Wegfall der Präqualifizierung

Sanitätshauschef beklagt Privilegierung der Apotheken

29.06.2023, 16:00 Uhr

Die Insulin-Patrone darf die Apotheke abgeben, den Pen und die Nadeln aktuell nur mit Präqualifizierung. (Foto: IMAGO / Design Pics)

Die Insulin-Patrone darf die Apotheke abgeben, den Pen und die Nadeln aktuell nur mit Präqualifizierung. (Foto: IMAGO / Design Pics)


Mit dem ALBVVG hat der Gesetzgeber beschlossen, bei bestimmten apothekenüblichen Hilfsmitteln von Apotheken keine Präqualifizierung mehr zu verlangen. Den Sanitätshäusern schmeckt das überhaupt nicht. Die Befreiung der Apotheken von der Präqualifizierung ist in ihren Augen pure Klientelpolitik zulasten der Patient:innen und gefährdet die Versorgung.

Die Präqualifizierung für die Hilfsmittelversorgung stellt für Apotheken aktuell noch ein großes Ärgernis dar. Zum einen sind die Bürokratie und die Anforderungen der Präqualifizierungsstellen häufig ein Schildbürgerstreich sondergleichen. Zum anderen müssen Apotheken viele der Nachweise, die für die Präqualifizierung erforderlich sind, bereits erbringen, um überhaupt öffnen zu dürfen, nämlich im Rahmen der Beantragung ihrer Betriebserlaubnis. Ganz abgesehen davon ist es mit dem gesunden Menschenverstand schwer nachvollziehbar, warum eine Apotheke einen Fertigpen mit Insulin abgeben darf, allein weil sie eine Apotheke ist, sie sich für die wiederbefüllbare Variante aber zusätzlich präqualifizieren muss. 

Die Unsinnigkeit dieser Regelungen hat der Gesetzgeber nun endlich verstanden und beschlossen, dass für apothekenübliche Hilfsmittel künftig keine Präqualifizierung mehr notwendig sein soll. Lediglich für Hilfsmittel, deren Anpassung erweiterte handwerkliche Fertigkeiten erfordern, oder die nicht zum üblichen Betrieb einer Apotheke gehören, wie zum Beispiel Blindenführhunde, sollen Apotheken die Präqualifizierung künftig noch beantragen müssen. Welche Hilfsmittel das im Einzelnen sind, sollen die Kassen gemeinsam mit dem Deutschen Apothekerverband festlegen. Begründet wird dies mit der starken Regulierung, der Apotheken unterliegen.

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Ganz anders sehen das die Sanitätshäuser. Bereits in der Anhörung zum Engpassgesetz, in das die Regelung per Änderungsantrag eingebracht wurde, hatte der Verband „Wir versorgen Deutschland“, der verschiedene Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich vertritt, sich über Benachteiligung beschwert. In einer Mitteilung vom heutigen Donnerstag tut Detlef Möller, Geschäftsführer Stolle Sanitätshaus GmbH & Co.KG in Hamburg, seinen Unmut kund.

Untergrabung des fairen Wettbewerbs und der Qualitätsstandards

Die einseitige Befreiung der Apotheken von der Präqualifizierung sei pure Klientelpolitik zulasten der Patientinnen und Patienten, heißt es dort. Statt sich vor den Karren der Apothekerlobby spannen zu lassen, sollte die Politik in der Hilfsmittelversorgung endlich die bewährten Strukturen über die Sanitätshäuser sichern. „Es scheint erklärtes Ziel der deutschen Gesundheitspolitik, die Sanitätshäuser und Gesundheitshandwerke systematisch auszubluten“, kritisiert Detlef Möller die Neuregelung. Dass der Gesetzgeber nun aber sehenden Auges den fairen Wettbewerb sowie einheitliche Qualitätsstandards zwischen Apotheken und Sanitätshäusern untergrabe und es auch noch Apothekerlobbyisten und Krankenkassen überlasse, selbst angeblich „apothekenübliche“ Hilfsmittel festzulegen, sei ein direkter Angriff auf die Versorgungsqualität, so Möller weiter. „Die fortgesetzte politische Ignoranz gegenüber den Sanitätshäusern zerstört unsere mittelständisch geprägten Strukturen in der Hilfsmittelversorgung und gefährdet damit die qualitativ hochwertige und individuelle Versorgung der betroffenen Menschen. Statt Lobbygeschenke zu verteilen, sollten sich die zuständigen Personen endlich für langfristige Lösungen in der Hilfsmittelversorgung einsetzen, die uns Sanitätshäuser vom bürokratischen Irrsinn befreien und eine angemessene Vergütung unserer Leistungen am Patienten sicherstellen.“

BMG will auch andere Leistungserbringer entlasten

Es besteht durchaus Hoffnung für die sich benachteiligt fühlenden Sanitätshäuser: Die SPD-Bundestagsabgeordnete Martina Stamm-Fibich wandte sich vergangene Woche im Rahmen der abschließenden Beratung des Engpassgesetzes explizit auch an die anderen Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich: „Wir haben sie nicht vergessen. Das BMG hat uns zugesichert, dass die Präqualifizierung für alle Leistungserbringer im kommenden Entbürokratisierungsgesetz entschlackt wird.“


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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5 Kommentare

Lobbyismus der Sanitätshäuser

von Christoph am 06.07.2023 um 11:24 Uhr

Dass die Patientensicherheit bei Wegfall der Präqualifizierung für Apotheken für "apothekenübliche" Hilfsmittel gefährdet sei, ist ja genau der Mythos, der nun endlich aufgeklärt wurde.
Wozu braucht es denn Sanitätshäuser für die Versorgung mit lukrativen Hilfsmitteln wie Diabetikerbedarf könnte man sich auch fragen, abgesehen von den Qualifizierungsvorgaben zur Eröffnung eines Sanitätshauses, die ja zurecht hier mitkommentiert werden.
also, letztendlich doch nur Lobbypolitik der Sanihaus-Lobby.

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Sei vorsichtig, was Du dir wünscht....

von Rainer W. am 03.07.2023 um 13:52 Uhr

.... die Qualitätsstandards und Überwachung sind seit jeher in Apotheken strenger als in Sanitätshäuersern.

Es wird sich sicher kein Apotheker dran stören wenn in den Sanitätshäusern die ApBetrO angewendet wird, mit regelmäßigem QMS-Audit und sämtlichen Pflichtschulungen und Begehungen durch die Pharmazieräte....

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Sehr unterhaltsam

von Apotheker am 30.06.2023 um 20:37 Uhr

Alternativ kann man mal den Gesetzger vorschlagen das MPDG für Sanitätshäuser zuzuschärfen. Die wissen nicht was Überwachung ist..

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Wie

von Peter am 30.06.2023 um 13:07 Uhr

heisst der Studiengang mit auch drei Staatsexamen wenn man ein Sanitätshaus eröffnen möchte, ist mir gerade entfallen? Und welche gesetzlichen Voraussetzungen muss ein solches in der Sanitätshausbetriebsordnung erfüllen?

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Das Zauberwort heißt Betriebserlaubnis

von Jörg Wemsewitz am 29.06.2023 um 19:02 Uhr

Dann sollte der nette Herr einfach für alle seine Sanitätshäuser eine Apothekenbetriebserlaubnis beantragen. Und die sich daraus ableiten Pflichten erfüllen. Dann wird er sich über die Präqualifizierung für seine Buden freuen.

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