Rezeptur

Auswahlkriterien für Glucocorticoide in Dermatika

07.06.2023, 17:50 Uhr

Die meisten Glucocorticoid-Zubereitungen müssen als Suspensionen hergestellt werden. (Foto: benicoma / AdobeStock)

Die meisten Glucocorticoid-Zubereitungen müssen als Suspensionen hergestellt werden. (Foto: benicoma / AdobeStock)


Glucocorticoide wie Betamethasonvalerat kommen in der Rezeptur bei dermalen Zubereitungen besonders oft zum Einsatz. Doch wonach wird eigentlich entschieden, welche Glucocorticoide in topischen Zubereitungen verwendet werden? Hier finden Sie Antworten auf Fragen zur Penetration der Haut, Wirkstärke, Indikation, zu Nebenwirkungen, zum Behandlungszeitpunkt und zur Herstellung.

Werden Glucocorticoid-Zubereitungen topisch aufgetragen, entfalten sie ihre Wirkung über intrazelluläre Glucocorticoid-Rezeptoren, die in der obersten Hautschicht vorkommen. Dazu müssen die Glucocorticoide in die oberste Schicht der Epidermis (Stratum corneum; „Hornschicht“) eindringen. Für das Ausmaß der Penetration spielt dabei die Lipophilie des Wirkstoffs eine entscheidende Rolle: Bei höherer Lipophilie kann die Substanz besser penetrieren und damit besser dermal wirken. Auch eine lipophile Grundlage fördert das Durchdringen des Stratum corneum und damit die Wirksamkeit des jeweiligen Glucocorticoids. 

Immer wieder ist bei ärztlichen Verordnungen die Alkoholform eines Glucocorticoids auf dem Rezept zu finden. Diese ist jedoch in den meisten Fällen dermal nicht ausreichend wirksam. Zur Anwendung auf der Haut kommen daher normalerweise die lipophileren und deutlich wirksameren Ester-Verbindungen zum Einsatz.

Glucocorticoide zur Anwendung auf der Haut
Dermal nicht ausreichend wirksam (Alkoholform)Dermal wirksam (Ester)
 BetamethasonBetamethasonvalerat, Betamethasondipropionat
 Clobetasol Clobetasolpropionat
 Mometason Mometasonfuroat
 Triamcinolon Triamcinolonacetonid

Wurde beispielsweise Betamethason in einem Dermatikum verschrieben, muss die Apotheke somit Rücksprache mit dem Arzt halten. Ist der Arzt einverstanden, kann bei gleichbleibender Wirkstoffkonzentration (in dermalen Zubereitungen) die Alkoholform gegen den jeweiligen Ester ausgetauscht werden, eine Umrechnung ist nicht nötig. 

Einige wenige Glucocorticoide wie Hydrocortison, Dexamethason und Prednisolon sind auch als Alkohol auf der Haut wirksam. Bei diesen Arzneistoffen können daher sowohl die Alkohol-Form als auch die Ester-Verbindungen in Dermatika eingesetzt werden.

Welches Glucocorticoid passt zu welcher Indikation?

In Abhängigkeit von ihrer Wirkstärke können Glucocorticoide zur Anwendung auf der Haut in vier Gruppen eingeteilt werden:

  • Klasse I: schwach wirksam
  • Klasse II: mittelstark wirksam
  • Klasse III: stark wirksam
  • Klasse IV: sehr stark wirksam

Die Wirkstärkeklassifikation soll Ärzten bei der Auswahl eines geeigneten Wirkstoffs helfen. Entscheidend für diese Einteilung ist der Vergleich der entzündungshemmenden und zellteilungshemmenden Wirkung sowie ein Vasokonstriktionstest.

WirkstärkeWirkstoffAnwendungsbeispiele
Klasse IHydrocortison / Hydrocortisonacetatentzündliche und allergische Hauterkrankungen
Dexamethasonentzündliche Hauterkrankungen
Prednisolon / Prednisolonacetatentzündliche und allergische Hauterkrankungen
Klasse IITriamcinolonacetonidentzündliche, allergische mit Juckreiz verbundene Hauterkrankungen
Kontaktekzeme, Psoriasis, Sonnenbrand
PrednicarbatEkzeme, Neurodermitis
Klasse IIIBetamethasonvaleratPsoriasis, Polymorphe Lichtdermatosen
Betamethasondipropionat
MometasonfuroatEkzeme, Neurodermitis, Psoriasis
Klasse IVClobetasolpropionatakute und chronische Hauterkrankungen

Dermale Glucocorticoide kommen hauptsächlich bei entzündlichen, allergischen und ekzematösen Dermatosen zum Einsatz. Darüber hinaus können sie auch bei Sonnenbrand und Insektenstichen angewendet werden. 

In den meisten Fällen eignen sich Wirkstoffe der Klassen I und II. Triamcinolonacetonid aus der zweiten Gruppe ist beispielsweise das am meisten verordnete Glucocorticoid in Rezepturen. Bei chronisch entzündlichen Hauterkrankungen wie Psoriasis kann auch die Anwendung stärkerer Glucocorticoide aus den Klassen III und IV nötig sein. Zur Behandlung bakterieller und viraler Hauterkrankungen sowie bei Rosacea und Akne vulgaris sind Glucocorticoide normalerweise nicht indiziert.

Der TIX-Wert hilft bei der Einschätzung der Nebenwirkungen

Für die wichtigsten lokalen Glucocorticoide wurde ein sogenannter Therapeutischer Index (TIX-Wert) festgelegt. Dieser stellt eine weitere Hilfe bei der Wahl eines geeigneten Wirkstoffs dar. Der TIX-Wert steht für das Verhältnis von erwünschten zu unerwünschten Wirkungen einer Substanz. Je höher dieser Wert ist, umso günstiger ist das Wirkungsprofil.

Bei Stoffen mit einem TIX-Wert von 1 bis kleiner 2 gilt das Verhältnis als ausgeglichen. Dazu gehören die Glucocorticoide Hydrocortison, Betamethasonvalerat, Triamcinolonacetonid und Clobetasolpropionat. 

Günstiger sind Substanzen mit einem TIX-Wert zwischen 2 und 3, da hier die erwünschten Wirkungen die unerwünschten deutlich überwiegen. Im Rezepturbetrieb spielen aus dieser Gruppe vor allem die Wirkstoffe Prednicarbat und Mometasonfuroat eine Rolle. Diese sind aufgrund ihres hohen TIX-Werts gut zum Einsatz in der Kinderheilkunde geeignet.

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Bei längerer lokaler Anwendung können Glucocorticoide zur Atrophie der Haut und zur Erweiterung kleiner Blutgefäße führen. Zudem können stärkere Behaarung und ein Verblassen pigmentierter Haut beobachtet werden. Auch Kontaktallergien kommen vor. Daran sollte gedacht werden, wenn ein Juckreiz länger anhält oder die Hauterkrankung nicht auf die Therapie anspricht. 

Am häufigsten treten diese unerwünschten Wirkungen bei einer Applikation von Wirkstoffen der Klassen III und IV auf empfindliche Körperstellen wie Gesicht, Hautfalten und verletzter Haut auf. Grundsätzlich sollten Glucocorticoide bei Erwachsenen auf maximal 20 Prozent der Körperoberfläche appliziert werden, bei Kindern sind es maximal 10 Prozent.

Auch Dauer und Zeitpunkt der Behandlung bestimmen die Wahl des Glucocorticoids

Rezepturarzneimittel mit dermal wirksamen Glucocorticoiden werden normalerweise einmal täglich auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen. Nur bei stärkeren Entzündungen wird zweimal täglich appliziert. Bei Kindern ist in den meisten Fällen die einmal tägliche Anwendung ausreichend, da die Wirkstoffe bei ihnen im Stratum corneum schneller ein Depot bilden.

Bei Erwachsenen wird die Behandlung meist mit einem Wirkstoff aus der Klasse III oder IV begonnen, bei Kindern kommen bevorzugt schwächer wirksame Glucocorticoide zum Einsatz. Nach maximal 14 Tagen wird der Wirkstoff dann mit abnehmender Dosierung ausgeschlichen oder die Behandlung mit einem Glucocorticoid niedrigerer Wirkstärke fortgesetzt. Diese Stufentherapie beugt einem erneuten Auftreten der Hauterkrankung nach Absetzen der Zubereitung vor. 

In manchen Fällen wird auch die Häufigkeit der Anwendung reduziert, man spricht dann von einer Intervalltherapie. Das Arzneimittel wird dann nicht mehr täglich aufgetragen und es werden Pausen von zunächst einem Tag eingelegt. In den Behandlungspausen werden wirkstofffreie Zubereitungen zur Hautpflege aufgetragen. Diese Tage werden nach und nach ausgeweitet.

Rezeptur-Grundstoffe in mikronisierter Form und im richtigen pH-Bereich

Die meisten Glucocorticoide, die zur Herstellung von Rezepturen zum Einsatz kommen, liegen in Dermatika-Grundlagen überwiegend ungelöst vor. Entsprechende Zubereitungen müssen daher als Suspensionen hergestellt werden.

Dabei ist auf eine ausreichend kleine Teilchengröße des Feststoffs zu achten. Glucocorticoide werden als Rezepturgrundstoffe dazu bereits in mikronisierter Form angeboten. 

Vor dem Einarbeiten in die Grundlage wird der Arzneistoff mit einem geeigneten Anreibemittel gründlich angerieben. Zum Anreiben von Glucocorticoiden kommen häufig Mittelkettige Triglyceride zum Einsatz. 

Die meisten Glucocorticoide haben ihr Stabilitätsoptimum bei leicht sauren pH-Werten. Mithilfe eines Citrat-Puffers kann der pH-Wert in diesen Bereich eingestellt werden. Eine Stabilität auch bei höheren pH-Werten zeigen dagegen die beiden Glucocorticoide Triamcinolonacetonid und Betamethasondipropionat. Sie können daher auch mit basischen Substanzen kombiniert werden.


Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
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