Fall hofft Lund auf rege Beteiligung: In einer Umfrage des Verbands vom Februar 2023 haben sich Lund zufolge 93 Prozent der Mitglieder für einen Streik ausgesprochen. Die Rücklaufquote habe stolze 70 Prozent betragen – für den Verband sei das ein klares Signal gewesen, erneut zu einem Aktionstag aufzurufen. Bereits im Oktober 2022 hatten die Apotheken in Schleswig-Holstein gestreikt, damals vor dem Hintergrund der geplanten Anhebung des Kassenabschlags.
Mehr zum Thema
Aktionstag in Schleswig-Holstein
Lund: „Kreativität des Einzelnen ist gefordert“
Verband befragt Mitglieder
Apothekenstreik – legt Schleswig-Holstein nach?
Ob sich die Beteiligungsquote von rund 90 Prozent der Apotheken im Bundesland vom Oktober des vergangenen Jahres wiederholen lässt, bleibt abzuwarten. Denn von der Basis ist neben Zuspruch auch Kritik zu vernehmen. Yannick Detampel, Inhaber der Holsten Apotheke in Schacht-Audorf, bemängelt insbesondere die Kurzfristigkeit der Streikankündigung sowie die aus seiner Sicht schlechte Kommunikation. Denn wie viele Kolleginnen und Kollegen habe auch er in den Fachmedien vom geplanten Protesttag erfahren – erst danach habe es ein offizielles Schreiben an die Mitglieder gegeben. Damit habe der Verband einige vor den Kopf gestoßen, die grundsätzlich streikbereit gewesen wären.
Zudem hält der Apotheker nichts von dem Ansatz, die Form des Protests jedem selbst zu überlassen. „Das ist doch Aufgabe des Verbands, das zu organisieren“, sagt er der DAZ. Er hätte einen eindeutigen Streikaufruf bevorzugt. „Durch die Klappe bedienen bringt doch nichts“, ist er überzeugt. Und die Idee, in Notfällen doch zu beliefern, gebe dem Ganzen den Rest. Denn dann müsse er in jedem Einzelfall entscheiden, ob ein Notfall vorliegt oder nicht – das führe nur zu fruchtlosen Diskussionen und jeder Menge Ärger. „Daher mache ich diesmal auch nicht mit, obwohl ich sonst zu allem bereit bin.“
In Niendorf ruht das Tagesgeschäft
Bei der Kur-Apotheke in Niendorf werden die Patientinnen und Patienten hingegen am Dienstagvormittag vor verschlossenen Türen stehen. Inhaberin Michaela-Alexandra Banzhaf will zwar die telefonische Erreichbarkeit und die Versorgung in Notfällen gewährleisten, das normale Tagesgeschäft soll jedoch zwischen 8 und 14 Uhr stillstehen. Sie und ihre Mitarbeitenden werden sich im Wechsel vor der Apotheke positionieren und die Menschen über die Hintergründe aufklären, kündigt sie der DAZ an.
Banzhaf ist stellvertretende Vorsitzende des AVSH und stärkt Verbandschef Lund den Rücken. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre bis Jahrzehnte hätten die Präsenzapotheken in arge Bedrängnis gebracht. Nun sei es an der Zeit, laut zu werden und sich zu wehren. Vorbereitet hat sie von einer Kollegin entworfene und leicht angepasste Plakate, die morgen auf die drängendsten Probleme der Apotheken hinweisen sollen. Neben einer fairen Vergütung und dem Ende der Spargesetze fordert Banzhaf ein Verbot von Nullretaxationen, Bürokratieabbau, verlässliche Verfügbarkeiten bei Arzneimitteln und Wertschätzung für die Leistungen der Apotheken. Zumindest bei ihren Patientinnen und Patienten sei Letztere bereits zu spüren: In den vorbereitenden Gesprächen hätten viele von ihnen Verständnis für die Proteste der Apothekerschaft signalisiert. Nun hofft Banzhaf auch auf Einsicht seitens der Politik.
2 Kommentare
falscher "Aktionismus"
von Kerstin F. am 09.05.2023 um 19:34 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Viel zu wenig - völlig falsches Signal
von Linda F. am 08.05.2023 um 18:38 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.