ALBVVG

Welche Austauschregeln gelten ab 1. August?

Berlin - 26.06.2023, 16:15 Uhr

Ab 1. August 2023 ist in § 129 SGB V geregelt, wie Apotheken nicht verfügbare Arzneimittel austauschen dürfen. (Foto: ABDA)

Ab 1. August 2023 ist in § 129 SGB V geregelt, wie Apotheken nicht verfügbare Arzneimittel austauschen dürfen. (Foto: ABDA)


Das ALBVVG ist nach dem Bundestagsbeschluss vom vergangenen Freitag auf der Zielgeraden. Es muss am 7. Juli 2023 nochmals den Bundesrat passieren – dann kann es in Kraft treten. Für die Apotheken bringt es ab dem 1. August 2023 unter anderem eine gesetzliche Verstetigung der erleichterten Austauschregeln im Fall von Engpässen. Lesen Sie hier, was künftig gilt. 

In der Pandemie haben die Apotheken die seinerzeit in der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung verankerten erweiterten Austauschregeln für nicht vorrätige Arzneimittel schätzen gelernt. Sie halfen nicht nur, die Patientenkontakte zu reduzieren, sondern sie erwiesen sich auch als Segen bei Lieferengpässen. Seitdem die Verordnung mit Ablauf des 7. April dieses Jahres ausgelaufen ist, gelten wortgleiche Übergangsregelungen – verankert im Sozialgesetzbuch V und der Apothekenbetriebsordnung. Doch auch diese haben ein Ablaufdatum, zum 1. August werden sie unwirksam. Ab dann sollte es eine dauerhafte gesetzliche Lösung geben.

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Seit vergangener Woche ist klar, wie diese aussehen wird. Manches ist anders als zuvor, anderes gleich. Neu ist vor allem, dass nicht mehr an die „Vorrätigkeit“ des nach der Verordnung abzugebenden Arzneimittels abgestellt wird. Die erleichterten Austauschregeln gelten nun bei „Nichtverfügbarkeit“ – und in dem neuen Absatz 2a des § 129 SGB V wird auch erläutert, wann diese vorliegt. Überdies entfällt der bislang nach Arztrücksprache noch mögliche Austausch gegen ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel, wenn ein wirkstoffgleiches nicht zu haben ist. Die ABDA hatte sich gewünscht, dass die Apotheke im Engpassfall auch auf ein selbst hergestelltes Arzneimittel oder eine andere Darreichungsform ausweichen darf – damit fand sie allerdings kein Gehör. 

Konkret lauten die Vorgaben nun wie folgt:

§ 129 Abs. 2a SGB V in der Fassung des ALBVVG

Abweichend von Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 und dem Rahmenvertrag nach Absatz 2 können Apotheken bei Nichtverfügbarkeit eines nach Maßgabe des Rahmenvertrags nach Absatz 2 abzugebenden Arzneimittels dieses gegen ein verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen. Eine Nichtverfügbarkeit liegt vor, wenn das Arzneimittel innerhalb einer angemessenen Zeit durch zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen im Sinne des § 52b Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz des Arzneimittelgesetzes nicht beschafft werden kann. Werden Apotheken nur von einer vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlung beliefert, liegt abweichend von Satz 2 eine Nichtverfügbarkeit vor, wenn das Arzneimittel innerhalb einer angemessenen Frist durch eine Verfügbarkeitsanfrage bei dieser vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlung im Sinne des § 52b Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz des Arzneimittelgesetzes nicht beschafft werden kann. 

Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf Folgendes abweichen, sofern hierdurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:

  1. die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung maßgeblichen Messzahl,
  2. die Packungsanzahl,
  3. die Abgabe von Teilmengen aus der Packung eines Fertigarzneimittels, soweit die verordnete Packungsgröße nicht lieferbar ist, und
  4. die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.

Dass eine Nullretaxation ausgeschlossen ist, wenn die vorgesehenen Verfügbarkeitsanfragen beim Großhandel unterbleiben, sieht ein neuer Absatz 4d in § 129 SGB V vor. Lediglich die Apothekenvergütung (Fix- und prozentualer Zuschlag) kann die Kasse dann verweigern – das Arzneimittel selbst muss sie aber bezahlen.

Die in dem neuen Absatz enthaltenen Vorgaben gehen sogar noch ein ganzes Stück weiter. In fünf explizit genannten Fällen sind Retaxationen gänzlich ausgeschlossen.  Denn diese bewertet der Gesetzgeber „im Rahmen der Abwägung der Interessen der Kostenträger und der Apotheken als unverhältnismäßig“. Die für den Engpassfall genannte beschränkte Retaxation gilt auch, wenn das verschriebene Arzneimittel trotz eines vorhandenen preisgünstigen beziehungsweise trotz eines vorrangigen Rabattvertrags von der Apotheke nicht ausgetauscht wurde.

So lautet der neue Absatz im Detail:

§ 129 Abs. 4d SGB V in der Fassung des ALBVVG

Unabhängig von den nach Absatz 4 Satz 2 erster Halbsatz in dem Rahmenvertrag nach Absatz 2 getroffenen Regelungen ist eine Retaxation ausgeschlossen, wenn

  1. die Dosierangabe auf der Verordnung fehlt,
  2. das Ausstellungsdatum der Verordnung fehlt oder nicht lesbar ist,
  3. die vom Gemeinsamen Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 festgelegte Belieferungsfrist von Verordnungen um bis zu drei Tage überschritten wird, es sei denn es handelt sich um Verordnungen nach § 39 Absatz 1a, Verordnungen von Betäubungsmitteln oder Verordnungen von Wirkstoffen, für die kürzere Belieferungsfristen festgelegt sind,
  4. die Abgabe des Arzneimittels vor der Vorlage der ärztlichen Verordnung erfolgt oder
  5. die Genehmigung der zuständigen Krankenkasse bei Abgabe des Arzneimittels fehlt und diese nachträglich erteilt wird.

Sofern entgegen Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder Satz 3 eine Ersetzung des verordneten Arzneimittels nicht erfolgt oder die nach Absatz 2a Satz 2 vorgesehenen Verfügbarkeitsanfragen ganz oder teilweise nicht vorgenommen wurden, ist eine Retaxation des abgegebenen Arzneimittels ausgeschlossen; in diesen Fällen besteht kein Anspruch der abgebenden Apotheke auf die Vergütung nach § 3 Absatz 1 Satz 1 der Arzneimittelpreisverordnung.

Doch damit ist die Verlängerung des § 129 SGB V noch immer nicht am Ende. Es wird auch ein neuer Absatz 4e eingeführt, der dem GKV-Spitzenverband aufgibt, „dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 31. Dezember 2024 einen Bericht zu den Auswirkungen der Regelungen des Absatzes 4d und zur Einhaltung der Vorgaben nach Absatz 2a vorzulegen“.

Und auch an Versicherte in der privaten Krankenversicherung, Beihilfeempfänger und Selbstzahler hat der Gesetzgeber gedacht. Ein neuer Absatz 5b in § 17 Apothekenbetriebsordnung sorgt dafür, dass die in § 129 Abs. 2a SGB V vorgesehenen Regelungen auch für sie gelten. Voraussetzung: Der Arzt hat den Austausch nicht ausgeschlossen und der Patient ist einverstanden.

50 Cent mehr für den Engpass-Austausch

Überdies gibt es eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung. Auch hier gesellt sich dem für die Apothekenvergütung maßgeblichen § 3 ein neuer Absatz 1a dazu. Dieser lautet: „Im Fall eines Austauschs eines verordneten Arzneimittels nach § 129 Absatz 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch durch die Apotheke ist ein Zuschlag in Höhe von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer zu erheben.“

Präqualifizierung für apothekenübliche Hilfsmittel entfällt

Für die Apotheken bedeutsam ist zudem die Neureglung zur Präqualifizierung in § 126 SGB V. Demnach haben öffentliche Apotheken, die apothekenübliche Hilfsmittel an Versicherte abgeben, keinen gesonderten Nachweis mehr zu führen, dass sie die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. GKV-Spitzenverband und Deutscher Apothekerverband haben eine Vereinbarung darüber abzuschließen, welche Hilfsmittel dies genau sind. Dafür haben sie sechs Monate nach Inkrafttreten des ALBVVG Zeit. Gelingt das nicht, kommt die Schiedsstelle zum Zug, die nochmals drei Monate länger Zeit hat.

COVID-19-Impfstoffe

Eine ganz andere Regelung, die zum Schluss noch über einen fachfremden Änderungsantrag ins ALBVVG gelangt ist, betrifft die Vergütung von Apotheken und pharmazeutischen Großhändler für die Abgabe von vom Bund beschafften COVID-19-Impfstoffen. Hierzu sieht § 421 SGB V bislang eine Übergangsregelung bis Ende Dezember 2023 vor. Diese wird nun bis Ende Dezember 2027 verlängert.

Die neuen erweiterten Austauschregeln, die die bisherigen Übergangsregeln ablösen sollen, werden ausdrücklich zum 1. August in Kraft treten. Die anderen genannten Regelungen werden einen Tag nach Verkündung des ALBVVG im Bundesanzeiger wirksam.

Bevor das Gesetz offiziell verkündet werden kann, wird sich der Bundesrat am 7. Juli nochmals mit ihm befassen. Zwar haben die Länder in der ersten Runde viel am ALBVVG auszusetzen gehabt – doch einige Änderungen wurden von der Ampel aufgegriffen und das Gesetz ist auch nicht zustimmungspflichtig. Daher ist nicht damit zu rechnen, dass die Länder es stoppen werden – zumal allen klar ist, dass gegen die Engpässe Maßnahmen zu ergreifen sind und insbesondere die verstetigten Austauschregeln für die Apotheken rechtzeitig in Kraft treten müssen. Denkbar ist jedoch, dass sie der Ampel über einen Entschließungsantrag nochmals Wünsche mit auf den Weg geben – beispielsweise zur Apothekenhonorierung.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Nichtverfügbarkeit/ Bürokratieabbau

von Andreas U. am 27.06.2023 um 11:32 Uhr

Wenn ich das richtig verstehe, bekommen wir demnächst stapelweise Retaxationen, in denen uns die Vergütung verwehrt wird, bis wir den Stapel an Nichtverfügbarkeiten gegenüber der KK dokumentiert haben. Wir werden also durch noch mehr Bürokratie in die Knie gezwungen, wenn wir für unsere ehrliche Arbeit entlohnt werden wollen. So wird das Engpassmanagement nicht funktionieren können. !!!!

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ich bin verwirrt.....

von Thomas B am 26.06.2023 um 20:35 Uhr

"Überdies entfällt der bislang nach Arztrücksprache noch mögliche Austausch gegen ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel, wenn ein wirkstoffgleiches nicht zu haben ist."

Diesen Satz habe ich in diesem Zusammenhang noch nie nachvollziehen können. Das hat mit erleichterten Abgabebestimmungen nichts zu tun....

Genau das war meines Wissens und jahrzehntelanger Übung in begründeten (Ausnahme-)Fällen, zB bei "erkennbarem Irrtum", mit Rücksprache und transparenter Dokumentation schon immer möglich!

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