- DAZ.online
- News
- Debatte & Meinung
- Das System braucht mehr ...
Kommentar zur Apothekenhonorierung
Das System braucht mehr Geld – Umverteilung kann nur ein Nebenaspekt sein
In der Debatte über mehr Geld für die Apotheken regt AWA-Chefredakteur Dr. Hubert Ortner an, auch auf Umverteilung über einen gestaffelten Festzuschlag zu setzen, weil dies politisch besser durchsetzbar erscheint. DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn beschreibt hingegen in einem Kommentar eine einfachere Alternative und mahnt, ein gestaffeltes Honorar müsste unbedingt über einen Fonds geleitet werden, um einheitliche Arzneimittelpreise sicherzustellen. Mit Blick auf die Zukunft sei mehr Geld für das System unverzichtbar.
In der jüngsten Ausgabe des AWA plädiert AWA-Chefredakteur Dr. Hubert Ortner unter dem Titel „Die Gießkanne hat ausgedient“ für eine gestaffelte Erhöhung des Apothekenhonorars. Er geht von der Erkenntnis aus, dass die wirtschaftliche Situation der Apotheken sehr unterschiedlich ist. Dazu verweist er auf Berechnungen, nach denen etwa 11 Prozent der deutschen Apotheken jeweils mehr als 5 Millionen Euro umsetzen und damit ein Viertel des gesamten Apothekenumsatzes auf sich vereinigen. Ihr Gewinnanteil sei auf 25 bis 30 Prozent des Gewinns aller Apotheken zu veranschlagen.
Dagegen könnten die schwächsten 4.000 Apotheken stabilisiert werden, wenn sie etwa 50.000 Euro mehr pro Apotheke bekämen. Ortner schlägt daraufhin vor, den Festzuschlag für Rx-Arzneimittel von 8,35 Euro auf 12 Euro für „bedürftige“ Apotheken, 10 Euro für das Mittelfeld und 9 Euro für profitable Apotheken zu erhöhen. Das wäre ein Kompromiss, der niemandem etwas wegnimmt und den wirklich „Bedürftigen“ hilft.
Mehr zum Thema
Plädoyer für eine gestaffelte Erhöhung
Honorardebatte: Weg mit der Gießkanne!
Grünen-Antrag von 2019
Ist das die Blaupause für die Apothekenreform?
Was ist davon zu halten? Aus taktischer Sicht stellt sich die Frage, ob während der politischen Arbeit für eine Forderung der richtige Zeitpunkt ist, einen möglichen Kompromiss zu diskutieren. In der Sache erscheint der Ansatz allerdings durchaus sinnvoll. Ausgangspunkt aller Überlegungen sollte die Erkenntnis sein, dass eine weitere deutliche Senkung der Apothekenzahl die Versorgung ernsthaft beeinträchtigen würde.
Apotheken an schwachen Standorten sind erhaltenswert, weil es gerade dort meist um die Versorgung strukturschwacher Orte oder Gebiete geht. Diese Apotheken durch Umverteilung zu fördern, ist indirekt auch im ABDA-Vorschlag angelegt. Denn die ABDA fordert neben dem höheren Festzuschlag ein Pauschalhonorar für jede einzelne Apotheke. Das hätte wirtschaftlich einen sehr ähnlichen Effekt wie ein gestaffelter Festzuschlag, weil kleine Apotheken überproportional von einem Pauschalhonorar profitieren würden. Ein Kompromiss könnte darin bestehen, einen Teil des zusätzlichen Geldes in diese Pauschale und nicht in den Festzuschlag fließen zu lassen. Alle Fragen nach der Definition der Bedürftigkeit oder der Versorgungsrelevanz einer Apotheke oder nach irgendwelchen Umsatz- oder Gewinnschwellen würden sich dabei erübrigen. Eine Pauschale wäre also viel einfacher umzusetzen als ein gestaffeltes Honorar.
Ein alter Plan der Grünen
Ein abgestufter Festzuschlag böte allerdings einen politischen Vorteil. Da die Grünen schon in der vorigen Legislaturperiode eine ähnliche Idee propagiert hatten und eine diesbezügliche Formulierung im geltenden Koalitionsvertrag steht, sollte die Ampelkoalition dafür aufgeschlossen sein. Das spricht durchaus dafür, dies weiter zu diskutieren.
Unabdingbar: Umleitung über einen Fonds
Ein ganz wesentlicher Aspekt darf dabei aber keinesfalls übersehen werden – doch er wird leider im jüngsten AWA-Beitrag wohl stillschweigend vorausgesetzt, aber nicht erwähnt: Honorarbeträge, die sich zwischen Apotheken unterscheiden, müssen unbedingt über einen Fonds nach dem Vorbild des Nacht- und Notdienstfonds verteilt werden. Denn nur so ist ein einheitlicher Apothekenverkaufspreis aufrechtzuerhalten.
Dieser einheitliche Preis ist unabdingbar für die Funktion vieler sozialrechtlicher Preisbildungsmechanismen. Außerdem ist er entscheidend für die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung, um die es hier letztlich geht. Denn unterschiedliche Verkaufspreise in verschiedenen Apotheken würden einen Anreiz für die Krankenkassen schaffen, die Patienten in die großen Apotheken mit niedrigeren Preisen zu steuern. Damit würde genau das Gegenteil des Ziels erreicht. In Verbindung mit der Umleitung über einen Fonds ist ein gestaffeltes Honorar allerdings eine weitere Diskussion wert. Doch es bleibt die Frage, ob eine Kombination des Festzuschlags mit einem Pauschalhonorar das Ziel nicht doch einfacher erreicht.
Mehr Geld für die Zukunft nötig
Letztlich darf aber keine dieser Ideen darüber hinwegtäuschen, dass das System mehr Geld braucht. Die Debatte darf sich nicht auf die Umverteilung verengen. Denn Umverteilung allein wird nicht reichen. Kein System kann heute noch mit den Preisen von 2002 arbeiten – und in Zukunft noch viel weniger. Darum sagen die bisherigen Gewinne der Apotheken auch wenig über das Problem aus. Die heute noch profitablen Apotheken werden ihre Gewinne bald brauchen, um im bevorstehenden demografischen Umbruch noch genügend Personal zu finden.
Ohne deutlich mehr Geld für das System werden die bisherigen Gewinne der großen Apotheken Geschichte sein. Wenn 50 Mitarbeiter in einem großen Apothekenunternehmen jeweils 10.000 Euro mehr Personalkosten verursachen, sind 500.000 Euro Gewinn verbraucht. Die heute schon belasteten Betriebe werden dann keine Chance auf neue Beschäftigte mehr haben. Das ist das entscheidende Problem, das beim Blick auf alte Zahlen nicht zu sehen ist. Das ist das entscheidende Argument für mehr Geld im System. Darum kann Umverteilung zwar eine hilfreiche Ergänzung sein, aber mehr Geld für das System ist unverzichtbar.
Eine Zusammenfassung des AWA-Beitrags von Dr. Hubert Ortner finden Sie hier.
7 Kommentare
Einfach Löaung
von ratatosk am 04.07.2023 um 8:51 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Einfach Löaung
von Roland Mückschel am 04.07.2023 um 11:09 Uhr
Leistung muss sich wieder lohnen
von Schorsch Hackl am 03.07.2023 um 20:46 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Leistung muss sich wieder lohnen
von Karl Friedrich Müller am 03.07.2023 um 22:13 Uhr
Mehr Geld muss ins System der GKV
von Susanne Meschner am 03.07.2023 um 20:06 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Mehr Geld muss ins System der GKV
von Shorafix am 03.07.2023 um 20:29 Uhr
Darüber
von Peter am 03.07.2023 um 17:29 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.