Wirksam gegen Endosporen

Chlorotonil: Naturstoff als Kandidat gegen Clostridioides difficile

Düsseldorf - 27.06.2023, 15:15 Uhr

Wie gut wirkt Chlorotonil gegen C. difficile? Dies untersuchten die Wissenschaftler:innen in vitro und im Tiermodell. (Foto: murat / Adobe Stock)

Wie gut wirkt Chlorotonil gegen C. difficile? Dies untersuchten die Wissenschaftler:innen in vitro und im Tiermodell. (Foto: murat / Adobe Stock)


Eine besondere Herausforderung bei der Therapie von Darmerkrankungen mit Clostridioides difficile sind, neben Antibiotikaresistenzen, die von den Bakterien gebildeten Endosporen, die ein Auslöser von Rezidiven sein können. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig haben jetzt den Naturstoff Chlorotonil A als Kandidaten ausgemacht, die Bakterien und auch deren Sporen wirksam zu bekämpfen.

Clostridoides (früher Clostridium) difficile ist ein praktisch überall vorkommendes Bakterium, das allerdings auch zu schweren, wiederkehrenden Darmerkrankungen führen kann. Bei Kleinkindern kommt der Erreger oft vor, bleibt hier aber in der Regel asymptomatisch. Gefährlicher ist C. difficile dagegen als einer der häufigsten Erreger nosokomialer Infektionen. „Eine Infektion mit dem bakteriellen Erreger Clostridoides difficile kann zu schweren Durchfallerkrankungen bei Menschen und Tieren führen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das natürliche Mikrobiom des Darms gestört ist, etwa durch eine vorherige Behandlung mit einem Breitbandantibiotikum. Dann findet C. difficile im Darm ideale Bedingungen vor und kann sich ungehindert vermehren – was zu schweren Durchfällen und Darmentzündungen führt, die auch chronisch werden können“, erklärt Professor Till Strowig, Leiter der Abteilung Mikrobielle Immunregulation am Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig.

15 bis 20 Prozent aller antibiotikaassoziierten Durchfallerkrankungen gehen auf den Erreger zurück. Diese können in einigen Fällen lebensbedrohlich sein und mit schweren Komplikationen wie einem toxischen Megakolon einhergehen. Weil C. difficile außerdem gegen äußere Einflüsse sehr robuste Endosporen bildet, kommen diese Darminfektionen selbst nach erfolgreicher Therapie häufig zurück. Das ist bei rund einem Viertel der therapierten Erkrankten der Fall. Bei bis zu zehn Prozent der erneut Erkrankten verläuft diese Reinfektion tödlich.

Naturstoff mit besonderer funktioneller Gruppe

Forscher sind daher auf der Suche nach Wirkstoffen, um den Erreger nachhaltig zu bekämpfen. Die HZI-Forscher um Strowig haben nun gemeinsam mit Wissenschaftlern des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), der Universität Greifswald sowie dem Leibniz-Institut DSMZ – Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH den Naturstoff Chlorotonil A (ChA) als einen möglichen neuen Wirkstoffkandidaten gegen C. difficile sowie dessen Dauerstadien identifiziert.

Strowigs Kollegen am HIPS um dessen geschäftsführenden Direktor Professor Rolf Müller, Leiter der Abteilung Mikrobielle Naturstoffe, haben den Naturstoff Chlorotonil, der 2004 aus dem Bodenbakterium Sorangium cellulosum isoliert wurde, bereits seit einiger Zeit intensiv erforscht. Das Team versucht, das extrem schwer in Wasser und organischen Lösemitteln lösliche Molekül durch Derivatisierung zu einem Antibiotikum zu trimmen (die DAZ berichtete). Schließlich zeigt Chlorotonil A (ChA) mit seiner besonderen funktionellen Gruppe Wirkung etwa gegen Malaria verursachende Plasmodien oder auch gegen den Problemkeim Staphylococcus aureus.

Was ist Chlorotonil? 

Die Chlorotonile A und B sind geminale (gem)-Dichlor-1,3-dione. Innerhalb der polycyclischen Struktur sind zwei Chlor-Atome an ein Kohlenstoff-Atom gebunden und die beiden benachbarten Kohlenstoff-Atome tragen jeweils doppelt gebundene Sauerstoff-Atome – eine hochreaktive funktionelle Gruppe, namensgebend für die Moleküle.

Schwere Löslichkeit könnte ein therapeutischer Vorteil sein

Nun scheint aber gerade die unmodifizierte Form des ChA besonders wirksam gegen die Sporen von C. difficile zu sein. „Unsere modifizierten Derivate zeigen in in-vitro-Studien ebenfalls sehr gute Aktivität gegen C. difficile – trotzdem zeigt ChA eine bessere Aktivität gegen C. difficile in vivo. Was die Gründe dafür angeht, können wir nur spekulieren – ein Grund könnte aber sein, dass ChA schlechter resorbiert wird und daher im Darm in größeren Mengen zur Verfügung steht als unsere semisynthetischen Derivate. Die veränderte Löslichkeit scheint auch eine stärkere Anlagerung an die Sporen zur Folge zu haben. Entsprechend könnten die ,unvorteilhaften' Eigenschaften von ChA in Bezug auf dieses spezielle Infektionsmodell also eher ein Vorteil sein“, erklärt Strowig.

In der Kooperation der Forschungseinrichtungen zeigten die Forscher jetzt in einer One-Health-Studie – einer großangelegten multidisziplinären Kooperationsstudie - unter Federführung des HZI und des FLI, dass ChA und ein Derivat von ChB, Chlorotonil B1-Epo2, in Modellen mindestens genauso gut gegen C. difficile wirken wie das Antibiotikum Vancomycin. Letzteres wird oft zur Behandlung einer C. difficile-Infektion angewandt.

In der Studie kamen dabei verschiedene Methoden und Ansätze zum Einsatz, neben mikrobiologischen auch molekularbiologische Methoden sowie Tiermodelle. Im Mausmodell zeigte sich dabei für die Forscher überraschend der besondere Vorteil von ChA. „In den Versuchsreihen mit den Mäusen wurden die Antibiotika nach einiger Zeit abgesetzt – und dann kam es zum Überraschungseffekt“, sagt Arne Bublitz, Doktorand in der Abteilung Mikrobielle Immunologie am HZI und Erstautor der Studie. „Die Mehrzahl der Mäuse, die zuvor mit Vancomycin behandelt wurden, erkrankten erneut. Von den Mäusen, die mit ChA behandelt wurden, hatte hingegen keine einzige Maus eine Reinfektion.“

Auch gegen Sporen wirksam

Die Forscher konnten schließlich zeigen, dass ChA auch die Dauerstadien der Erreger, die Endosporen, wirksam bekämpfen kann. „Wir konnten durch Waschungen mit Lösungsmitteln herausfinden, dass sich der Wirkstoff ChA höchstwahrscheinlich in der wasserabweisenden Hülle der Dauerstadien einlagert und dort eine Art Wirkstoffdepot bildet. Beginnt die Zelle auszukeimen, kommt sie so mit dem eingelagerten ChA in Kontakt und stirbt ab. ChA ist eines der ersten Beispiele für ein Antibiotikum, das in vivo sowohl Bakterienzellen als auch Dauerstadien bei niedrigen Wirkkonzentrationen effektiv bekämpfen kann“, sagt Bublitz.

Außerdem konnten die Forscher in Modellen zeigen, dass ChA das Darmmikrobiom weniger stark schädigt als das bei anderen Antibiotika der Fall ist. Mit molekularbiologischen Methoden zeigten die Forscher das für das Mikrobiom des Schweins, aber auch im Mausmodell. „Nach ChA-Gabe erholte sich das Mikrobiom des Darms schneller, als dies bei der Gabe anderer Antibiotika der Fall war. ChA scheint also tatsächlich sehr spezifisch zu wirken und das Mikrobiom in Bezug auf seine schützende Funktion nur wenig zu stören“, sagt Strowig.

Wirkmechanismus ist noch ungeklärt

„Auch der Wirkmechanismus der Chlorotonile ist Bestandteil laufender Untersuchungen und noch nicht abschließend geklärt”, sagt er. Daher sei auch noch nicht klar, warum ChA das Darmmikrobiom auf der anderen Seite nicht sehr in Mitleidenschaft zieht. „In unseren in-vitro-Studien können wir eine deutliche Breitspektrum-Aktivität der Chlorotonile gegen grampositive Keime sehen. Erst nachdem die Zielstruktur beziehungsweise der Wirkmechanismus von ChA abschließend geklärt ist, werden wir ein gutes Modell zur selektiveren Wirkung gegen C. difficile entwickeln können. Möglich ist zum Beispiel eine Herunterregulierung des Zielmoleküls in kommensalen Clostridien in vivo. Die Aussparung von kommensalen Bakterien im Infektionsmodell ist vor diesem Hintergrund überraschend und nicht im Detail erklärt“, sagt der Forscher.

Als nächste Forschungsschritte wollen sich die Forscher am HIPS und HZI auf die Entwicklung der Chlorotonile zur Anwendung als Breitspektrum-Antibiotikum gegen grampositive Erreger fokussieren, sagt Strowig. „Hierzu werden derzeit Experimente zum Nachweis der Wirksamkeit gegen diese Keime in vivo durchgeführt, welche von Verträglichkeitsstudien begleitet werden. Eine Entwicklung zur spezifischen Behandlung von C. difficile ist ebenfalls weiterhin denkbar, diese würde aber die Optimierung bezüglich anderer Parameter - wie etwa hohe Bioverfügbarkeit gegen den Verbleib im Darm – erfordern" , sagt der Forscher.


Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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