Kommentar zur Apothekenhonorierung

Das System braucht mehr Geld – Umverteilung kann nur ein Nebenaspekt sein

Süsel - 03.07.2023, 14:30 Uhr

Umverteilung allein wird nicht reichen: Es braucht mehr Geld im System, meint DAZ-Redakteur Müller-Bohn. (Foto: Adobe Stock / fabianaponzi)

Umverteilung allein wird nicht reichen: Es braucht mehr Geld im System, meint DAZ-Redakteur Müller-Bohn. (Foto: Adobe Stock / fabianaponzi)


In der Debatte über mehr Geld für die Apotheken regt AWA-Chefredakteur Dr. Hubert Ortner an, auch auf Umverteilung über einen gestaffelten Festzuschlag zu setzen, weil dies politisch besser durchsetzbar erscheint. DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn beschreibt hingegen in einem Kommentar eine einfachere Alternative und mahnt, ein gestaffeltes Honorar müsste unbedingt über einen Fonds geleitet werden, um einheitliche Arzneimittelpreise sicherzustellen. Mit Blick auf die Zukunft sei mehr Geld für das System unverzichtbar.

In der jüngsten Ausgabe des AWA plädiert AWA-Chefredakteur Dr. Hubert Ortner unter dem Titel „Die Gießkanne hat ausgedient“ für eine gestaffelte Erhöhung des Apothekenhonorars. Er geht von der Erkenntnis aus, dass die wirtschaftliche Situation der Apotheken sehr unterschiedlich ist. Dazu verweist er auf Berechnungen, nach denen etwa 11 Prozent der deutschen Apotheken jeweils mehr als 5 Millionen Euro umsetzen und damit ein Viertel des gesamten Apothekenumsatzes auf sich vereinigen. Ihr Gewinnanteil sei auf 25 bis 30 Prozent des Gewinns aller Apotheken zu veranschlagen. 

Dagegen könnten die schwächsten 4.000 Apotheken stabilisiert werden, wenn sie etwa 50.000 Euro mehr pro Apotheke bekämen. Ortner schlägt daraufhin vor, den Festzuschlag für Rx-Arzneimittel von 8,35 Euro auf 12 Euro für „bedürftige“ Apotheken, 10 Euro für das Mittelfeld und 9 Euro für profitable Apotheken zu erhöhen. Das wäre ein Kompromiss, der niemandem etwas wegnimmt und den wirklich „Bedürftigen“ hilft.

Mehr zum Thema

Plädoyer für eine gestaffelte Erhöhung

Honorardebatte: Weg mit der Gießkanne!

Was ist davon zu halten? Aus taktischer Sicht stellt sich die Frage, ob während der politischen Arbeit für eine Forderung der richtige Zeitpunkt ist, einen möglichen Kompromiss zu diskutieren. In der Sache erscheint der Ansatz allerdings durchaus sinnvoll. Ausgangspunkt aller Überlegungen sollte die Erkenntnis sein, dass eine weitere deutliche Senkung der Apothekenzahl die Versorgung ernsthaft beeinträchtigen würde. 

Apotheken an schwachen Standorten sind erhaltenswert, weil es gerade dort meist um die Versorgung strukturschwacher Orte oder Gebiete geht. Diese Apotheken durch Umverteilung zu fördern, ist indirekt auch im ABDA-Vorschlag angelegt. Denn die ABDA fordert neben dem höheren Festzuschlag ein Pauschalhonorar für jede einzelne Apotheke. Das hätte wirtschaftlich einen sehr ähnlichen Effekt wie ein gestaffelter Festzuschlag, weil kleine Apotheken überproportional von einem Pauschalhonorar profitieren würden. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, einen Teil des zusätzlichen Geldes in diese Pauschale und nicht in den Festzuschlag fließen zu lassen. Alle Fragen nach der Definition der Bedürftigkeit oder der Versorgungsrelevanz einer Apotheke oder nach irgendwelchen Umsatz- oder Gewinnschwellen würden sich dabei erübrigen. Eine Pauschale wäre also viel einfacher umzusetzen als ein gestaffeltes Honorar.

Ein alter Plan der Grünen

Ein abgestufter Festzuschlag böte allerdings einen politischen Vorteil. Da die Grünen schon in der vorigen Legislaturperiode eine ähnliche Idee propagiert hatten und eine diesbezügliche Formulierung im geltenden Koalitionsvertrag steht, sollte die Ampelkoalition dafür aufgeschlossen sein. Das spricht durchaus dafür, dies weiter zu diskutieren.

Unabdingbar: Umleitung über einen Fonds

Ein ganz wesentlicher Aspekt darf dabei aber keinesfalls übersehen werden – doch er wird leider im jüngsten AWA-Beitrag wohl stillschweigend vorausgesetzt, aber nicht erwähnt: Honorarbeträge, die sich zwischen Apotheken unterscheiden, müssen unbedingt über einen Fonds nach dem Vorbild des Nacht- und Notdienstfonds verteilt werden. Denn nur so ist ein einheitlicher Apothekenverkaufspreis aufrechtzuerhalten.

Dieser einheitliche Preis ist unabdingbar für die Funktion vieler sozialrechtlicher Preisbildungsmechanismen. Außerdem ist er entscheidend für die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung, um die es hier letztlich geht. Denn unterschiedliche Verkaufspreise in verschiedenen Apotheken würden einen Anreiz für die Krankenkassen schaffen, die Patienten in die großen Apotheken mit niedrigeren Preisen zu steuern. Damit würde genau das Gegenteil des Ziels erreicht. In Verbindung mit der Umleitung über einen Fonds ist ein gestaffeltes Honorar allerdings eine weitere Diskussion wert. Doch es bleibt die Frage, ob eine Kombination des Festzuschlags mit einem Pauschalhonorar das Ziel nicht doch einfacher erreicht.

Mehr Geld für die Zukunft nötig

Letztlich darf aber keine dieser Ideen darüber hinwegtäuschen, dass das System mehr Geld braucht. Die Debatte darf sich nicht auf die Umverteilung verengen. Denn Umverteilung allein wird nicht reichen. Kein System kann heute noch mit den Preisen von 2002 arbeiten – und in Zukunft noch viel weniger. Darum sagen die bisherigen Gewinne der Apotheken auch wenig über das Problem aus. Die heute noch profitablen Apotheken werden ihre Gewinne bald brauchen, um im bevorstehenden demografischen Umbruch noch genügend Personal zu finden. 

Ohne deutlich mehr Geld für das System werden die bisherigen Gewinne der großen Apotheken Geschichte sein. Wenn 50 Mitarbeiter in einem großen Apothekenunternehmen jeweils 10.000 Euro mehr Personalkosten verursachen, sind 500.000 Euro Gewinn verbraucht. Die heute schon belasteten Betriebe werden dann keine Chance auf neue Beschäftigte mehr haben. Das ist das entscheidende Problem, das beim Blick auf alte Zahlen nicht zu sehen ist. Das ist das entscheidende Argument für mehr Geld im System. Darum kann Umverteilung zwar eine hilfreiche Ergänzung sein, aber mehr Geld für das System ist unverzichtbar.

Eine Zusammenfassung des AWA-Beitrags von Dr. Hubert Ortner finden Sie hier.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


7 Kommentare

Einfach Löaung

von ratatosk am 04.07.2023 um 8:51 Uhr

Es wäre eigentlich ganz einfach, auch politisch !
Wir bekommen keine generelle Erhöhung, aber die ersten xy tausend GKV Packungen sind frei vom Zwangsrabatt - und gut isses, alles politischen Probleme - o Gott ! mehr Geld für böse Apotheken ! und administrativen - keine komplizierten Fondslösungen nötig. Die Politik müßte es nur wollen und Karl das Konzept kapieren und wollen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Einfach Löaung

von Roland Mückschel am 04.07.2023 um 11:09 Uhr

Ist die Lösung wirklich so einfach?

Werden die Kassen ihre Patienten nicht zum Versender schicken um 2 Euro pro Artikel zu sparen?
Dann vielleicht doch eine etwas kompliziertere Fondlösung?
Notdiensfonds funktioniert doch auch und dort sind
die relevanten Zahlen da.

Leistung muss sich wieder lohnen

von Schorsch Hackl am 03.07.2023 um 20:46 Uhr

Nochmal zum mitrechnen:

Apotheke: 160.000 Leute, 90% Frauen, 1,9% der Gesamtausgaben.

GKV: 126.000 Leute, 4,4% der Kosten.

Runtergerechnet auf 100.000 Leute:

Apotheke: 1,19% der GKV-Gesamtausgaben für 100.000 "Pharmies"
GKV : 3,49% der GKV-GA.

Faktor: 2,93. Ein GKV-Angestellter bekommt also DAS DREIFACHE eines Apothekenangestellten. DAS FUCKING DREIFACHE.

Und Dr. Ortner will innerhalb unserer Gruppe umverteilen.

Mir fehlen die Worte.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Leistung muss sich wieder lohnen

von Karl Friedrich Müller am 03.07.2023 um 22:13 Uhr

Wenn man das mit früheren Zeiten vergleicht, als beide Seiten etwa gleich viel hatten, sieht man, wer sich aus den Töpfen bedient hat und wer nicht.
Die an der Quelle lassen es sich gutgehen und den anderen wird in den Hintern getreten.

Mehr Geld muss ins System der GKV

von Susanne Meschner am 03.07.2023 um 20:06 Uhr

Die Idee von Dr. Ortner wäre rechtlich angreifbar und ist nicht zielführend, weil sie die Tatsache außer Acht lässt,dass wir wegen Inflation und demografischem Wandel sowieso mehr Geld ins System der GKV einbringen müssen. Wenn wir dabei keinerlei Beitragserhöhung bei den Krankenkassenbeiträgen erleiden wollen, funktioniert das mit folgender Super-Reform: 1.Nur eine Einheitskasse, 2. Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen, 3. Abschaffung der Privatkrankenkassen und Überführung der dort Versicherten in die Einheitskasse, 4. die neue Einheits-Krankenkasse per Gesetz daran hindern, für sich selbst in Verwaltung und Marketing zuviel Beitragsgelder zu verbrauchen,5. Herausnahme aller versicherungsfremden Leistungen aus dem Leistungskatalog der GKV, die dann steuerfinanziert werden sollen und 6. Stringente Digitalisierung der Krankenkassen und deren digitale Vernetzung mit allen Leistungsanbietern. Da kommt richtig viel Geld ins System und es wird an der richtigen Stelle gespart. Dieses Geld wird dann aber zur auskömmlichen Finanzierung aller Heilberufe und Krankenhäuser genutzt und versorgt alle Kranken und Bedürftigen dann wieder ordentlich. Aber welche Partei hat dazu den Mut und den richtigen Knack- A. in der Hose? Ich kenne keine. Entweder eine mutige Partei widmet sich dieser Super-Reform oder es kommt eine neue Partei daher....Oder das System crasht und lässt dabei alle Versicherten frühzeitig sterben, um die Rentenkassen zu entlasten, gell??

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Mehr Geld muss ins System der GKV

von Shorafix am 03.07.2023 um 20:29 Uhr

In der DDR hat das ja auch funktioniert - oder?
Dann sollte man gleichzeitig über einen EU-Austritt und eine Mauer um Deutschland herum nachdenken, bevor die Menschen das Weite suchen.

Darüber

von Peter am 03.07.2023 um 17:29 Uhr

sollten wir uns keine Gedanken machen und auch NICHT darauf eingehen. Wäre die Politik der Aufgabe nachgekommen das Honorar regelmäßig jährlich an die Inflation anzupassen hätten wir jetzt nicht einen solchen Brocken der jedes Jahr größer wird. In allen Honorarberufen gibt es die Gießkanne, ansonsten müssten ALLE Berufe in dieser Beziehung neu gestaffelt werden, die Notare, die Ärzte, die Anwälte, die Architekten, die Tierärzte die die die, das sollten und müssen wir uns darum auch nicht bieten lassen, denn eine große Apo wurde selten geschenkt, sprich das Risiko ist in der Stadt mit viel Personal, hoher Miete, hohen Lebenshaltungskosten auch im Vergleich zum Land erhöht. Wo man in "MeckPomm" eine schicke Landhausvilla bekommt, bekommt man für denselben Preis in München mit viel Glück eine Zwei Zimmer Wohnung. Wo man in der Stadt für Miete X eine gerade mal so die Betriebsordnung erfüllende Räumlichkeit für eine Apo bekommt, könnte man auf dem Land eine easy Apotheke mit 400 m2 zum selben Mietzins eröffnen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.