Extremwetter meets marode Infrastruktur

Immer mehr Unwetterschäden: Wie Apotheken vorbeugen können

Berlin - 13.07.2023, 07:00 Uhr

Es braucht nicht zwingend eine Flut, wie vor zwei Jahren im Ahrtal, dass auch Apotheken unter Wasser stehen. Kleinere Ereignisse genügen oft. (Foto: IMAGO / blickwinkel)

Es braucht nicht zwingend eine Flut, wie vor zwei Jahren im Ahrtal, dass auch Apotheken unter Wasser stehen. Kleinere Ereignisse genügen oft. (Foto: IMAGO / blickwinkel)


Unter Unwettern, die bedingt durch Klimawandel spürbar häufiger auftreten, leiden immer mehr Apotheken. Liegen sie doch praktisch immer im Parterre mit Keller oder Souterrain. Also exakt da, wohin es Wassermassen zieht. Das hat gerade wieder das Unwetter „Lambert“ am 23. Juni dieses Jahres gezeigt, ein mittlerweile fast schon alltägliches Unwetter, das über Deutschland hinweg zog. Versicherungsexperte Michael Jeinsen erklärt, welche Maßnahmen Apotheken im Vorfeld treffen sollten. 

Ein gefluteter Reinraum einer Apotheke, weil die maroden Abwasserleitungen im Gebäude den Wassermassen nicht standhielten; die Offizin einer Berliner Center-Apotheke knöcheltief unter Wasser, weil das Leitungssystem, mit dem eigentlich das Centerdach entwässert werden soll, dem Wasserdruck nicht gewachsen war, und ein abgesoffener Blisterraum. Hier hat ein altersschwaches Dachentwässerungsrohr dem Starkregenguss nicht standgehalten. Die Leitung platzte.

Alle drei Fälle sind Horrorszenarien für Apothekeninhaber, wie sie seit Jahren immer häufiger auftreten, weil gerade Center in die Jahre kommen. Eine latent steigende Gefahr für alle Mieter besonders im Erdgeschoss – also auch Apotheken. Denn ein schöner Anstrich, attraktive Flanierflächen oder eine neue Innenbeschallung sind Center-Betreibern oft wichtiger als der rechtzeitige Austausch maroder Leitungen. Aber auch andere Apotheken sind vor Schäden durch Starkregen oder ähnliche Ereignisse nicht gefeit. 

Elementarschäden ernster nehmen

Für Versicherte heißt das: Elementarschäden nehmen zu. Sie sollten deshalb, wo immer möglich, mitversichert sein. Denn es braucht nicht unbedingt eine „Ahrflut“, die vor zwei Jahren in Rheinland-Pfalz 15 und in Nordrhein-Westfalen rund 50 Apotheken verwüstet hat, damit ein signifikanter Schaden entsteht. Viel öfter sind es lokal begrenzte Starkregen-Ereignisse, die Gebäudeleitungen oder die kommunale Infrastruktur überlasten und immer öfter neben anderen auch Apotheken treffen. Diese – oft mit nie wirklich dichten Automatiktüren ausgestattet – sind Regenwasserfluten auf der Straße oder aus einem Bachbett schwappendem Hochwasser meist nahezu schutzlos ausgeliefert

Zonierungssystem klassifiziert Unwettergefahren

Was sollten Apotheker jetzt tun? Als erstes sollten sich Inhaber informieren, welcher ZÜRS-Gefährdungsklasse ihre Apotheke zugeordnet ist. Das Kürzel steht für „Zonierungssystem Überschwemmung, Rückstau und Starkregen“ und das System ist in vier Starkregengefährdungsklassen (SGK) unterteilt: 1 bedeutet kaum Wassergefahren, 4 umfasst Regionen wie Hallig Hooge, weite Bereiche des Ahrtals oder die Stelzenhäuser im Bodensee – alle nicht gegen Elementarschäden versicherbar.

In der Gefährdungsklasse 2 finden sich Gebäude, die in der Ebene oder im unteren bis mittleren Bereich eines Hangs, aber nicht in der Nähe eines Bachs liegen. Die Starkregengefährdungsklasse 3 fasst Gebäude zusammen, die im Tal oder in der Nähe eines Bachs liegen. Bis SGK 3 sind Apotheken gegen die vom Klimawandel verstärkten Gefahren mitversicherbar.

Keine Versicherung in Starkregengefährdungsklasse 4 

Wer seine Apotheke jedoch in der Starkregengefährdungsklasse 4 betreibt, bekommt zwar keinen Versicherungsschutz, kann aber dennoch einiges zur Schadenabwehr tun. Betroffene sollten sich zunächst an die Freiwillige Feuerwehr vor Ort wenden, die kann meist wertvolle Tipps geben. Dazu empfiehlt es sich, einige Sandsäcke oder Hochwasserschotts für Türen und Lichtschächte zu organisieren – die können größere Schäden und lange Apothekenschließungen abwenden.

Grundsätzlich sind laut dem Gesamtverband der Versicherer (GDV) die Chancen sehr gut, in der SGK 1 oder 2 zu landen. Von den erfassten 22,2 Millionen Adressen in Deutschland befinden sich fünf Millionen (22,5 %) in der SGK 1 und 14,5 Millionen (65,7 %) in der SGK 2. Diese sind unproblematisch zu versichern. Dazu kommen noch 2,6 Millionen (11,8 %) in der dritten Klasse. In der nicht versicherbaren vierten Stufe befinden sich aktuell rund 100.000 Lagen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Zahl nicht mehr versicherbarer Apotheken steigen wird, weil das Risiko in immer mehr Regionen steigt. Die engen Täler an Ahr, Mosel und Saar sowie Bereiche der Elbhochwasser sind schon eingruppiert.

Das Muster bei zunehmenden Risiken ist immer dasselbe: Erst steigen die Versicherungsbeiträge, dann folgt die Ausweitung unversicherbarer Standorte. Deshalb sollte, wer bisher noch nicht gegen Elementarschäden abgesichert ist, jetzt eine Versicherung abschließen. Noch sind die Beiträge niedrig und die Ausschlüsse überschaubar.

Sicherheitsbegehungen können Risiko eines Wasserschadens identifizieren

Prophylaxe ist der Preis, den Inhaber für § 4 Absatz 2a Satz 1 ApBetrO, demzufolge eine Apotheke „barrierefrei erreichbar sein“ soll, bezahlen müssen. Wer sich umfassend beraten lassen will, sollte eine Sicherheitsbegehung seiner Apotheke(n) mit einem besonderen Augenmerk auf das Risiko von Wasser- und Elementarschäden veranlassen.

Für solche Sicherheitsbegehungen bieten sich spezialisierte Experten wie etwa die Deutsche Gütegemeinschaft ImmobilienSchadenService, die Dachorganisation der Schadensanierer im Bereich Gebäude & Wohnen an. Die Mitglieder des Netzwerkes – bundesweit rund 150 – haben sich unter dem Label „SchadenDienst24“ auf hochwertige und zertifizierte Sanierungen nach Wasserschäden spezialisiert. Da für Apotheken diese Schäden so gut wie immer mit einem Hygienerisiko einhergehen, sind zertifizierten Sanierer die beste Wahl, um nach einem Wassereinbruch schnell wiedereröffnen zu können oder gar einem Entzug der Betriebserlaubnis abzuwenden.

Vermieter auf Risiken ansprechen

Weiterhin sollten Apothekeninhaber im Mietverhältnis Vermieter oder Hausverwaltungen auf Alter und Qualität der wasserleitenden Systeme ansprechen. Besondere Risiken stellen unter anderem alle Knicke in Leitungen, Ventile und Verbindungsstücke dar. Sollte sich herausstellen, dass die Leitungen im Gebäude sehr alt sind, sollten Inhaber auf eine fachliche Prüfung dringen. Die ApBetrO sowie die Hygienevorschriften für Apotheken liefern beste Argumente.

Wasserschäden können aber auch von unerwarteter Stelle verursacht werden: So erhöhen Zahnarztpraxen mit ihren hunderten Metern an Wasserleitungen das Risiko erheblich. Solche „Gefahrenlagen“ müsste Ihr Versicherungsberater identifizieren können, denn auch der sollte Sicherheitsbegehungen anbieten. Schließlich sind vermiedene Schäden tausendmal besser als regulierte.


Michael Jeinsen, zertifizierter Berater Heilwesen (IHK), Spezialmakler für Apotheken, Bereichsleiter Apo­thekenschutz beim BVSV,
redaktion@daz-online


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