ALBVVG-Stellungnahmeverfahren

BKK-Bundesverband pocht auf Nullretax

Berlin - 12.06.2023, 12:30 Uhr

Franz Knieps fürchtet um die Rabattvertragseinsparungen, wenn Kassen nicht mehr auf Null retaxieren dürfen. (Foto: BKK Dachverband / Frank Altmann)

Franz Knieps fürchtet um die Rabattvertragseinsparungen, wenn Kassen nicht mehr auf Null retaxieren dürfen. (Foto: BKK Dachverband / Frank Altmann)


Franz Knieps, Vorstandschef des BKK Dachverbands, macht sich für Nullretaxationen stark. Anlässlich der öffentlichen Anhörung zum Engpassgesetz im Bundestag betont er, dass sie jedenfalls im Bereich der Rabattverträge erhalten bleiben müssten. Wenig verwunderlich: Auch von dem Plan, die erweiterten Austauschmöglichkeiten für Apotheken gesetzlich zu verankern, sowie dem 50-Cent-Zuschlag hält der Kassenverband nichts.

Diesen Montagnachmittag findet im Bundestags-Gesundheitsausschuss die öffentliche Anhörung zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) statt. Die schriftlichen Stellungnahmen sind eingereicht. Nun können die Abgeordneten die Sachverständigen noch persönlich befragen.

Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes, hat sich vorab schon einmal per Pressemitteilung zu einem speziellen Punkt zu Wort gemeldet, der noch gar nicht im ALBVVG-Gesetzentwurf zu finden ist: Nullretaxationen. Allerdings haben FDP- und SPD-Gesundheitspolitiker zuletzt immer wieder deutlich gemacht, dass sie sich für ein Ende dieser Kassen-Praxis einsetzen werden. Und auch die Bundesregierung hat bereits Beweglichkeit signalisiert, nachdem die Länder ein Nullretaxverbot im Zuge des ALBVVG-Gesetzgebungsverfahrens eingefordert hatten. Noch ist ein entsprechender Änderungsantrag nicht bekannt – auch wenn ein erstes Antragspaket bereits vorliegt. Weitere sind aber zu erwarten.

Schon in der schriftlichen Stellungnahme des BKK Dachverbands zum ALBVVG heißt es, der Verband begrüße, „dass der Gesetzgeber keine Veränderungen bei der Nullretaxation der Krankenkassen von nicht-ordnungsgemäß abgegebenen Arzneimitteln durch die Apotheken vorsieht“. Schon das zeugt davon, dass der Kassenverband offensichtlich befürchtet, dass hier noch was geschieht. 

Nun legt Knieps, der einst als für die GKV zuständiger Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium an der Seite der damaligen Ministerin Ulla Schmidt (SPD) den Rabattverträgen den Weg geebnet hat, per Pressemitteilung nach. Darin erklärt er, dass es auch eine Aufgabe der Apotheker:innen sei, eine wirtschaftliche Arzneimittelversorgung sicherstellen. Das gehöre zu den Grundprinzipien der solidarischen Krankenversicherung und sei im Sinne aller Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. So müssten Apotheken auch günstige Arzneimittel auswählen und gegen Rabattarzneimittel austauschen. „Passiert der Apotheke ein Fehler bei der Arzneimittelabgabe, liegt die Verantwortung hierfür ebenfalls in der Apotheke“, erklärt Knieps weiter. „Denn Apotheken dürfen nur Arzneimittel innerhalb der Leistungspflicht der GKV mit den Krankenkassen abrechnen und Kassen dürfen auch nur diese bezahlen. Das können sie bei Fehlern der Apotheken ahnden und das Geld zurückfordern.“

Knieps: Verzicht auf Nullretax könnte mehr als 4 Milliarden Euro an Einsparungen gefährden

Das sei gerade für die Umsetzung von Rabattverträgen essenziell. Und hier sehen sich die Kassen durch das Bundessozialgericht bestätigt. „Entschieden wurde, dass Krankenkassen Apotheken, die ohne erkennbaren Grund und trotz eines bestehenden Rabattvertrages nicht das Rabattarzneimittel, sondern ein anderes preisgünstiges abgeben, auf Null retaxieren dürfen“, so Knieps. Tatsächlich ist dies so, weil das Gericht hier eine sehr spezielle sozialrechtliche Situation sieht, die mit dem gewohnten Vertragsrecht nichts zu tun hat und Nullretaxationen für zulässig hält. Knieps behauptet: „Würde diese Möglichkeit wegfallen, ist mit einem erheblichen finanziellen Schaden für die GKV zu rechnen.“ Dazu verweist er auf die Einsparungen durch Rabattverträge: Im vergangenen Jahr lagen diese bei gut 5,5 Milliarden Euro. Davon seien rund 75 Prozent auf Generika entfallen. Knieps Schlussfolgerung: Mit dem aktuell diskutierten Verzicht auf die Nullretaxierung seien mehr als vier Milliarden Euro an Rabatteinnahmen gefährdet.

Eine gewagte Behauptung – vor allem, weil kaum anzunehmen ist, dass Apotheken ohne Not auf die Abgabe von Rabattarzneien verzichten. Unerwähnt bleibt auch, dass die Nullretaxationen für die Kassen quasi eine Einnahmequelle sind, weil ihre Versicherten auch ohne Rabatt-Produkt sicher versorgt werden – die Kasse aber dafür gar nichts bezahlt. Und die wirklich schmerzhaften Retaxationen finden auch weniger im Bereich der Generika als in dem der Hochpreiser statt. Ein wenig Verständnis hat Knieps offenbar doch. Auch wenn er ganz klar fordert: „Die Möglichkeit einer Nullretaxierung für Generika in Rabattverträgen muss bestehen bleiben!“ – so räumt er auch ein: „Allerdings sollten wir an die Verhältnismäßigkeit der Bagatellgrenzen für Retaxierungen beachten“.

Grundsätzlich verspricht sich der BKK-Dachverband viel vom E-Rezept bei der künftigen Vermeidung von Retaxationen. Dessen Umsetzung werde „viele Fälle, die nun aus formalen Fehlern moniert werden, ausschließen“. Und das werde die Apotheken erheblich entlasten, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme.

50 Cent mehr – „käme doppelter Vergütung gleich“

Darüber hinaus hält der Kassenverband wenig von den im ALBVVG-Entwurf vorgesehenen Plänen, die den Apotheken das Engpassmanagement erleichtern sollen. Was die gesetzliche Verankerung der erweiterten Austauschregeln betrifft, sei zwar positiv, dass diesen zwei separate Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen vorgeschaltet sein sollen. Trotzdem seien die Regelungen unnötig, da der Rahmenvertrag bereits für entsprechende Klärung sorge. Auf strikte Ablehnung trifft auch der geplante 50 Cent-Zuschlag fürs Engpassmanagement, sowohl für die Apotheken als auch für den Großhandel. „Mit der Vergütung für Arzneimittel sind alle Aufwände abgegolten. Eine weitere Honorierung käme einer doppelten Vergütung gleich“, so der BKK-Bundesverband.

Die Stellungnahme des BKK Dachverbandes finden Sie hier: Stellungnahme.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Die kranken Kassen sind und bleiben eben nichts anderes als Versicherungen....

von Thomas B am 14.06.2023 um 8:29 Uhr

......das sollte man nicht vergessen! Kerr Knieps legt das Geschäftsmodell von Versicherungen jedweder Art schonungslos offen.....

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Bkk Bundesverband

von Annette Dunin von Przychowski am 12.06.2023 um 22:30 Uhr

Natürlich, die Apotheken sind dumm, ignorant und geldgierig? Mir scheint, dass diejenigen, die das permanent behaupten, wohl eher von sich ausgehen. Wer braucht 96 Krankenkassen und dazu noch diverse Bundesverbaende, die durch die Solidargemeinschaft finanziert werden? Das Geld könnte viel besser für eine gute und wirklich wirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung investiert werden. Die Apotheken sind die letzten in der Versorgungskette, die meist als einzige der Bevölkerung erklären dürfen, warum sie ihre Arzneimittel nicht mehr bekommen. Der Irrsinn ist dann erfüllt, wenn man bei Novaminsulfon noch erklären darf, warum der Wirkstoff jetzt Metamizol heißt. Von wegen notwendige Nullretaxationen, die Apotheken brauchen eher Schmerzensgeld, weil sie trotz aller Verleumdungen, das System verteidigen.

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Nullretax

von AGr am 12.06.2023 um 20:52 Uhr

Den BKK-Dachverband könnte man mit dem Verweis auf die BSG-Rechtsprechung abholen. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich veranlasster Leistung gibt es seit Mitte 2019 eine Abkehr von normativen Schadensbegriff (entspricht formal Nullretax) und der bisherigen BSG-Rechtspraxis. Forderungen gegenüber den Ärzten sind ab Mai 2019 auf den tatsächlich (nachzuweisenden) Schaden zu begrenzen - d.h. auf die Differenz der Kosten zwischen der wirtschaftlichen Leistung und der verordneten Leistung (vgl. § 106b Abs. 2a SGB V). Was für Ärzte möglich ist, sollte doch auch für Apotheken umsetzbar sein. Was des einen Recht ist des anderen Billigkeit.

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AW: Nullretax

von Sonja Kirchner am 14.06.2023 um 8:15 Uhr

Die Differenzschadenmethode wird bei unzulässigen Verordnungen meist nicht angewendet.
Auch eine Mengenüberschreitung kann als off label use gewertet werden und die Differenzmethode findet keine Anwendung.
Ganz so einfach (wie Sie es schildern) ist es nicht.

Schäbigkeit

von ratatosk am 12.06.2023 um 18:24 Uhr

Hier bekommt die bundesdeutsche Schäbigkeit mit den grenzwertigen Regelungen zulasten der Apotheken ein deutliches Gesicht. Auch wenn er für den Verband bezahlt wird, sollte man ein gewisses Maß an Anstand bewahren, aber hier sieht man alle Grenzen fallen. Er fühlt sich mit seinen Konsortien wie Karl natürlich sicher, hier könnte nur der Versuch über Gerichte und die Verhältnismässigkeit helfen.
Denn wie sieht es denn bei den unzähligen Kassen und ihren oft fehlerhaften Bescheiden zu Kur, Hilfsmittel etc aus, soll hier auch gelten, I Punkt falsch, daher automatisch genehmigt ? Wohl eher nicht. Wer auf dem Niveau von Drückerkolonnen arbeitet, soll nicht überrascht sein, wenn auch so angesehen wird.

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Pochen auf Nullretax

von Thomas Trautmann am 12.06.2023 um 15:27 Uhr

Hm, gab es da nicht mal einen Fernsehfilm "Geschichten aus der Gruft"?

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