Digitale Gesundheitsanwendung

Mindable bei Platzangst und Panik mit positivem Versorgungseffekt

Stuttgart - 16.06.2023, 09:15 Uhr

Durch Psychoedukation, Symptomprovokation und Konfrontationstraining soll sich die Angststörung bessern. Zusätzlich beinhaltet die App Mindable eine Tagebuchfunktion. (Foto: terovesalainen/AdobeStock)

Durch Psychoedukation, Symptomprovokation und Konfrontationstraining soll sich die Angststörung bessern. Zusätzlich beinhaltet die App Mindable eine Tagebuchfunktion. (Foto: terovesalainen/AdobeStock)


Wer Ängste proaktiv reduzieren beziehungsweise Paniksymptome in den Griff bekommen will, kann die App Mindable nutzen. Seit kurzem ist die Anwendung im DIGA-Verzeichnis dauerhaft gelistet.

Angst- und Panikstörungen sind als Indikation bei digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) beliebt. Von derzeit 47 im DiGA-Verzeichnis gelisteten Programmen lassen sich sechs diesem Anwendungsgebiet zuordnen. Dauerhaft verordnungsfähig sind jedoch nur fünf ­– seit Kurzem auch die Android- bzw. iOS-App „Mindable“.

Zulassungsstudie von mindable

Ende April 2023 konnte Mindable das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) von seinem positiven Nutzen überzeugen. Grundlage hierfür war eine zweiarmige randomisiert kontrollierte Studie an 107 Probanden, in der die Anwendung der App für den Zeitraum von acht Wochen untersucht wurde.

Während die Interventionsgruppe (n= 57) in dieser Zeit die Mindable-App nutzte, erhielt die Kontrollgruppe (n = 50) lediglich allgemeine Hinweise zu Selbsthilfemöglichkeiten in Form eines Informationsschreibens. Gemessen werden sollte in erster Linie die Verbesserung des Gesundheitszustands anhand der Panik- und Agoraphobie-Skala (PAS).

Nach achtwöchiger Anwendungszeit ergab sich in Hinblick auf das primäre Studienziel ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Vorteil der Mindable-Gruppe gegenüber der Kontrollgruppe. Auch die Patientensouveränität (gemessen mithilfe des Angst-Kontroll-Fragebogens [AKF]) konnte durch Anwendung der App verbessert werden.

In puncto Lebensqualität und wahrgenommener Beeinträchtigung (beides ebenfalls ermittelt anhand spezifischer Fragebögen) blieben die Ergebnisse jedoch hinter den Erwartungen zurück: Für beide konnte kein signifikanter Unterschied gezeigt werden.

Das BfArM sieht die positiven Versorgungseffekte in Bezug auf „Verbesserung des Gesundheitszustands“ und „Patientensouveränität“ damit als erfüllt und ebnete so den Weg für die dauerhafte Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis.

Für wen ist die App geeignet?

Mindable richtet sich an volljährige Patienten mit Panikstörungen und Platzangst (Agoraphobie) und stellt ein Medizinprodukt der Risikoklasse I dar. Die DiGA kann zur Überbrückung der Wartezeit und therapiebegleitend eingesetzt werden.

Die App basiert auf Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) und folgt damit den Empfehlungen der aktuell gültigen S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen“. Demnach soll „Patienten mit einer Panikstörung/Agoraphobie […] eine KVT angeboten werden“.

Quickie: Kognitive Verhaltenstherapie

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine etablierte und wissenschaftlich gut untersuchte Form der Psychotherapie. Sie folgt der Annahme, dass jedes Verhalten erlernt, aufrechterhalten und auch wieder verlernt werden kann, wobei unter Verhalten auch innere Vorgänge wie Gefühle und Gedanken einzuordnen sind. 

Die Entwickelnden setzen bei Mindable auf drei Hauptfunktionen:

  • Wissensvermittlung (sog. Psychoeduktion) zum Thema Ängste und Panik inklusive Wörterbuch zum Nachschlagen von Fachbegriffen,
  • animierte Übungen zur Gewöhnung an Paniksymptome (Symptomprovokation),
  • sowie ein unterstütztes Konfrontationstraining (In-vivo-Exposition).

In Letzterem werden die Nutzenden dazu angeleitet, sich bewusst in angstbesetzte Situationen zu begeben. Während der Übung kann der Angstverlauf in Echtzeit protokolliert werden.

Ergänzt wird das Angebot durch eine (bei DiGA übliche) Tagebuchfunktion sowie wöchentliche Fortschrittskontrollen anhand von Fragebögen. Auf Wunsch können Statistiken und Verlauf mit dem jeweiligen Arzt bzw. Therapeuten geteilt werden.

Laut Anbieter sollte die App mindestens einmal pro Woche – bestenfalls täglich – genutzt werden, um langfristige Erfolge zu erzielen.

Kontraindikationen der digitalen Gesundheitsanwendung

Bei Schwangerschaft, photosensitiver Epilepsie, bestehender Substanzabhängigkeit und kardiovaskulären bzw. pneumologischen Erkrankungen sollte in Rücksprache mit dem Verordner auf die Ausführung bestimmter Übungen verzichtet werden.

Generell nicht angewendet werden sollte die App hingegen bei zahlreichen psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie, bipolarer affektiver Störung oder wahnhaften Störungen – und bei akutem Rausch bedingt durch Alkohol, Tabak, Opioide etc. Wie bei DiGA aus dem psychischen Bereich üblich, sind darüber hinaus akute Suizidgedanken als Ausschlusskriterium zu beachten.

Neben der deutschen Version ist die App derzeit auch in englischer und französischer Sprache erhältlich.

Andere DIGA bei Angststörungen

Bei Angststörungen stehen aktuell drei weitere DiGA zur Verfügung:

2021 nahm Stiftung Warentest neun Apps bei Angststörungen unter die Lupe. Testsieger wurde „Panik“ von HelloBetter mit der Gesamtnote „gut“.

Die damals vorläufig gelistete App Mindable konnte hingegen nur ein „befriedigend“ erreichen. Grund war unter anderem der Nutzennachweis, den die Experten als lediglich „ausreichend“ einstuften. Mit der nun veröffentlichten Studie könnte sich die Bewertung nochmals ändern, denn das Konzept aus Aufklärung, Symptomprovokation und Expositionsübungen gefiel den Experten von Stiftung Warentest „gut“.


Nadine Sprecher, Apothekerin, Redakteurin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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