Humane Babesiose breitet sich in den USA aus

Fieber nach Zeckenstich?

05.06.2023, 10:45 Uhr

Die humane Babesiose wird von Zecken übertragen. (Foto: Ivan / AdobeStock)

Die humane Babesiose wird von Zecken übertragen. (Foto: Ivan / AdobeStock)


Die von Zecken übertragene Babesiose ist eine vor allem Tiere betreffende Erkrankung. Nun breitet sich die Babesiose im Nordosten der USA bei Menschen aus. Was bedeutet dies für Europa? Wie äußert sich die Krankheit beim Menschen? Und wie kann sie therapiert werden?

Die in Nordamerika vorkommende Hirschzecke Ixodes scapularis ist nicht nur Überträger der Lyme-Borreliose, sondern kann auch Babesia microti übertragen. Der normale Wirt dieses Parasiten sind Mäuse. Allerdings ist die Anzahl der Erkrankungen bei Menschen in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen, sodass im Jahr 2011 in 18 Bundesstaaten der USA eine Meldepflicht für diese Erkrankung eingeführt wurde. Während im ersten Jahr etwa 40.000 Fälle gemeldet wurden, waren es im Jahr 2019 bereits über 50.000. In zehn Staaten im Nordosten der USA ist die Erkrankung bereits endemisch [1].

Anders als in den USA ist die humane Babesiose in Europa extrem selten. Seit dem Auftreten des ersten beschriebenen Falls 1956 gab es nur ca. 60 weitere Fälle. Diese werden nicht – wie in den USA – durch B. microti, sondern durch B. bovis oder B. divergens ausgelöst. Erregerreservoir sind hier in erster Linie Rinder. Die Übertragung erfolgt durch Ixodes ricinus, den gemeinen Holzbock.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist prinzipiell nur im Rahmen einer Bluttransfusion oder bei einer Schwangerschaft möglich [2, 3].

Angriffspunkt Erythrozyten

Bei Babesien handelt es sich um einzellige Eukaryonten, die zum gleichen Stamm gehören wie die Erreger von Malaria und Toxoplasmose. Der Parasit durchläuft in seinem Lebenszyklus (siehe Abb.) mehrere Stadien, wobei ein Teil des Zyklus zwingend in der Zecke, der andere hingegen im Wirtstier stattfinden muss. Der Mensch ist als Fehlwirt zu betrachten. Babesien vermehren sich im Darm der Zecke geschlechtlich und werden dann bei einem Stich über den Speichel in Form von Sporozoiten auf Mensch oder Tier übertragen. Nach Eindringen in die Erythrozyten vermehren sich die Parasiten asexuell, nehmen an Größe zu und lysieren schließlich die roten Blutkörperchen. Die freigesetzten Parasiten können anschließend weitere Erythrozyten befallen [4, 5].

 Abb.:Lebenszyklus und Infektionsweg von Babesia (nach [6]). Eine infizierte Zecke nimmt eine Blutmahlzeit zu sich. Dabei überträgt sie Sporozoiten auf den Wirt, in der Regel ein Nager (1). Die Sporozoiten befallen Erythrozyten und vermehren sich in diesen asexuell (2). Im Blut differenzieren sich die Parasiten teilweise zu männlichen und weiblichen Gameten (3). Nimmt eine Zecke bei einer Blutmahlzeit Gameten auf (4), so können sich diese im Darm der Zecke vereinen und einen sporogonischen Zyklus durchlaufen, bei dem wiederum Sporozoiten entstehen (5). Eine mit Babesien infizierte Zecke kann die Sporozoiten durch eine Blutmahlzeit auf den Menschen übertragen. Die asexuelle Vermehrung findet dann in humanen Erythrozyten statt (7). Klinisch manifestiert sich die Erkrankung, wenn sich die Para­siten im Blutstadium vermehren. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist z. B. über Bluttransfusionen möglich (8). Quelle: CDC

Schwere Verläufe bei Immunsuppression oder Splenektomie

Das klinische Bild ist abhängig von der Art der infizierenden Babesia, Begleiterkrankungen sowie dem Immunstatus des Patienten. Während bei immunkompetenten Patienten eine Infektion wahrscheinlich meist ohne Symptome verläuft, kann es bei immunsupprimierten Personen oder nach einer Milzentfernung (Splenektomie) zu schweren Krankheitsverläufen kommen. Prinzipiell können Personen jeden Alters betroffen sein.

Eine Infektion mit B. microti führt meist zu einem eher milden Krankheitsbild mit Fieber, Schüttelfrost und Myalgien. Infolge einer leichten hämolytischen Anämie tritt Abgeschlagenheit auf. Obwohl B. microti sich wie der Malaria-Erreger in den Erythrozyten vermehrt, verläuft die Erkrankung nicht in regelmäßigen Schüben. Die Patienten erholen sich – sofern überhaupt Symptome vorliegen – in ein bis zwei Wochen. Die Parasitämie kann, vor allem wenn keine antiinfektive Therapie erfolgt, für Monate persistieren. Immungeschwächte Personen können ein akutes Atemnotsyndrom sowie eine disseminierte intravaskuläre Koagulation erleiden [1, 3, 4].

Die durch B. bovis oder B. divergens in Europa verursachten Fälle kamen fast ausschließlich bei Patienten mit Splenektomie vor und wiesen eine hohe Letalität auf. Symptomatisch treten Sepsis, hohes Fieber, Ikterus, Lebervergrößerung und Organdysfunktionen wie eine respiratorische Insuffizienz auf. Durch eine ausgeprägte hämolytische Anämie kommt es zur Hämoglobinurie und dadurch bedingt zum Nierenversagen. Vereinzelt gibt es Berichte über milde Verläufe bei ansonsten Gesunden [1, 3, 4].

Die Diagnose der humanen Babesiose beruht vor allem auf Anamnese und klinischem Bild. Obwohl die Erkrankung in Europa selten auftritt, sollte bei grippeähnlichen Symptomen im Zusammenhang mit einem Zeckenstich an eine Babesiose gedacht werden, vor allem nach Rückkehr aus bekannten Endemiegebieten oder bei Patienten mit Asplenie oder Immunschwäche. Die Symptome überlappen sich mit denen der weit häufigeren Lyme-Borreliose, möglich sind jedoch auch Koinfektionen. Labordiagnostisch lassen sich die in den Erythro­zyten vorkommenden Parasiten im Blut detektieren, ebenso kann der Erreger mittels Polymerase-Ketten­reaktion (PCR) oder über spezifische Antikörper nachgewiesen werden [3, 4].

Therapie abhängig von Schwere des Verlaufs

Während bei milden Verläufen eine symptomatische Behandlung ausreichend ist, stehen für die Therapie schwerer Formen unterschiedliche Arzneimittel zur Verfügung. Die Wirksamkeit dieser ist abhängig vom Erreger. So zeigt sich B. microti zumindest in Tierstudien weniger empfindlich gegenüber klassischen Antiinfektiva als B. divergens. In jedem Fall ist ein rascher Therapie­beginn erforderlich. Behandlungs­versuche können mit

  • Clindamycin plus Chinin,
  • Pentamidin plus Cotrimoxazol oder
  • Azithromycin plus Atovaquon

erfolgen. Unter Umständen kann eine Austausch­transfusion erforderlich sein.

Schutz vor Zeckenstichen

Die beste Prophylaxe besteht im Vermeiden von Zeckenstichen durch Tragen geschlossener Kleidung sowie Anwendung von Repellenzien. Nach Aufenthalten in Wiesen und Wäldern sollte rasch auf Zecken kontrolliert und diese ggf. schnell entfernt werden [2, 3, 4].

Literatur

[1] Babesiose breitet sich im Nordosten der USA aus. Nachricht des Ärzteblatts, 20. März 2023, www.aerzteblatt.de/nachrichten/141835/Babesiose-breitet-sich-im-Nordosten-der-USA-aus

[2] Hildebrandt A et al. Human Babesiosis in Europe. Pathogens 2021;10(9):1165, doi: 10.3390/pathogens10091165

[3] Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten. Robert Koch Institut, Berlin 2011

[4] Lohr B et al. Humane Babesiose: Ein kurzer klinisch-mikrobiologischer Steckbrief. GMS Z Forder Qualitatssich Med Lab 2017;8:Doc04, doi: 10.3205/lab000027

[5] Starostzik C. Zeckenstich und Grippesymptome? An Babesiose denken! Nachricht der Ärztezeitung, 23. Juni 2021, www.aerztezeitung.de/Medizin/Zeckenstich-und-Grippesymptome-An-Babesiose-denken-420761.html

[6] Babesiosis. Informationen der Centers for Disease Control and Prevention, www.cdc.gov/parasites/babesiosis/biology.html, Stand: Juli 2018


Dr. Sabine Fischer, Apothekerin, DAZ-Autorin
redaktion@daz.online


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