Kritik am Gießkannenprinzip bei Vitaminen

Folsäure für Schwangere – zu welchen Präparaten rät Ökotest?

Stuttgart - 27.07.2023, 17:50 Uhr

Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere gibt es viele – nicht alle davon überzeugten Ökotest. (Foto: gpointstudio / AdobeStock)

Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere gibt es viele – nicht alle davon überzeugten Ökotest. (Foto: gpointstudio / AdobeStock)


Insgesamt 22 verschiedene Folsäurepräparate für Schwangere oder Frauen mit Kinderwunsch hat Ökotest untersucht und zwölf davon mit dem Urteil „ungenügend“ durchfallen lassen. Hauptkritikpunkt war der Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen in hohen Mengen, die Schwangeren nicht standardmäßig empfohlen werden. 

Frauen mit Kinderwunsch und Schwangere gehören zu den Menschen, denen die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln angeraten wird. Im Fokus stehen hierbei Folsäure und Iod, bei denen kaum eine Frau die in der Schwangerschaft empfohlenen Mengen über ihre Ernährung aufnimmt. Entsprechend häufig stehen Frauen mit einem entsprechenden Beratungsbedarf in den Offizinen. Auch Ökotest interessiert sich für diese Produktgruppe und hat 22 Produkte aus Drogerien und Apotheken unter die Lupe genommen.

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Hierfür hat Ökotest den Gehalt an Folsäure und, falls vorhanden, Iod im Labor nachmessen lassen und mit offiziellen Empfehlungen abgeglichen. Dabei bezieht sich Ökotest auf die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sowie das Netzwerk „Gesund ins Leben“, das zur Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung gehört. 

Wie viel Folsäure soll es sein?

Laut DGE empfiehlt sich eine Supplementierung von 400 µg Folsäure in den vier Wochen vor Eintreten der Schwangerschaft sowie im ersten Trimenon. Zusätzlich ist zur Deckung des Gesamttagesbedarfs von 550 µg eine folatreiche Ernährung nötig [1]. Kam es ungeplant zu einer Schwangerschaft, rät „Gesund ins Leben“ zur täglichen Supplementierung von 800 µg Folsäure im ersten Schwangerschaftsdrittel [2]. Mit Blick auf Iod empfiehlt die DGE Schwangeren eine Supplementierung von 100 bis 150 µg täglich nach ärztlicher Rücksprache [3]. 

Auf dieser Grundlage gab es von Ökotest eine Note Abzug für Produkte, die andere Folsäuregehalte als 400 oder 800 µg oder aber höhere Iodgehalte als 100 oder 150 µg aufweisen. Positiv: Bei allen Präparaten wurden die deklarierten Mengen in der Laboranalyse bestätigt.

Schärfere Kritik übte Ökotest hinsichtlich weiterer in den Tabletten enthaltener Inhaltsstoffe, wie etwa den umstrittenen Hilfsstoffen Titandioxid und Carboxymethylcellulose. Diese fanden sich auch in einigen in Apotheken üblichen Produkten wie Femibion® 1 und 2 (Carboxymethylcellulose), Doppelherz® System Schwangere+Mütter (Carboxymethylcellulose) und Elevit® 1 (Carboxymethylcellulose und Titandioxid). Hierfür gab es ganze vier Noten Abzug von Ökotest.

Auslaufmodell Titandioxid

Bereits am 14. Januar 2022 hat die Europäische Kommission ein Verbot für Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff erlassen. Dieses untersagt es Herstellern in der EU Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel zu produzieren, die Titandioxid enthalten. Allerdings trat das Gesetz erst im August 2022 in Kraft. Bis dahin ausgelieferte Produkte dürfen noch abverkauft werden. [4]

Hauptkritikpunkt war hingegen der Zusatz von weiteren Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen, die Schwangeren nicht standardmäßig für die Supplementierung empfohlen werden. 21 der 22 getesteten Präparate enthielten solche Zusätze. Bei zwölf Präparaten wurden hierbei die vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) festgelegten Höchstmengen überschritten, was zu dem Ökotest-Urteil „ungenügend“ führte. Besonders aufmerksam macht Ökotest hierbei auf Präparate mit über den Empfehlungen des BfR liegenden Mengen an Eisen und Vitamin A. Betroffen sind hiervon auch mehrere in Apotheken übliche Präparate.

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Bei diesen beiden Inhaltsstoffen gilt: Ein Mangel während der Schwangerschaft ist potenziell gefährlich für das Kind, aber auch zu große Mengen sind mit Risiken verbunden. Eine Supplementierung ist daher nicht routinemäßig, sondern bei festgestelltem Mangel ratsam [5].

Kaum etwas zu bemängeln hatte Ökotest hingegen bei den vier getesteten Produkten der Folio®-Reihe, sowie bei Menssana Multi für Schwangere + DHA, die jeweils die Bewertung „gut“ erhielten. Der vollständige Testbericht ist auf der Ökotest-Website zu finden.

Quellen

[1] Folat. Informationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Stand 2018. www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/folat/

[2] Fenner A, Nieberding T. Bei Kinderwunsch zusätzlich Folsäure? Informationen des Netzwerkes Gesund ins Leben. Stand: 24.09.2020 www.gesund-ins-leben.de/fuer-fachkreise/familien-vor-und-in-der-schwangerschaft/nachgefragt/bei-kinderwunsch-zusaetzlich-folsaeure/

[3] Jod. Informationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Stand 2000. www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/jod/

[4] Wie bedenklich ist Titandioxid und wo ist der Stoff enthalten? Informationen der Verbraucherzentrale Hamburg. Stand: 13.07.2023. www.vzhh.de/themen/lebensmittel-ernaehrung/schadstoffe-lebensmitteln/wie-bedenklich-ist-titandioxid-wo-ist-der-stoff-enthalten

[5] Fischer S. Rundum gut versorgt DAZ 2020;31:40. www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2020/daz-31-2020/rundum-gut-versorgt

[6] Vitaminpräparate für Schwangere. Testberich von Ökotest. 2023;8:92-97


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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