Im Tierversuch verzögert Taurin Altersvorgänge

Verlängertes Leben durch Taurin – bei Mäusen

26.06.2023, 09:15 Uhr

Der Name der nicht essentiellen Aminosäure leitet sich von taurus (lat. Stier) ab, da Taurin erstmals aus Ochsengalle isoliert wurde. (Foto: Imagepocket / Adobe Stock)

Der Name der nicht essentiellen Aminosäure leitet sich von taurus (lat. Stier) ab, da Taurin erstmals aus Ochsengalle isoliert wurde. (Foto: Imagepocket / Adobe Stock)


Eine Supplementierung von Taurin führte bei einigen Tierarten zu einer erhöhten Lebenserwartung und einem längeren gesunden Leben. Ob diese Erkenntnisse auch auf den Menschen übertragbar sind und ob sich daraus therapeutische Konzepte entwickeln lassen, bedarf noch einer Klärung.

Im Alter treten neben der Abnahme von Organfunktionen und vermehrten Krankheitsrisiken auch metabolische Veränderungen auf. Ob letztere die Konsequenz oder die Treiber von Alterungsvorgängen sind, ist unklar. Einer der molekularen Stoffe, die mit dem Altern assoziiert sind, ist die semi-essentielle Aminosäure Taurin, deren Konzentration im Alter abnimmt. Ein Mangel an Taurin ist mit erhöhten Risiken für Diabetes, Bluthochdruck, Entzündungen, Lebererkrankungen und Adipositas assoziiert. 

Ob auch eine Korrelation zwischen der Taurinkonzentration und Alterungsvorgängen besteht, war bislang nicht bekannt und wurde von einer internationalen Arbeitsgruppe in Tierversuchen und einem Rückgriff auf bereits vorliegende Studiendaten untersucht. 

Bei mehreren Tierspezies (Mäusen, Affen, Würmern) wurde die Taurinkonzentration während der Lebenszeit der Tiere untersucht, wobei ein Teil der Versuchstiere zusätzlich Taurin erhielt. Die Lebensspanne der mit Taurin supplementierten Mäuse stieg um 10 bis 12% an. Die Tiere lebten nicht nur länger, sondern auch gesünder, was sich unter anderem in verbesserten Funktionen von Knochen, Darm, Hirn und Immunsystem manifestierte. Die günstigen Auswirkungen von Taurin waren auch auf zellulärer Ebene (z.B. mitochondrialer Funktion, Auftreten von DNA-Schäden, Telomerasestörungen etc.) nachweisbar. 

Die Studienautoren zogen daraus den Schluss, dass eine Supplementation von Taurin bei unterschiedlichen Tierarten Lebens- und Gesundheitsspanne (also die Zeitspanne des Lebens, in der Individuen gesund sind) verlängern kann. So führte eine Supplementation von Taurin bei Mäusen und Würmern zu einer verlängerten Gesundheits- und Lebensspanne, bei Affen zu einer verlängerten Gesundheitsspanne. 

Auswirkungen beim Menschen noch nicht abschließend geklärt

Ob diese Ergebnisse auch auf Menschen übertragbar sind, ist derzeit nicht bekannt und muss zuerst in Langzeitstudien untersucht werden. Hinweise auf eine positive Wirkung von Taurin beim Menschen sind allerdings bereits bekannt. So nahmen die Wissenschaftler Bezug auf Daten der EPIC-Norfolk Prospektiv Population Study, einer Ernährungs- und Gesundheitsstudie mit rund zehntausend Teilnehmern, aus der unter anderem eine Assoziation zwischen niedrigen Taurinspiegeln und typischen Altersbeschwerden oder Übergewicht hervorging.

Taurin als Nahrungsergänzungsmittel (NEM)

Taurin ist als NEM frei verfügbar und in zahlreichen Energy-Drinks enthalten. Das zugesetzte Taurin soll die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit erhöhen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat eine tägliche Aufnahme von bis zu sechs Gramm als sicher einstuft. Gesetzliche Höchstmengen für Zusätze in Energy Drinks sind 4.000 mg Taurin pro Liter. Die langfristigen Auswirkungen, insbesondere bei der Aufnahme hoher Taurindosen, sind noch nicht ausreichend erforscht.

Breite öffentliche Resonanz

Die Veröffentlichung zum Benefit einer Taurinsupplementierung rief breite Resonanz hervor und wurde von mehreren Wissenschaftlern kommentiert. Hervorgehoben wird unter anderem die hohe Qualität der Studie und die überzeugenden Ergebnisse durch die Verwendung unterschiedlicher Modellorganismen. Die Kommentatoren sind sich einig, dass die Ergebnisse eine Korrelation, aber keine Kausalität zeigen und eine Übertragung der Studienergebnisse auf den Menschen derzeit nicht möglich ist. Ob eine Substitution von Taurin die Langlebigkeit fördert, kann derzeit nicht eingeschätzt werden. Auch wird darauf hingewiesen, dass Altern ein multifaktorieller Prozess ist, der nicht durch eine einzige Substanz verhindert werden kann.

Literatur
[1] P. Singh et al. Taurine deficiency is a driver of aging“. Science (2023). DOI: 10.1126/science.abn9257
[2] Taurin als Pille für Langlebigkeit? Informationen des Science Media Center, 8. Juni 2023
[3] The EPIC-Norfolk Study. Informationen der University of Cambridge, www.epic-norfolk.org.uk/                       [4] Nahrungsergänzungsmittel beim Sport - Mit Pillen als Erster durch das Ziel? Informationen der Verbraucherzentrale, 2. Dezember 2022, www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/nahrungsergaenzungsmittel-beim-sport-mit-pillen-als-erster-durch-das-ziel-13317 [5] EFSA Panel on Additives and Products or Substances used in Animal Feed (FEEDAP). Scientific Opinion on the safety and efficacy of taurine as a feed additive for all animal species. EFSA Journal 2012;10(6):2736, doi: 10.2903/j.efsa.2012.2736
[6] Energy Drinks: Gesundheitsrisiko für Vieltrinker. Informationen der Verbraucherzentrale, 3. Juni 2022, www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/gesund-ernaehren/energy-drinks-gesundheitsrisiko-fuer-vieltrinker-11212


Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


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