Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

18.06.2023, 07:30 Uhr

Danke an alle, die dazu beigetragen haben, dass dieser Protest so großartig war! Mutig und solidarisch! (Foto: Alex Schelbert)

Danke an alle, die dazu beigetragen haben, dass dieser Protest so großartig war! Mutig und solidarisch! (Foto: Alex Schelbert)


Wir können Protest! Diese Woche hat gezeigt: Wenn die Apothekers mutig und solidarisch sind, können sie sich Gehör für ihre Lage und ihre Forderungen verschaffen. Fast 90 Prozent aller Apotheken blieben zu, Tausende von Apothekers und Apothekenteams gingen lautstark auf die Straße. Lauterbachs Reaktion: Mehr Honorar wird es nicht geben. Apothekers Antwort: Nach dem Protest ist vor dem Protest! Weitere Themen dieser Woche: Lauterbach glaubt, dass das E-Rezept ab 1. Juli läuft (frag doch mal die Ärzteschaft!). Und Habeck will das Packungshonorar erhöhen, aber nicht wirklich (frag doch mal den Lauterbach!). Was für ein Politzirkus! 

Vorab: Danke an alle Apotheken, an alle Apothekenteams, die sich dem Protesttag am 14. Juni angeschlossen haben. Und an alle, die in vielen Städten live vor Ort und lautstark protestiert haben. Danke an die Orga-Teams von ABDA, Kammern und Verbände, die mit viel Vorarbeit zum Gelingen dieses Tages beigetragen haben. Der Zusammenhalt war phänomenal, die meisten Apotheken hatten geschlossen. Nur wenige glaubten, auf einen Umsatz an diesem Tag nicht verzichten zu können („der größte Feind des Apothekers…“).  Alle Tageszeitungen und Sender befassten sich mit den Apotheken, ihrer Lage und ihren Forderungen. Meist mit viel Verständnis, einige leider auch mit halben Fakten, mit Neid und Missgunst. Aber 100 Prozent gibt es halt nirgends. Auf alle Fälle: Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen. Und nun? Ganz einfach: Die Arbeit für unsere Forderungen geht weiter. Die ABDA-Präsidentin: „Wir werden nicht aufhören laut zu sein!“
 

12. Juni 2023

Ein extremer Hardliner der besonderen Art: Franz Knieps, Vorstandschef des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK), gelernter Jurist, früher mal beim AOK-Bundesverband, dann von Ulla Schmidt zum Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung, Gesetzliche Krankenversicherung, Pflegeversicherung ins BMG berufen, quasi der Mann hinter Ulla Schmidt, dann 2009 von Bundesgesundheitsminister Minister Philipp Rösler in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Doch dafür fühlte er sich wohl zu jung und ging in die Unternehmensberatung, bis er schließlich zum Vorstand des BKK-Dachverbandes berufen wurde. Knieps liebt Nullretaxationen, ja, er ist ein Nullretaxations-Fetischist, wie er in einer aktuellen Stellungnahme zum Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) durchblicken lässt. Unter Ulla Schmidt hatte er damals den Rabattverträgen den Weg geebnet. Es sei auch eine Aufgabe der Apothekers, eine wirtschaftliche Arzneimittelversorgung sicherzustellen, Apotheken müssten auch günstige Arzneimittel auswählen und gegen Rabattarzneimittel austauschen. Mein liebes Tagebuch, ob er weiß, dass wir nichts anderes machen als das? Und wenn der Apotheke dann mal ein Fehler passiert, ist es für Knieps klar: Die Verantwortung dafür liegt in der Apotheke. Knieps wörtlich: „Denn Apotheken dürfen nur Arzneimittel innerhalb der Leistungspflicht der GKV mit den Krankenkassen abrechnen und Kassen dürfen auch nur diese bezahlen. Das können sie bei Fehlern der Apotheken ahnden und das Geld zurückfordern.“ Nun ja, Fehler können jedem passieren, die Frage ist nur, wie weit die Ahndung gehen darf. Wenn Apotheken versehentlich ein gleichwertiges, aber teureres Arzneimittel abgeben als das verordnete Rabattarzneimittel, wird der Versicherte versorgt. Man könnte noch verstehen, wenn die Kasse den Differenzbetrag zum teuren Arzneimittel verlangt, aber dass sie dafür nichts bezahlt und die Verordnung auf null retaxiert, ist doch mit gesundem Menschenverstand nicht nachzuvollziehen. Sicher, im Hintergrund geht es um Rabattverträge, die erfüllt werden müssen, um Verpflichtungen gegenüber  den Herstellern, die den Zuschlag für die Lieferung der Rabattarzneimittel bekommen haben. Aber  dennoch, Nullretax lässt sich doch damit nicht rechtfertigen! Mit ist keine Branche bekannt, in der es ähnlich geartete Nullretaxations-Regelungen gibt. Aber Knieps kennt da kein Pardon. Seine knallharte Schlussfolgerung: Mit dem aktuell diskutierten Verzicht auf die Nullretaxierung seien mehr als vier Milliarden Euro an Rabatteinnahmen gefährdet. Mein liebes Tagebuch, das grenzt schon an Unverschämtheit! Damit unterstellt er, dass Apotheken ohne Not auf die Abgabe von Rabattarzneimitteln verzichten. Sein gnadenloses Festhalten an Nullretaxationen offenbart natürlich auch, dass die auf diesem Weg von den Apotheken eingetriebenen Strafzahlungen eine erkleckliche Einnahmequelle für die Kassen sind: Patient ist versorgt, die Apotheke hat’s bezahlt, die Kasse zahlt nichts. Mein liebes Tagebuch, es bleibt zu hoffen, dass die Politik (Signale von FDP- und SPD-Gesundheitspolitiker) den Nullretaxationen bald ein Ende bereiten. Übrigens, was Knieps auch in seiner Stellungnahme zum Engpass-Gesetz wissen lässt: Für die Mühen der Apotheken beim Managen der Lieferengpässe hält er sogar die 50 Cent pro Arzneimittel nicht für gerechtfertigt. Für den BKK-Dachverband sind alle Aufwände abgegolten, „eine weitere Honorierung käme einer doppelten Vergütung gleich“. Wo bitte steht das geschrieben?

 

Bei der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags zum Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) wurde auch ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening mehrfach um ihre Einschätzung gebeten. Ihr Statement zu Nullretax: „Nullretaxation ist nie angemessen“. In der Praxis gehe es nämlich vor allem um Formfehler, wobei der Patient ordentlich versorgt wurde. Es gebe keine Berechtigung, so Overwiening, die Bezahlung des Arzneimittels und der apothekerlichen Leistung vollständig zu verweigern. Einzige Ausnahme: wenn das abgegebene Arzneimittel gar nichts mit dem verordneten zu tun habe. Mein liebes Tagebuch, hoffentlich kommt das bei den Gesundheitspolitikern an. Overwiening konnte bei dieser Anhörung auch deutlich machen, dass Präqualifizierung eine Doppelbelastung und ein enorm hoher bürokratischer und dazu noch sinnloser Aufwand ist. Denn für diese Aufgaben, für die sich die Apotheke präqualifizieren muss, ist sie bereits qualifiziert. Overwiening konnte in der Befragung auch die 21 Euro Honorarforderung vorbringen, die Apotheken für das Engpass-Management verlangen. Die Vorsitzende der Freien Apothekerschaft, Apothekerin Daniela Hänel, als Einzelsachverständige von der AfD eingeladen, konnte Overwiening unterstützen. Hänel zeigte, welchen Aufwand es bedeutet, für ein nicht verfügbares Arzneimittel ein Ersatzpräparat zu beschaffen.

 

Ein Jahr pharmazeutische Dienstleistungen! Apothekerin Tatjana Buck, Vital Apotheke in Bad Saulgau, ist eine der ersten, die diese Leistungen in ihrer Apotheke anbietet. Und nach einem Jahr ist sie immer noch begeistert davon, wie sie mir im Podcast-Gespräch sagte. Ihr Herz schlägt für die Pharmazie. Und natürlich auch für diese pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL). Mit viel Elan und Einsatz bietet sie die Leistungen an, patientennah. Eine Flyer-Karte mit dem Aufdruck „Passt scho“ macht ihre Patientinnen und Patienten z. B. auf die Medikationsanalyse aufmerksam. Ja, mein liebes Tagebuch, so läuft’s mit den pDL. Hören Sie mal rein in das Podcast-Gespräch und erfahren Sie, wie Apothekerin Buck die pDL umsetzt.

 

13. Juni 2023

Habeck war in den vergangenen Wochen politisch auf einem Tiefpunkt: Ein ideologisch verkorkstes Heizungsgesetz und Vetterleswirtschaft kratzten an seiner Popularität. Vielleicht fand er in seinem Tief mal Zeit, seinen Schreibtisch aufzuräumen – und da lag doch noch das Schreiben von Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. Christiansen hatte ihn vor nicht allzu langer Zeit auf die unsägliche Erhöhung des Kassenabschlags aufmerksam gemacht – womit er Habeck allerdings verdutzte, denn ihm war gar nicht klar, dass er als Bundeswirtschaftsminister fürs Apothekenhonorar zuständig ist. Christiansen gab ein bisschen Nachhilfe per Telefon, die, so scheint es, auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Vor Kurzem meldete sich Habeck wieder bei Christiansen. Er, Habeck, wolle sich nun mit den Anliegen der Apothekerschaft beschäftigen. Laut Christiansen scheint Habeck fest entschlossen zu sein, das Packungshonorar zu erhöhen. Er wolle bei den anderen Häusern dafür werben. Mein liebes Tagebuch, welch eine Freude. Doch die hielt nicht lang. Habecks Rückzieher folgte auf dem Fuß: In den Gesprächen mit den anderen Häusern hat er sich darauf verständigt, dass es besser sei, die Zuständigkeit für die Arzneimittelpreisverordnung ins Bundesgesundheitsministerium abzutreten. Diese Änderung wäre theoretisch sogar noch ganz flink im Engpass-Gesetz (ALBVVG) unterzubringen. Womit unser Apothekenhonorar dann Sache von Karl Lauterbach wäre. Und was dies dann bedeutet, haben wir vom Bundesgesundheitsminister schon gehört: An eine Anpassung, sprich Erhöhung des Apothekenhonorars ist nicht zu denken. Mein liebes Tagebuch, wir werden wohl noch ein paar weitere Protesttage einplanen müssen…


Nur noch wenige Tage und dann geht beim E-Rezept die Post ab! Lauterbachs Ankündigung: „Zum 1. Juli 2023 können Patienten das erste Mal das E-Rezept in den Apotheken ganz einfach mit ihrer Versichertenkarte abrufen.“ Hach, mein liebes Tagebuch, dass wir das noch erleben dürfen. Die Ankündigung kommt allerdings ein bisschen unvermittelt, oder? Da hätte der Herr Bundesgesundheitsminister doch schon mal ein paar Tage früher einen Hinweis geben sollen, dass die elektronische Gesundheitskarte (eGK) nun dafür gerüstet ist, mit ihr die E-Rezepte einzulösen. Und Lauterbach sagte auch: „Bis Ende Juli werden voraussichtlich schon 80 % der Apotheken in Deutschland an das System angeschlossen sein“ – was natürlich Quatsch ist, mein liebes Tagebuch. So gut wie alle Apotheken Deutschlands sind an das System angeschlossen, einige müssen vielleicht noch das Lesegerät für die eGK anschließen, das ist nicht das Problem. Die Frage ist allein, ob die liebe Ärzteschaft schon bereit ist, das E-Rezept auf die Karte abzuspeichern, und diese Verordnungsvariante auch nutzt. Der Kommentar der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu Lauterbachs vollmundiger Ankündigung: „Derzeit sind die Details noch unklar, wie das E-Rezept in Verbindung mit der elektronischen Gesundheitskarte eingelöst werden kann“. Na siehste, mein liebes Tagebuch, willkommen in der realen Welt des E-Rezepts.

 

Milliardenloch in der Gesetzlichen Krankenversicherung! Es fehlen 3,5 bis 7 Milliarden Euro, sagt der GKV-Spitzenverband. Wobei Lauterbach, wie er wissen ließ, nicht von 7 Milliarden ausgeht, aber klar: Die Beiträge werden seiner Meinung nach trotzdem steigen müssen. Denn vom Bundesfinanzminister Lindner wird's keine Erhöhung der Steuerzuschüsse an die GKV geben. Und Lauterbach hat versprochen, keine Leistungskürzungen hinzunehmen, ergo: der GKV-Beitragssatz muss steigen. Mein liebes Tagebuch, kleiner Tipp an Lauterbach: Da könnte er doch locker die kleine Honorarerhöhung für die Apotheken einpreisen.

 

14. Juni 2023

Ja, die Apotheken können Protest! Deutschlandweit kämpften die Apothekers und ihre Teams gegen die Sparpolitik der Bundesregierung. nicht. Nicht nur in den großen Städten wie Berlin, München, Hannover, Düsseldorf gab es Live-Kundgebungen und Protestmärsche, auch in vielen anderen. wurde lautstark und mit großem Einsatz protestiert. Und vor allem: Fast 90 Prozent der Apotheken waren geschlossen. Sie forderten ein Ende des Sparens auf Kosten von Versorgungsqualität und zulasten der Gesundheit von Patientinnen und Patienten. Wenn die Arzneimittelversorgung auch in Zukunft so bleiben soll, dann brauchen die Apotheken eine Anpassung des Honorars, auch um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser bezahlen zu können. Sie kämpften auch gegen Bürokratie, gegen Präqualifizierung, Nullretax, die Lieferengpässe und den Fachkräftemangel. Die Medienresonanz war groß, alle Nachrichtensendungen im Rundfunk und im Fernsehen, alle Tageszeitungen, alle Online-Nachrichtenkanäle befassten sich mit dem Apothekenprotest. Mein liebes Tagebuch: Das ist ein dickes Danke wert an alle, die mitgemacht haben!

 

15. Juni 2023

Dass es ein echt guter Protesttag war, das finden auch die ABDA, Kammern und Verbände. Mein liebes Tagebuch, da wollen wir doch gerne auch mal ein Lob aussprechen an die Präsidentin, an alle Vorstände von Kammern und Verbände, an alle Frau- und Mannschaften dieser Organisationen, die im Hintergrund an der Vorbereitung des Streiktags mitgewirkt haben. Und auch an den neuen Pressesprecher, der sich mit Sicherheit über das Medienecho freut.

Fazit von Gabriele Regina Overwiening in ihrem Dankes-Video: „Der 14. Juni war ein ganz besonderer Tag, der uns lange im Gedächtnis bleiben wird….“ Ja, mein liebes Tagebuch, sie kann zufrieden sein. Die Geschlossenheit, die Solidarität war wirklich beeindruckend. Der Erfolg des 14. Juni scheint zu beflügeln. Overwiening verspricht: „Wir werden nicht aufhören laut zu sein!“ Gut so, wir werden weiter für unsere Forderungen kämpfen müssen. Mit einem Protesttag ist es nicht getan. Lauterbach wird sich nicht für ein höheres Apothekenhonorar einsetzen. Also die Arbeit beginnt erst noch.

 

Ein Erfolg: Der Apotheken-Protesttag war in den Medien – nahezu alle Tageszeitungen und Sender interessierten sich für die Demonstrationen und Anliegen der Apotheken. Mein liebes Tagebuch, einerseits sehr schön, dass unsere Forderungen und vor allem die Gründe für unseren Protest in die Öffentlichkeit kommen. Andererseits darf man natürlich nicht erwarten, dass alle Medien auf unserer Seite stehen. Je nach Couleur und Ausrichtung schwang auch die Neiddebatte mit. Der Tenor solcher Berichte: das ist Jammern auf hohem Niveau, mit den Apotheken klagen die Falschen, die Kritik der Apothekerschaft ist ungerechtfertigt, auch die Apotheken bekommen den Strukturwandel zu spüren und selbständige Apotheker verdienen im Monat durchschnittlich 14.500 Euro. Und außerdem: Wenn sich die Apothekers durchsetzen und mehr Honorar bekommen, müssten „Supermarkt-Kassiererinnen, Lagerarbeiter und Botenfahrer für diese privilegierte Branche blechen“. Ja, mein liebes Tagebuch, so schlicht und einfach ist die Welt im Meinungsbeitrag eines Kommentators im „Stern“.

 

Das Fazit von Stefan Hartmann, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) zum Protesttag: „Ich bin stolz, ein Apotheker zu sein." Er freute sich über die hohe Zahl der Apotheken, die geschlossen hatte und die vielen Teams, die auf der Straße protestierten. Natürlich geht er nicht davon aus, dass sich nach dem Protesttag etwas ändert. Für ihn ist der 14. Juni erst der „Anfang des Widerstands“. Er geht denkt sogar darüber nach, was passieren würde, wenn die Apothekerschaft die Arzneimittellieferverträge kündigt. Ärger mit den Kassen ist vorprogrammiert, sie könnten beispielsweise Rezeptabrechnungen verzögert überweisen. Aber für ihn ist Konflikthandeln allemal besser als ein Hang zur Harmonie – sonst bewegt sich nichts. Mein liebes Tagebuch, Hartmann stellt auch die Frage, warum wir immer noch 97 Krankenkassen benötigen. Gute Frage! Da sollte Lauterbach mal genauer hinsehen – gut möglich, dass er dort Effizienpotenziale entdeckt.


16. Juni 2023

Mein liebes Tagebuch, fehlende Honoraranpassung, erhöhter Kassenabschlag, Nullretax, Personalmangel, Inflation, Klimawandel, Strukturwandel, Versandhandel und Digitalisierung sind die eine Seite der  Belastungen, unter denen Apotheken ächzen. Die andere Seite: Meist ohne großes Aufhebens werden die Apotheken auch noch von ihren Großhandlungen ganz liebevoll und im Stillen zur Kasse gebeten werden: Die Rede ist hier von einem wundersamen Blumenstrauß an Konditionsverschlechterungen und Zusatzkosten, die in jeder Rechnung, die der Großhandel an seine Kunden schickt, mehr oder weniger offen deklariert sind. Vor allem die auch auf Großhandelsseite stark gestiegenen Kosten für Energie und Löhne werden gern an die sehr verehrte Frau Apothekerin und den sehr geehrten Herrn Apotheker weitergereicht. Hinzu kommen die Verschlechterung von Konditionen für Retouren und der Ausschluss von Artikeln, die von der Rabattierung und Skontierung ausgeschlossen sind. Dann gibt es noch den Handelsspannenausgleich und weitere Schmankerl, die Großhandlungen gerne auf ihre Rechnung an die Apotheken setzen. Wer da noch durchblicken will, muss viel Zeit haben und braucht vermutlich ein abgeschlossenes BWL-Studium. Die Zeitschrift AWA hat sich bereits in ihrer Ausgabe 8/2023 die Nettigkeiten des Großhandels genauer angesehen. „Den Letzten beißen die Hunde“ heißt der Beitrag – und wer „der Letzte“ ist, mein liebes Tagebuch, ist nicht schwer zu erraten. Worauf der Beitrag auch hinweist: Es kommt sehr auf das Verhandlungsgeschick der einzelnen Apothekerin, des einzelnen Apothekers an, es gibt so manchen Spielraum bei den Konditionen…

 

Die Apotheken haben protestiert, die Medien berichtet und der Bundesgesundheitsminister hat per Twitter erklärt, dass eine Honorarerhöhung nicht drin ist. Und nun, mein liebes Tagebuch? War’s das? Mit Sicherheit nicht. Die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in ihrem Video-Statement: „Die Politik ist nun am Zug. Noch eine Woche lang haben die Bundestagsabgeordneten Zeit, das Lieferengpassgesetz so zu ändern, dass die Arzneimittelversorgung in den nächsten zehn bis 20 Jahren sicherer wird.“ Mein liebes Tagebuch, eine deutliche Honoraranpassung ist ja nur eine der Forderungen. Da gibt es z. B. noch die Abschaffung der Präqualifizierung, die Eindämmung von Nullretaxationen und die Forderung nach bürokratischen Entlastungen. Und was ist mit dem Honorar für das Lieferengpass-Management? Wie von der ABDA zu vernehmen ist, hat man derzeit das ALBVVG im Fokus und hofft, dass sich hier insbesondere bei der Präquali, bei Nullretax und beim Honorar für Lieferengpässe noch etwas tut. Tut sich nichts, könnte das die Fortsetzung der Eskalationsstrategie bedeuten. Ungeachtet dessen wird auch die ausstehende Anpassung des Apothekenhonorars auf der Agenda bleiben, „eine weitere deutliche ‚Kommunikationswelle‘“ könnte hier zum Tragen kommen. Damit die Forderungen der Apothekerschaft während der Sommerpause nicht in Vergessenheit geraten, will die ABDA auch in den nächsten Wochen keine Ruhe geben: Geplant sind weitere Kommunikationsmaßnahmen während der Sommerpause.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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11 Kommentare

Kränze gegen Normenerhöhungen

von Dr. House am 20.06.2023 um 13:24 Uhr

Ich hatte ja meinen Augen nicht getraut, als anlässlich zum Jahrestag vom Volksaufstand vom 17.Juni 1953 sehr dicke Kränze von mit ernsten Mienen behafteten Staatsoberhäuptern niedergelegt wurden.
Endlich! Dachte ich.. Endlich haben sie es verstanden, dass man ein Land nicht einfach so vor die Wand fahren kann, es allen Bürgern Jahr für Jahr schwerer machen kann die Rechnungen zu bezahlen - egal ob Strom, Miete, Heizung, Grundsteuer, Nahrung, ect....
Doch dann verstand ich erst, dass das eine gar nichts mit dem anderen zutun hatte. Kein Bezug. Vielleicht waren die Kränze auch nur so groß, weil ja der Aufstand damals von der Sowjetunion niedergeschlagen wurde, also nicht von den Guten. Höhere Arbeitsnormen für sich sind also etwas Tolles - das liebe Freunde ist die Botschaft für uns. Und nicht nur wir Apotheker müssen mit einem dank Inflation eingedampften Honorar mehr Aufgaben bewältigen als jemals zuvor - auch der DIHK Präsident sagt, unsere großen Aufgaben sind nur zu schaffen, wenn alle Deutschen zukünftig 2 Stunden pro Woche mehr arbeiten...Bravo. Ich bin immer wieder überrascht, wie wenig man doch aus der Geschichte lernen kann.

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Nullretax und Kernaufgabe

von Björn Kersting am 18.06.2023 um 12:25 Uhr

Die Nullretax ist der -als negativer Auswuchs -beste populistisch sichtbare Beweis für eine der Kernaufgabend er Apotheke: Kontrollinstanz vom Arzt.

Die Apotheke haftet für Fehler des Arztes.

Wann endlich tritt der Beruf auch dahingehend selbstbewusst auf, dass Apotheken GENAU DAS als Kernaufgabe haben, beseitigen sie doch arzneimittelbezogene Probleme in den Verschreibungen, die NW/UAW beseitigen und gleichzeitig - zweite Kernaufgabe: Kooperationspartner vom Arzt - die Compliance und Threapietreue erhöhen!

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AW: Haftung für Fehler

von Jan Kusterer am 19.06.2023 um 8:43 Uhr

Sehe ich ähnlich. Wenn in einem "geschlossenen" Leistungs- , Honorarsystem ein Teil für einen anderen Teil Fehler korrigieren muss um selber bezahlt zu werden muss der verursachende Teil entweder erzogen/bestraft (Regress) werden oder der korrigierende Teil muss für die MEHRARBEIT entlohnt werden.

Aufklärungsarbeit

von Torben Schreiner am 18.06.2023 um 12:11 Uhr

Solange Kassen und Der B-GA, in welchem wir ja keinen Sitz haben,(könnte man vielleicht mal anstreben!?- wie z.B. ein Josef Hecken oder die Gesundheitsökonomen zur Apotheke stehen ist ja leider ernüchternd ) das BMG soufflieren, wird man unsere Bedürfnisse nicht erhören.
Nur durch Druck der Öffentlichkeit haben wir noch eine Chance, dass inhabergeführte Apotheken zukunftsträchtig bleiben.. In vielen anderen Branchen haben große Firmen den Mittelstand geschluckt, das hat für Politik leider zu gut funktioniert, jetzt geht’s für diese an die kritische Infrastruktur des Apothekenwesen.
Jetzt braucht es zur Verbesserung unserer Situation leider noch eine Menge an Aufklärungsarbeit der breiten Masse, sonst sind Kommentare wie im Stern-/ FAZ oder Spiegel weiter keine Seltenheiten. Argumente, dass wir zB. keine Kostentreiber im System sind, wir mittlerweile unter 2% der Kassenausgaben ausmachen,
Wir durch die zwischenzeitliche 3 Monatige Anhebung der Festbeträge für Fiebersäfte, diese quasi aktuell der Bevölkerung finanzieren, indem wir diese von Februar bis Mai teuer eingekauft haben und jetzt wieder zu den alten Preisen abgeben müssen,
dass Mitarbeiter in Apotheken im Vergleich zu anderen Gesundheitsberufen sehr schlecht bezahlt werden und deshalb ein riesengroßes Nachwuchsproblem entsteht etc… solche Dinge Müssen einfach noch viel mehr unters Volk!
Benjamin Rohr und die Abda sind nicht zu beneiden, aber jetzt seid ihr gefragt, ihr müsst unsere Situation in die Breite tragen… durch weitere Zeitungsinterviews, Fernsehauftritte und regelmäßige Pressekonferenzen.

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AW: Aufklärungsarbeit

von Björn am 18.06.2023 um 12:21 Uhr

Nun, ich bin Gesundheitsökonom und Apotheker.
Mir ist die Denkweise bekannt.

Aber immer nur auf andere zu schimpfen, ist zu einfach.
Die Apotheker müssen die Deutungshoheit über den Beruf zurückholen.
DAS habe ich mit meiner Abschlussarbeit zum Gesundheitsökonom getan.
Die anwesenden Ärzte gaben mir Recht, obwohl als eine Kernaufgabe die Kontrolle vom Arzt darin steht.

Wer, wenn nicht die Apotheker selbst, können etwas ändern?

Wer sich selbst ändert, ändert auch sein Umfeld!

AW: @ Björn

von Torben Schreiner am 18.06.2023 um 12:46 Uhr

Ernstgemeinte Frage:
Worin bestehen die Vorteile für die Bevölkerung bei einer Liberalisierung/- Monopolisierung des Apothekenwesens?
Sind das nicht die Forderungen von Ökonomen und läuft es aktuell nicht darauf hinaus?
Was wird dadurch als Folge ehrlicherweise für den Bürger günstiger/ welche Versorgung effizienter vor allem in Hinblick auf die Fläche?

AW: Aufklärungsarbeit -@Torben

von Björn am 18.06.2023 um 13:13 Uhr

Es wird nicht billiger. DAS ist das große Unbekannte oder Ignorierte.
Eine Studie aus Indonesien 2017 zeigt ja, dass das Hinzuziehen der Apotheker Geld kostet, langfristig jedoch dem System Geld spart.
Eine Studie aus Deutschland 2013 zeigt, dass die ambulante Apotheke ca. 1,3Mrd. € p.a. durch Beseitigung UAW/WW spart. (persönliche Meinung und Erfahrung: Dunkelziffer liegt höher).

Zudem sparen Apotheken durch die Complianceförderung als Kooperationspartner vom Arzt.
Die Schweiz zeigte in 2021 (Pharmasuisse), dass Therapieuntreue 30Mrd. CHF jährlich kostet, auf Deutschland hochgerechnet sind das 2023 hochgerechnet sind das rund 245-306 Mrd. € p.a.

ALLEIN das erübrigt jede Diskussion. Denn fast alle Entscheider sind keine Apotheker (wenige Ausnahmen sind Apotheker im Vorstand oder eben Fachfremde, die sich bemühen, Apotheke zu verstehen).
Die meisten sind durch überteuerte Transaktionsstufe und Vertriebskanal geprägt.

Nochmal: Es wird Zeit, dass die Deutungshoheit über den Beruf zurückgeholt wird.
MEINE Seminararbeit ist der wissenschaftliche Anfang. Nur weder Avoxa noch WVG wollten letztes Jahr veröffentlichen. Was nutzt das Wissen INNERHALB der Apothekerblase?

Es muss AUSSERHALB der Apothekerblase kommuniziert werden!

AW: Aufklärungsarbeit

von Dr.Diefenbach am 18.06.2023 um 19:38 Uhr

....Mitgliedschaft im B_GA wurde von der ABDA SPITZE !!! bisher immer abgelehnt, aus Kostengründen und wegen des fehlenden Einflusses.Der Unsinn rächt sich halt jetzt

AW: Aufklärungsarbeit

von Dr.Diefenbach am 18.06.2023 um 21:38 Uhr

G Ba muss es natürlich heissen.Sorry

AW: Aufklärungsarbeit

von Stefan Haydn am 19.06.2023 um 12:15 Uhr

@Björn

Falls es sich hier um den Herrn Kersting handelt, kontaktieren Sie mich bitte mal unter rosen_apotheke@gmx.net.
Ein Kollege und ich sammeln momentan alles, was uns vor Gericht bzgl. Honorarklage nützen kann.

Ich würde mich freuen mal einen Blick in die Arbeit werfen zu dürfen, als Ergänzung zu Herrn Dieners Daten sicher ein guter Ansatz.

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von Anita Peter am 18.06.2023 um 7:47 Uhr

Da Lauerbach in keinster Weise vom Protest beeindruckt ist und er sein Nein zu einer Honorarerhöhung bekräftigt hat, ist der nächste Schritt in der Eskalationsspirale eigenlich glasklar. Ich hoffe die ABDA verlässt nicht der Mut....

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