Kammerversammlung BaWü

„Ein Etappensieg, aber nicht das Ende der Fahnenstange“

21.06.2023, 16:45 Uhr

Kammerpräsident Dr. Martin Braun (Foto: DAZ)

Kammerpräsident Dr. Martin Braun (Foto: DAZ)


Am heutigen Mittwoch traf sich die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg zu ihrer Vertreterversammlung – in Stuttgart und vor den Bildschirmen, also hybrid. Erwartungsgemäß nahm der Protesttag vom 14. Juni einigen Raum im Bericht von Kammerpräsident Dr. Martin Braun ein.

„Ich weiß, was du am 14. Juni getan hast“ – der Protesttag wird den Apothekern im Gedächtnis bleiben, davon ist Baden-Württembergs Kammerpräsident Martin Braun überzeugt. Er habe in seiner Funktion als Kammerpräsident zwar nicht dazu aufrufen können, sich am Protest zu beteiligen, habe aber die Chance genutzt, sich selbst zu beteiligen. „Ich war auf Tour in Karlsruhe“, berichtet er im Rahmen seines Berichts bei der Kammerversammlung am heutigen Mittwoch. Die Kreativität der Kolleg:innen am 14. Juni sei riesengroß gewesen, lobte Braun „Es war nicht nur ein reiner Streiktag nach dem Motto ‚ich mach die Apotheke zu und geh Golfspielen‘“, – Klischees, mit denen Apotheker:innen immer noch konfrontiert werden. Aber so sei es eben nicht gewesen, man habe die Apotheker:innen überall gesehen. Sie haben versucht klarzumachen, wofür die Finanzierung besser werden muss. Es gehe eben nicht um den eigenen Geldbeutel, aber ohne finanzielle Grundlage gebe es die Apotheke vor Ort nicht mehr. „Die Solidarität hat mich beeindruckt – während und in Vorbereitung des Protesttags“, so der Kammerpräsident.

Mehr zum Thema

In seiner „Chronologie des Schreckens“ schilderte Braun die Ereignisse seit 2004, die letztendlich zu der Situation heute geführt haben und den Protesttag erforderlich machten. Denn 2004 sei unter anderem die Arzneimittelpreisverordnung auf die packungsbezogene Vergütung umgestellt worden – in Brauns Augen in Anbetracht des zu erwartenden höher werdenden Anteils an Hochpreisern eine grundsätzlich richtige Entscheidung – und der Versandhandel erlaubt worden. Es folgten Rabattverträge, Präqualifizierung, Securpharm, Corona, wo die Apotheken „ohne Wenn und Aber Zusatzaufgaben übernommen“ hätten. Das Packungshonorar sei aber in dieser Zeit nur einmal minimal angepasst worden. Lauterbach sei damals als Berater der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt tätig gewesen und habe seine „Visionen“ aus der Forschung mit brachialer Gewalt durchgesetzt. Damit sei er maßgeblich für die Lage heute verantwortlich. „Ich glaube, er ist nicht von Herzen Apothekerfreund“, konstatierte Braun.

Wie geht es weiter?

„Und nun?“ Die Frage, wie es nach dem Protest weitergehe, stellten sich nun wohl alle, so der Kammerpräsident. Das Ende der Fahnenstange ist in seinen Augen noch lange nicht erreicht. Aber den Wegfall der Präqualifizierung und die Einschränkungen der Möglichkeiten für den Nullretax seien Etappensiegen. „Auch kleine Schritte sollte man feiern“, findet Braun, „wir müssen das Machbare bewegen.“ In diesem Kontext zitierte er Otto von Bismarck.

Dieser habe zwar nicht mit allem recht gehabt, damit aber schon, findet BaWüs Kammerpräsident.

Aufklärungsarbeit ist notwendig

Braun appellierte zudem an die Kolleg:innen, die Sommerpause zu nutzen, um mit den Politiker:innen ins Gespräch zu kommen. Denn dann seien sie in ihren Wahlkreisen und böten alle möglichen Events an, wo man diese treffen und mit ihnen sprechen könnte. „Sie können bei einer Wanderung neben denen herlaufen und sie eine halbe Stunde zutexten.“ Er berichtete, aus seiner eigenen Erfahrung, dass oft gar nicht bekannt sein, welche Leistungen Apotheken vor Ort im Hintergrund leisten. Exemplarisch nannte er die Substitutionsversorgung, die ohne die Apotheke vor Ort zusammenbrechen würde – „aus Holland macht das keiner.“ Hier habe er selbst erst vor kurzem Aufklärungsarbeit geleistet. Die Kollegen im Wahlkreis von Karl Lauterbach forderte er auf, diesen auch einmal in die Apotheke einzuladen, damit er sehe, was dort geleistet wird.

Diese Aufforderung bekräftige die ebenfalls anwesende Verbandspräsidentin Tatjana Zambo. Lauterbach habe gesagt, dass der Aufwand durch Engpässe nicht so groß sei. Die Apotheker:innen vor Ort sollten ihm das Gegenteil beweisen.

Zambo: Wir werden keine Ruhe geben, bis wir Erfolg haben.

Was die „Etappensiege“ bezüglich der Nullretaxationen und der Präqualifizierung angeht, goss Zambo etwas Wasser in den Wein: „Leider müssen wir mit den Kassen verhandeln, wo die Präqualifizierung nun wirklich wegfällt.“ Und auch die Nullretaxationen seien erstmal nur durch eine Liste eingeschränkt. Zambo wiederholte Brauns Appelle, auf die Politik zuzugehen. „Wir müssen die Sommerwochen nutzen. Holen Sie jeden in die Apotheke, der irgendwas mit Politik zu tun hat – vom Bürgermeister bis zum Bundestagsabgeordneten. Erklären Sie Nullretax!“, so Zambo. Das könne sich niemand vorstellen. „Einen Plan, wie es nun weitergeht, könne die ABDA aus taktischen Gründen nicht herausgeben, aber: Wir werden keine Ruhe geben, bis wir Erfolg haben“, versprach sie.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


3 Kommentare

Das Problem vieler Forderungen

von Dr. House am 22.06.2023 um 9:31 Uhr

In unserem Forderungskatalog standen Forderungen, die den Apothekenalltag zwar verbessern, jedoch nicht wirksam gegen das Apothekensterben sind - darunter die Nullretaxgeschichte und die Präqualli. Wenn wir nun das Bild von Etappensiegen nehmen wollen, dann bleib ich im Radsport und sage, dass wir die Gesamtwertung zugunsten von Etappensiegen geopfert haben. Eine Forderung hätte auf alle Plakate gehört, eine Forderung ist unverhandelbar - das Honorar. Nun werden selbst die wohlwohlenden Politiker schulterzuckend auf uns zukommen und sagen: "Ihr habt immerhin etwas bekommen - seid glücklich damit."

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wie geht es weiter?

von Roland Mückschel am 22.06.2023 um 7:35 Uhr

Einfache Lösung:
Da die Krankenkassen und Politik so auf den Auslandsversand steht und präferiert sollten wir unsere Leistungen dem gewollten Modell anpassen.
Wir wollen auch das liebste Kind der Kassen sein.

Kein Notdienst mehr.
Keine BTM
Beratung nur auf Nachfrage
Keine Rezepturen
Etc etc

Und da wir im Land Steuern bezahlen und
Angestellte beschäftigen und uns nicht aus dem Sozialsystem ausgeklinkt haben müssten uns die Kassen gar bevorzugen.

Der Vorschlag ist ernst gemeint und sollte nicht durch Bedenkenträger totgeredet werden.
Und es würde auch nicht lange dauern, das ist sicher.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Wie geht es weiter

von Karl Friedrich Müller am 22.06.2023 um 12:03 Uhr

Interessanterweise oder auch seltsamerweise interessieren sich weder KK noch Politik dafür, dass durch den Versand viel Steuern verloren gehen, noch wird Rücksicht auf 160.000 Arbeitsstellen genommen und damit auf die Beitragszahler. Das wäre anders, handelte es sich um EINEN Konzern oder Firma. Die Steuern dürfen auch da gerne vermieden werden, wegen der Arbeitsplätze gäbe es bestimmt eine Reaktion.
Wenn man sich vorstellt, dass die Steuern, würden sie im Inland bezahlt, wieder in die Apotheken investiert, trüge sich das von selbst
Ich habe nie verstanden, warum der Staat und auch Gemeinden (Gewerbesteuer) so schmerzlos auf Milliarden verzichten, bloß um windige Versender zu puschen.
Lobbyismus? Ein modernes Wort für Korruption. Scheinbar reichen schon ein paar Spargel, um Dinge in die "richtige" Richtung zu bewegen.

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.