Trotz Zulassungsbeschränkungen

Fluorchinolone werden immer noch zu oft verschrieben

Stuttgart - 16.05.2023, 15:15 Uhr

Obwohl die EMA bereits seit 2019 zu einem zurückhaltenden Einsatz von Fluorchinolonen rät, werden die Antibiotika weiterhin bei leichten Infektionen eingesetzt. (Foto: pix4U / AdobeStock)

Obwohl die EMA bereits seit 2019 zu einem zurückhaltenden Einsatz von Fluorchinolonen rät, werden die Antibiotika weiterhin bei leichten Infektionen eingesetzt. (Foto: pix4U / AdobeStock)


Die europäische Arzneimittelbehörde gab 2019 ein Statement ab, indem es hieß: Fluorchinolon-haltige Antibiotika sollten nur bei schwerer Erkrankten eingesetzt werden, wenn andere Behandlungsmöglichkeiten ausscheiden. Trotz Zulassungsbeschränkungen werden die Breitband-Antibiotika allerdings auch in Deutschland weiterhin bei unkomplizierten Infektionen verschrieben. Das zeigt eine von der EMA initiierte Studie. Warum sich das ändern soll und wie Betroffene zu beraten sind, lesen Sie hier. 

Seit 2019 gelten auf europäischer Ebene Einschränkungen für die Anwendung von Fluorchinolonen und Chinolon-Antibiotika. Zu den unerwünschten Arzneimittelwirkungen dieser Antibiotikaklasse zählen nämlich entzündete oder gerissene Sehnen, Muskelschmerzen und -schwäche, Gelenkschmerzen und -schwellung, Probleme beim Gehen, sowie stechende und brennende Schmerzen. Durch Schädigung des Nervensystems kann es ferner zu folgenden Symptomen kommen: Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Beeinträchtigungen der Sinne und Schlafprobleme.

Fluorchinolone sollten aufgrund dieser möglicherweise langanhaltenden und irreversiblen, aber seltenen Nebenwirkungen laut Europäischer Arzneimittelbehörde (EMA) nicht verabreicht werden bei:

  • Infektionen, die nicht schwerwiegend sind oder auch ohne Behandlung wahrscheinlich vergehen
  • nicht-bakteriellen Infektionen, z.B. nicht-bakterieller (chronische) Prostatitis
  • Prävention von Reisediarrhö oder wiederkehrenden Infektionen der unteren Harnwege
  • milden oder moderaten bakteriellen Infektionen, außer wenn andere antibakterielle Wirkstoffe nicht eingesetzt werden können

Für die Fluorchinolone in systemischer Form hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zum 30. April 2019 die Zulassung bei entsprechenden Indikationen widerrufen. Ferner gilt es zu beachten, dass Fluorchinolone nicht bei Patienten und Patientinnen eingesetzt werden sollten, die bereits unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch die Einnahme eines Fluorchinolons oder Chinolons erlitten haben. Bei Älteren, Patientinnen und Patienten mit Nierenerkrankungen oder transplantierten Organen ist das erhöhte Risiko für Sehnenverletzungen zu beachten. Die gleichzeitige Einnahme eines Glucocorticoids sollte vermieden werden, da auch dies vermehrt zu Sehnenproblemen und Kollagenschäden führen kann.

Verordnungszahlen in der EU stagnieren trotz Maßnahmen

In einer nun veröffentlichten Studie der EMA, in der Daten zur Verordnung Fluorchinolon-haltiger Arzneimittel in sechs europäischen Ländern (Belgien, Frankreich, Deutschland, Vereinigtes Königreich, Niederlande, Spanien) zwischen 2016 und 2021 untersucht wurden, konkludierte das Forschungsteam: Die EU-weiten Maßnahmen zur Restriktion Fluorchinolon-haltiger Antibiotika hatten lediglich einen moderaten Effekt. Antibiotika dieser Klasse werden außerhalb des empfohlenen Bereichs weiterhin verschrieben, hauptsächlich bei unkomplizierten Harnwegsinfekten, Atemwegsinfekten und Infektionen des Ohrs. Der Rückgang der Verschreibungszahl sei in manchen Ländern moderat, in anderen weitestgehend nicht existent.

Ein Rote-Hand-Brief, der noch nicht veröffentlicht wurde, soll daher nochmals an die empfohlenen Anwendungsbeschränkungen erinnern: Fluorchinolon-haltige Antibiotika werden als Arzneimittel der letzten Wahl angesehen, die nur an Patienten und Patientinnen verabreicht werden sollten, bei denen keine alternative Therapieoption greift. Nutzen und Risiken sollen individuell für jeden einzelnen Patient und jede einzelne Patientin abgewogen werden.

Was es in der Apotheke zu beachten gilt

Patienten und Patientinnen, die Fluorchinolonantibiotika erhalten, wie Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin oder Ofloxacin, sollten über mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Bei Anzeichen für schwerwiegende, unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Gelenkschmerzen, Sehstörungen, Schwellungen oder dergleichen sollte ein Arzt oder eine Ärztin aufgesucht werden. Wird in der Apotheke bemerkt, dass eine Verschreibung für ein Fluorchinolon-haltiges Breitbandantibiotikum außerhalb der Indikation vorliegt, kann auch Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin gesucht werden.


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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