Unterschiedliche Spezifikationen

Dosierungsangabe auf dem E-Rezept nicht kompatibel mit E-Medikationsplan

Wesenheim am Sand - 23.05.2023, 14:15 Uhr

Die Dosierungsangaben vom E-Rezept, lassen sich nicht in den Medikationsplan übernehmen. (Foto: IMAGO / Zoonar)

Die Dosierungsangaben vom E-Rezept, lassen sich nicht in den Medikationsplan übernehmen. (Foto: IMAGO / Zoonar)


Die Digitalisierung soll Prozesse im Gesundheitswesen verschlanken und weniger fehleranfällig machen. So könnten beispielweise Dosierungsangaben vom E-Rezept automatisch in den E-Medikationsplan fließen. Voraussetzung, dass das klappt ist jedoch, dass die einzelnen Komponenten miteinander kompatibel sind. Und das ist leider nicht der Fall. 

Dass die Dosierungsangabe beim E-Rezept vom verordnenden Arzt nicht verpflichtend hinterlegt werden muss, wurde an dieser Stelle bereits mehrfach erörtert, zuletzt in diesem Beitrag aus dem August 2022. Für die Apotheke bedeutet das vor allem, dass auch E-Rezepte auf das Vorhandensein der „Dj“-Angabe zu prüfen sind, wie Muster-16-Rezepte. Dabei wäre gerade die Dosierung einer der Punkte mit dem höchsten Patientennutzen. Schließlich ist die strukturierte Angabe von Dosierungshinweisen wichtigste Grundlage für den Medikationsplan und sich daran anschließender Prozesse wie Einnahme-Erinnerungen oder Reichweitenberechnungen samt Hinweis auf fällige Folgerezepte.

Eine solche Prozessverbesserung wäre nun wieder möglich. Der E-Medikationsplan soll im Oktober 2024 in die Telematikinfrastruktur überführt werden. Im dazu gehörigen FHIR-Standard sind Dosierungsangaben detailliert und strukturiert definiert. Der gesetzliche Auftrag zur Erstellung solcher als MIO abgekürzten Medizinischen Informations-Objekte liegt bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Ihre Vorgaben sind bindend. Aktuell wird der E-Medikationsplan bei der MIO42 GmbH in Berlin, einer hundertprozentigen Tochter der KBV, konzipiert und spezifiziert. Der FHIR-Standard wird hierfür die Grundlage bilden.

FIHR-Standard

FHIR, ausgesprochen wie engl. “fire”, ist das Akronym für Fast Healthcare Interoperability Resources. Dieser Standard wurde von HL7 entwickelt, einer in 35 Ländern aktiven Organisation, die den Datenaustausch zwischen Softwaresystemen im Gesundheitswesen unterstützt.

Problematisch ist nur, dass derselbe FHIR-Standard in der Spezifikation fürs E-Rezept auf ein Freitextfeld mit maximal 500 Zeichen reduziert wurde. Dadurch werden diese Informationen für den E-Medikationsplan unbrauchbar, so der strategische Berater und Digital-Health-Experte Mark Langguth. Der E-Medikationsplan benötige ganz konkrete Informationen, wie genaue Einnahmezeitpunkte, Abstände dazwischen und ob die Arznei vor, während oder nach der Mahlzeit eingenommen wird. Im FHIR-Standard lägen all diese Daten vor, inklusive der Information, ob es sich um Bedarfs- oder Dauermedikamente handelt. Nur: Wo sollen die Informationen im Medikationsplan herkommen, wenn nicht von der Verordnung?

Ärzte müssen Dosierung doppelt eingeben

Patienten, die mehr als drei Arzneimittel gleichzeitig einnehmen, haben laut § 31a Abs.1 SGB V einen Anspruch auf einen Medikationsplan. Als Konsequenz müssen Ärzte aktuell die Dosierung zweimal eingeben: einmal als Freitext im E-Rezept und einmal in strukturierter Form im Medikationsplan. Diese Form der administrativen Doppelaufgaben sollte eigentlich vermieden werden – und könnte es auch, wenn die strukturierten Daten bereits initial beim E-Rezept erhoben würden. Außerdem ist die zweifache Erfassung von Daten fehleranfälliger, als würde sie nur einmal in strukturierter Form erfolgen.

Fraglich ist, warum die KBV die Spezifikation des E-Rezepts bei der Dosierungsangabe so stark reduziert hat. Offensichtlich hielt man sich eng an die Vorgaben aus der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV). In Analogie zum Muster-16-Rezept wurden viele Daten, die in der FHIR-Spezifikation zum E-Rezept enthalten waren, wieder aus der verbindlichen KBV-Spezifikation herausgenommen. Übrig geblieben seien nicht genug Daten, um digitale Workflow-Ketten zu ermöglichen, so TI-Experte Langguth.

Datenschutz als mögliche Begründung

In § 2 Abs. 1 Ziffer 7 AMVV steht beispielsweise lediglich, dass die Dosierung anzugeben ist. Sie enthält auch die Ausnahmetatbestände, die mit „Dj“ (kurz für „Dosierungsanweisung ja“) auf dem Muster-16-Rezept kenntlich gemacht werden. Eine Normierung hingegen sieht die AMVV nicht vor. Das erklärt vielleicht, warum die Dosierung auf dem E-Rezept als Freitextfeld definiert wurde. Eine weitere Möglichkeit liegt im datenschutzrechtlichen Grundsatz der Datensparsamkeit. Dieser besagt, dass nur diejenigen Daten zu erheben sind, die für den Zweck der Datenerhebung notwendig sind. Zweck eines E-Rezepts ist dessen Ausstellung durch den Arzt und die Dispensierung in der Apotheke – insofern ist das Kürzen der Dosierung aus reiner Datenschutz-Sicht sogar plausibel. Aber für Apotheken, Ärzte und auch Patienten liegt darin Mehraufwand und gefährdet sogar die Adhärenz.

Es gibt Anlass zur Hoffnung, vielleicht ...

Doch es gibt Anlass zur Hoffnung. So ist die gematik unter anderem Koordinierungsstelle für die Vereinheitlichung von Spezifikationen im Gesundheitswesen. Dort gibt es mit dem Interop-Council ein nationales Expertengremium für Interoperabilität, besetzt mit renommierten Fachleuten mit ausgewiesener Praxiserfahrung. In diesem Interop-Council ist man sich des Problems bewusst, dass die Dosierungsangaben aus dem E-Rezept aktuell nicht im E-Medikationsplan genutzt werden können. Würde dieser Interop-Council eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema gründen und konkrete Vorgaben machen, wie die Vereinheitlichung der Dosierung gestaltet werden können, hätte das durchaus Gewicht, so Langguth.

Verpflichtend werden aber letztlich die Vorgaben der KBV sein. Diese hat sich lediglich mit den anderen Interessenvertretern, darunter auch der Deutsche Apothekerverband (DAV), ins Benehmen zu setzen. Das heißt, dass deren Belange angehört werden müssen – eine Pflicht zu deren Berücksichtigung gibt es jedoch nicht.


Florian Giermann, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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