Inselzelltherapie für Typ-1-Diabetiker

Raus aus der Insulin-Pflicht?

21.07.2023, 09:15 Uhr

Auf regelmäßige ­Insulin-Injektionen konnten viele Studienteilnehmer dank der Zelltherapie mit Donislecel verzichten. (Foto: Goffkein / AdobeStock)

Auf regelmäßige ­Insulin-Injektionen konnten viele Studienteilnehmer dank der Zelltherapie mit Donislecel verzichten. (Foto: Goffkein / AdobeStock)


In den USA hat die FDA am 28. Juni 2023 mit Donislecel (LantidraTM) die erste Zelltherapie für Typ-1-Diabetiker zugelassen. Das Arzneimittel besteht aus Insulin-produzierenden ­Inselzellen von verstorbenen Spendern, die den Patienten in die Pfortader infundiert werden. Damit wird in vielen Fällen eine Insulin-Therapie hinfällig. Kritisiert wird die Zulassung als Arzneimittel statt als Transplantat.

Bei Typ-1-Diabetikern werden durch eine Autoimmunreaktion die Insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört. Die Patienten sind deshalb lebenslang auf Insulin-Injektionen oder eine Pumpe angewiesen, um ihren Glucose-Stoffwechsel zu regulieren. Die Food and Drug Administration (FDA) ließ jetzt eine Zelltherapie zu, die Diabetikern die verlorenen Betazellen teilweise wieder zurückgeben soll [1]. Das Therapeutikum Donislecel (LantidraTM) des Unternehmens Celltrans besteht aus einer Suspension von allogenen Inselzellverbünden verstorbener Spender und wird als Infusion in die Pfortader verabreicht. Neben den Betazellen bestehen die Insel­zellen auch aus Alpha-, Delta- und Epsilonzellen, die zusätzlich zum Insulin andere Hormone wie Glucagon, Somatostatin oder Ghrelin produzieren. Um die Fremdzellen vor den Angriffen des Immunsystems zu schützen, müssen begleitend Immunsuppressiva eingenommen werden. 

Meist reicht eine Infusion

Die Therapie ist für Typ-1-Diabetiker indiziert, die unter einer herkömmlichen Therapie ihre HbA1C-Zielwerte aufgrund von schweren Hypoglyk­ämien nicht erreichen. Infundiert wird das Zelltherapeutikum im Regelfall einmalig. Bei manchen Patienten können aber auch mehrere Infusionen nötig werden, damit sich genügend Inselzellen ansiedeln und Insulin produzieren. In den zwei Zulassungsstudien, in denen das Verfahren open label und ohne Kontrollgruppe an insgesamt 30 Probanden (Durchschnittsalter 46,5 Jahre) getestet wurde, erhielten 11 Probanden eine einzige Infusion [2]. Bei den restlichen Teilnehmern wurden in Abständen von einem Monat bis mehreren Jahren zwei oder drei Donislecel-Infusionen vorgenommen. Ein Großteil der Probanden (21 von 30) war nach einem Jahr dadurch nicht mehr Insulin-pflichtig und mussten kein Insulin mehr spritzen: zwölf Probanden be­nötigten für ein bis fünf Jahre kein von außen zugeführtes Insulin mehr, neun sogar über fünf Jahre. Bei fünf Probanden hingegen gelang die Therapie nicht, vier weitere konnten nur kurzzeitig auf eine Insulin-Therapie verzichten.

Häufige Nebenwirkungen

Abhängig von der Zahl der Infusionen und deren Abstand sowie der Nach­beobachtungszeit traten häufig unerwünschte Wirkungen auf: 87% der Probanden erlitten im Beobachtungszeitraum mindestens eine schwerwiegende unerwünschte Wirkung [2]. Am häufigsten verursachte die Zelltherapie Übelkeit, Fatigue, Anämie, Durchfall und Bauchschmerzen. Eine Mehrheit der Patienten erlitt mindestens eine schwere unerwünschte Arzneimittelwirkung im Zusammenhang mit der Infusion oder der immunsuppressiven Therapie. Anämien beispielsweise traten als Folge des Eingriffs und der Immunsuppression auf [2]. Bei der Infusion selbst muss der Blutdruck in der Pfortader überwacht werden. Immunsuppressiva erhöhen außerdem die Neigung zu Infektionen und malignen Neubildungen. Bei schwerwiegenden Nebenwirkungen muss die Immunsuppression gegebenenfalls abgesetzt werden, was zum Verlust der infundierten Inselzellen führt.

Zulassungsrahmen umstritten

Kritik an der Zulassung kommt von der Organisation „Islets for US“. Die Vereinigung kritisiert, dass LantidraTM als Arzneimittel zugelassen wurde, und nicht, wie in anderen Ländern üblich, als Gewebe oder Organ. In einem Paper aus dem Jahr 2022 argumentiert „Islets for US“, dass die an Biologika gestellten Standards nicht die Sterilität und Qualität der Inselzellen garantieren [3]. In Deutschland werden Inselzellspenden nach dem Transplantationsgesetz als Gewebe klassifiziert.

Literatur

[1] FDA Approves First Cellular Therapy to Treat Patients with Type 1 Diabetes. Pressemitteilung der FDA, 28. Juni 2023, www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-first-cellular-therapy-treat-patients-type-1-diabetes

[2] Fachinformation LantidraTM, Stand Juni 2023, www.fda.gov/media/169920/download

[3] Witkowski P et al. Islets Transplantation at a Crossroads – Need for Urgent Regulatory Update in the United States: Perspective Presented During the Scientific Sessions 2021 at the American Diabetes Association Congress. Front Endocrinol 2022;12:789526, doi: 10.3389/fendo.2021.789526


Dr. Tony Daubitz, Apotheker
redaktion@daz.online


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