Protesttag in Schleswig-Holstein

„Insgesamt ist die Aktion ein voller Erfolg“

Berlin - 09.05.2023, 16:30 Uhr

Kreativer Protest erwünscht: Wie sich die Apothekenteams Gehör verschafften, blieb jedem selbst überlassen. (Foto: privat)

Kreativer Protest erwünscht: Wie sich die Apothekenteams Gehör verschafften, blieb jedem selbst überlassen. (Foto: privat)


Kurz vor den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein machten die Apotheken im Bundesland am heutigen Dienstagvormittag in Protestaktionen nochmals auf ihre Lage aufmerksam. Einige sperrten zu, andere schränkten die Versorgung ein und gingen mit den Patientinnen und Patienten in den Dialog. Auch wenn es Kritik an der Planung gibt – der Verband als Initiator zieht ein durchweg positives Fazit.

Streiken oder nicht streiken? Richtig festlegen wollte sich der Apothekerverband Schleswig-Holstein (AVSH) im Vorfeld des heutigen Aktionstags im Bundesland nicht – letztlich überließ man es den Mitgliedern selbst, welche Form des Protests sie wählen wollten. Dennoch rief der Verband die Apothekeninhaberinnen und -inhaber auf, am Dienstagvormittag zwischen 8 und 14 Uhr kreativ zu werden und auf die Nöte der Offizinen aufmerksam zu machen. Im Mittelpunkt standen die wirtschaftliche Lage der Betriebe und die Forderung nach einer Anpassung der Vergütung sowie Personalmangel, Bürokratie und die fehlende Wertschätzung der Leistungen der Apotheken seitens der Politik.

Hintergrund sind die Kommunalwahlen, die am Sonntag im hohen Norden stattfinden. „Das war für uns die Gelegenheit, ganz gezielt den Stellenwert der Versorgung durch Apotheken vor Ort in den Fokus zu rücken“, erläutert AVSH-Geschäftsführer Georg Zwenke im Gespräch mit der DAZ. Dieser Plan sei aufgegangen: Nicht nur das Interesse vonseiten der Medien sei groß gewesen, auch die Politik habe man erreicht. „Wir sind sogar von Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein angesprochen worden, die sich jetzt mit uns an einen Tisch setzen und über die Zukunft der Präsenzapotheken sprechen wollen“, berichtete er. „Insgesamt ist die Aktion ein voller Erfolg.“

Viele Mitglieder haben sich Zwenke zufolge an dem Protest beteiligt. Genaue Zahlen liegen ihm naturgemäß jedoch nicht vor. „Da hätte man zu jedem Betrieb gehen und nachschauen müssen“, sagt er. Denn anders als im Oktober vergangenen Jahres, als man Schulter an Schulter mit Hamburg, Brandenburg und dem Saarland gegen die Erhöhung des Kassenabschlags streikte, hat es der Verband diesmal den Inhaberinnen und Inhabern überlassen, wie sie sich am Aktionstag Gehör verschaffen und das von AVSH elektronisch zur Verfügung gestellte Protestmaterial nutzen wollten. „Manche haben zugesperrt, andere haben in ihrer Offizin tolle Aktionen durchgeführt und wieder andere haben sich für Aktionen vor ihrer Apotheke entschieden“, berichtet Zwenke. Es sei bunt, kreativ und vielfältig gewesen. Wie hoch die Beteiligung war, ließe sich daher nicht erfassen.

Individuelle Gestaltung des Protests

Manche Kolleginnen und Kollegen ließen es sich dennoch nicht nehmen, die Arbeit niederzulegen – so auch Apotheker Hubertus Herrmuth, Inhaber der Anker Apotheke und der Stadt Apotheke in Heiligenhafen. „Aus Protest gegen die Missachtung der Probleme der Apotheken durch die Bundesregierung“ bleibe die Offizin bis 14 Uhr geschlossen, informierte er Anrufende per Bandansage. In Notfällen stehe die nächste notdiensthabende Apotheke bereit.

Bei der Kur-Apotheke in Niendorf standen die Patientinnen und Patienten ebenfalls vor verschlossenen Türen. Inhaberin Michaela-Alexandra Banzhaf und ihre Mitarbeitenden positionierten sich im Wechsel vor der Apotheke, um die Menschen über die Hintergründe aufzuklären. Neben einer fairen Vergütung und dem Ende der Spargesetze fordert die stellvertretende Vorsitzende des AVSH ein Verbot von Nullretaxationen, Bürokratieabbau, verlässliche Verfügbarkeiten bei Arzneimitteln und Wertschätzung für die Leistungen der Apotheken.

Viele Patientinnen und Patienten seien vorinformiert gewesen, berichtet Banzhaf – entweder durch die Medien, die Praxen in der Umgebung oder weil sie bereits im Vorfeld in der Apotheke vom Protest erfahren hätten. „Der Andrang hat sich daher in Grenzen gehalten“, sagte sie der DAZ. Dennoch: Die Menschen, die gekommen seien, hätten viel Verständnis für die Probleme der Apothekerschaft gezeigt. Nun hofft Banzhaf auch auf Einsicht seitens der Politik.

„Großes Interesse“ in Niebüll

In der Godske Hansen Apotheke in Niebüll gingen Finn Clausen und Thomas Norman Rothkegel einen anderen Weg: Die Offizin war zwar geöffnet, allerdings bediente das Team die Patientinnen und Patienten heute Vormittag nur an zwei der fünf HV-Tische. Die anderen klebten sie mit Plakaten ab, zudem ließen sie das Licht ausgeschaltet und verteilten Informationsflyer, die der AVSH ausgegeben hatte. „Bei den Kunden hat die Aktion für großes Interesse gesorgt“, sagt Rothkegel. Auch hier sei man auf offene Ohren gestoßen.

Auch die Inhaberinnen und Inhaber in der näheren Umgebung beteiligten sich laut Rothkegel am Protest. Manche hätten durch die Notdienstklappe bedient, andere hängten die Schaufenster ab. „Alles in allem war es eine gute Gelegenheit, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen“, so das Fazit des Apothekers.

Kritik an der Planung

Einige Kolleginnen und Kollegen waren dem Aufruf nach DAZ-Information hingegen nicht gefolgt – übereinstimmend äußerten sie Kritik an der Kurzfristigkeit der Aktion, der Kommunikation und dem aus ihrer Sicht unkoordinierten Vorgehen. „Ja, die Ankündigung kam mit nur einer Woche Vorlauf wirklich recht kurzfristig“, räumt AVSH-Geschäftsführer Zwenke ein. Dafür gebe es aber eine Erklärung: „Zum einen wollten wir uns zunächst eng mit der ABDA abstimmen. Zum anderen haben wir abgewartet, welches Bild von der Branche beim DAV-Wirtschaftsforum gezeichnet wird und ob das unsere Bemühungen eher stützt oder untergräbt. Die Zahlen, die dort präsentiert wurden, sind so alarmierend, dass wir uns letztlich für den Aktionstag noch vor der Kommunalwahl entschieden haben.“

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Wer nun nicht mitmachen konnte oder wollte, den lädt Zwenke ein, sich auf andere Weise für die wohnortnahe Arzneimittelversorgung starkzumachen: „Nehmen Sie Kontakt zu Ihren Kommunalpolitikern, ihren Landtags- und Bundestagsabgeordneten auf und weisen Sie auf die Forderungen der ABDA hin“, regt er an. Das nötige Material habe der AVSH allen Mitgliedern zukommen lassen. Auch auf diesem Weg könne man gemeinsam einiges erreichen.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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