Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

30.07.2023, 06:59 Uhr

Noch keine 50 Cent, noch keine Präquali, aber eine alberne Eskalationskarte und E-Rezept-ready-Status für alle – das ist Apothekers 

Noch keine 50 Cent, noch keine Präquali, aber eine alberne Eskalationskarte und E-Rezept-ready-Status für alle – das ist Apothekers 


Eigentlich sollten die Apotheken das Almosen von 50 Cent fürs Engpass-Management jetzt abrechnen können. Eigentlich. Aber weil die Verantwortlichen vermutlich im Wolkenkuckucksheim leben, hat man es schlichtweg versäumt, die Abrechnungsmöglichkeit rechtzeitig zu installieren. Jetzt müssen die Apotheken sogar auf diese Vergütung warten! Genauso wie auf das Ende der Präquali, das eigentlich bereits da ist. Aber hier müssen sich erst der Apothekerverband und der Krankenkassenverband einigen, was eigentlich Hilfsmittel sind. Und diese Einigung kann bis April 2024 dauern. Derweil zündet die ABDA die nächste heiße Eskalationsstufe: Vorsicht, ihr Gesundheitspolitikerinnen und -politiker, da macht’s boing und eine lustige rotweiße Karte springt euch beim Öffnen entgegen. Soll heißen: Wir wollen mehr Geld. Echtes, kein Spielgeld! Und noch was Neues: Tätärätätä, ab sofort sind alle Apotheken E-Rezept-ready. Von Amts wegen. 

24. Juli 2023

Wird das noch was mit der Cannabis-Legalisierung oder nicht? Cannabis zu Genusszwecken für fast jedermann? Lauterbach verfolgt dieses Ziel ehrgeizig. Die EU reagierte mehr als zurückhaltend auf die Ampel-Pläne. Anfang Juli legte das Bundesgesundheitsministerium dann einen Referentenentwurf vor, auf den sich die Ressorts der Ampel geeinigt hatten und der EU-konform sein soll: Geplant sind zwei Säulen des Gesetzes. Die „Säule 1“ der geplanten Cannabis-Freigabe soll ganz im Zeichen eines verbesserten Gesundheitsschutzes stehen, man möchte „die cannabisbezogene Aufklärung und Prävention stärken, den illegalen Markt für Cannabis eindämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz  stärken", so geht es aus der Einleitung des Gesetzentwurfs hervor. Bei dieser 1. Säule handelt es sich um den privaten und gemeinschaftlichen, nicht-gewinnorientierten Eigenanbau. Das Vorhaben sei mit den bestehenden völker- und europarechtlichen Rahmenbedingungen vereinbar, sagt das Ministerium. Was noch zur europarechtlichen Prüfung ansteht, ist die 2. Säule des Gesetzentwurfs, die regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vorsieht. Dieses Säule-2-Gesetz will Lauterbach dann nach der Sommerpause vorlegen. Mein liebes Tagebuch, das wird also alles noch ein wenig dauern, bis die ersten Verkaufsstellen fürs Genuss-Cannabis in Deutschland die Droge unters Volk bringen dürfen.

Was es darüber hinaus geben wird und das betrifft auch die Apotheken: ein eigenes Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken – das Medizinal-Cannabisgesetz. Und nur da, so sieht es derzeit aus, wird weiterhin die Apotheke eine Rolle spielen, während sie mit dem Verkauf von Genuss-Cannabis nichts zu tun haben wird. Das Medizinal-Cannabisgesetz sieht allerdings, vor, Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz zu streichen, Ärzte sollen die Cannabisblüten dann auf normalen Rezepten verordnen können. Die ABDA hat ihre Stellungnahme zu diesem Vorhaben abgegeben. Zur allgemeinen Freigabe von Genuss-Cannabis, wo also Apotheken keine Rolle spielen werden, sind die Ausführungen knapp, aber deutlich: Man lehne die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken „aus fachlichen Gründen“ ab. Mein liebes Tagebuch, da kann man einen Haken dran machen, ein Heilberuf kann dies nur ablehnen. Zwar zeigten einige Diskussionen, dass es auch Apothekerinnen und Apotheken gibt, die sich durchaus vorstellen konnten, Cannabis zum Genuss zu verkaufen: so eine Art kleiner „coffee-shop“ in einer Ecke der Apotheke? Doch die Mehrheit spricht sich deutlich dagegen aus. Wie aus der ABDA-Stellungnahme weiter hervorgeht, hält unsere Standesvertretung nichts davon, Medizinal-Cannabis in einer ganz neuen Rechtsmaterie zu regeln; das geplante Medizinal-Cannabisgesetz lehnt die ABDA rundum ab. Medizinal-Cannabis sollte nicht so einen Sonderstatus erhalten; es ist ein Arzneimittel, wie jedes andere Arzneimittel auch – das Arzneimittelgesetz sei dafür vollkommen ausreichend. Mit einem eigenen Regelungswerk bestünde nach Ansicht der ABDA die Gefahr, dass Medizinal-Cannabis als eigenständiges Produkt und damit als Nicht-Arzneimittel eingestuft werde und letztlich sogar in Apotheken nicht mehr in den Verkehr gebracht werden könnte. Mein liebes Tagebuch, da ist was dran. Ob Lauterbach das auch so sieht?

 

25. Juli 2023

Die ABDA zündet ihre nächste Eskalationsstufe! Mehr als 110 Gesundheitspolitikerinnen und -politiker erhalten in diesen Tagen Post aus dem Berliner Apothekerhaus: ein Briefchen mit einer Karte drin, die beim Herausnehmen aus dem Umschlag springt und sich zu einem Würfel zusammenfügt. Ups, boing, wie süß ist das denn, mein liebes Tagebuch, so eine schöne Überraschung, mögen sich wohl die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker denken: Wenn das die Eskalation der ABDA ist, ja Wahnsinn! Und wenn die Politikerinnen und Politiker dann noch lustig sind und sich die Karte, den Würfel genauer anschauen, lesen sie, dass diese ulkige rot-weiße Karte die Schieflage beim Apothekenhonorar thematisiert und die wichtigsten Argumente für eine dringend erforderliche Anpassung aufführt. Na, da hat sich unsere Standesvertretung aber ein „aufmerksamkeitsstarkes Mailing an die gesundheitspolitischen Entscheiderinnen und Entscheider in Berlin“ (O-Ton ABDA ) ausgedacht. Und die Forderung, die damit transportiert wird:   Den knapp 18.000 Apothekenteams soll eine „angemessene Wertschätzung und auskömmliche Honorierung“ zugestanden werden. Mein liebes Tagebuch, ob diese lustige Karte die gesundheitspolitischen Entscheiderinnen und Entscheider zur inneren Einkehr und zum Nachdenken über unser Apothekenhonorer motivieren wird? Vermutlich hüpft die springende Karte bei vielen der Politikerinnen und Politiker schneller in die Rundablage P als es uns allen lieb sein kann. Richtige Eskalation sieht anders aus.

 

26. Juli 2023

Es ist im Bundesgesetzblatt verkündet, es tritt in Kraft: das Engpass-Gesetz, das die Lieferengpässe bekämpfen soll. Im feinsten Bürokratendeutsch nennt es sich „Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz, liebevoll abgekürzt ALBVVG. Und wir wissen doch alle: je länger ein Gesetzesname, umso schwächer die Wirkungen. Bekämpft werden die Engpässe mit diesem Gesetz wohl kaum, möglicherweise wird der Umgang mit den Engpässen ein wenig erträglicher. So gelten für die Apotheken z. B. die dauerhaft verstetigten erweiterten Austauschregeln für den Fall, dass ein abzugebendes Arzneimittel in der Apotheke nicht verfügbar ist. Neu ist u.a., dass eine Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels vorliegt, wenn es nicht innerhalb einer angemessenen Zeit beschafft werden kann. Und für die vielfältigen Mühen beim Managen der Engpässe darf die Apotheke einen Zuschlag von geradezu unfassbaren 50 Cent berechnen – 50 Cent, so viel sind unserer Regierung die zeitintensive Arbeit der Apotheken und die rasche Versorgung der Versicherten wert. Mein liebes Tagebuch, immerhin, als kleine Versöhnungsgabe hat das Engpass-Gesetz ein paar kleine Goodies für Apotheken im Rucksack dabei: Die Krankenkassen haben ein paar weniger Möglichkeiten, die Apotheken zu retaxieren. Und die Apotheken sind endlich davon befreit, in einem Präqualifizierungsverfahren nachzuweisen, dass sie auch ordnungsgemäß apothekenübliche Hilfsmittel abgeben können. Bis diese leidige Präquali allerdings wirklich endgültig der Vergangenheit angehört, wird es noch ein wenig dauern. Zwar tritt der Paragraph, der die Präquali abschafft, am 27. Juli 2023 in Kraft. Bis es aber soweit ist, müssen sich erstmal der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband darüber verständigen, welche Hilfsmittel eigentlich als „apothekenübliche Hilfsmittel“ einzustufen sind. Bis zum 27. Januar 2023 haben die beiden Zeit, sich zu einigen. Falls nicht – wir kennen das Spielchen der beiden, die nicht miteinander können – entscheidet eine Schiedsstelle bis zum 27. April 2024. Und bis dorthin gibt es sie weiterhin, die Präqualifizierung.

 

27. Juli 2023

Schwups, so schnell kann’s gehen: Quasi über Nacht sind alle Apotheken E-Rezept-ready. Wie kommt’s? Ganz einfach: Mit der neuen Version der Gematik-App sind nun alle Apotheken auffindbar und als E-Rezept-ready eingetragen, unabhängig davon, ob sie sich selbst als „E-Rezept-ready“ eingestuft haben. Wir erinnern uns: Noch vor einiger Zeit waren die Apotheken aufgefordert, sich selbst im Apothekenportal als E-Rezept-ready einzutragen, wenn sie glaubten, alle Anforderungen zur Einlösung von E-Rezepten zu erfüllen. Möglicherweise hatten wohl einige Apotheken vergessen, sich einzutragen. Und so hat die Gematik kurzentschlossen die Sache selbst in die Hand genommen und mit der neuesten Version ihrer App alle Apotheken für das digitale Einlösen von Rezepten freigeschaltet. Ja, ab 1. Juli 2023 sollten bekanntlich alle Apotheken soweit sein, E-Rezepte einzulösen. Die Apotheken seien somit jetzt gefordert, so die Gematik, auf mögliche E-Rezepte in ihrem Warenwirtschaftssystem zu achten und diesen Eingangskanal regelmäßig zu prüfen. Mein liebes Tagebuch, nett gemeint, aber so rasch werden sich in diesem Kanal wohl kaum jede Menge E-Rezepte wiederfinden. Zum einen hadern die Arztpraxen noch mit dem Ausstellen von E-Rezepten und mit der Technik, zum andern wurde die Gematik-App erst knapp 594.000-mal heruntergeladen – die Versicherten benutzen sie kaum.

 

Das Engpass-Gesetz ist in Kraft, die Apotheken dürfen für ihre Mühen, die Engpässe zu managen und Ersatzpräparate für die Versicherten zu finden, das großzügige Honorar von 50 Cent einfordern. Wie fein! Nur, wie kommt die Apotheke an dieses Honorar? Gute Frage! Mein liebes Tagebuch, die Modalitäten stehen noch gar nicht fest! Nur das Sonderkennzeichen fürs Rezept gibt es schon, es lautet 17717446. Auf Nachfrage erfuhr man: Die Einzelheiten zur Bedruckung der Lieferengpass-Pauschale aufs Muster 16 sowie die Angaben im Kontext des E-Rezeptes werden derzeit noch zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband abgestimmt. Na, das kann dauern. Und was geschieht bis dahin? Muss man die betreffenden Rezepte aufbewahren und nachträglich kennzeichnen?

 

28. Juli 2023

Da tritt das Gesetz mit der Engpass-Pauschale in Kraft, aber keiner weiß, wie man das Almosen von 50 Cent pro gemanagtem Engpass-Arzneimittel überhaupt abrechnen kann. Mein liebes Tagebuch, verstehst du das? Das ist in etwa so, wie wenn GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) am 24. Dezember morgens aufwachen und feststellen: Ups, ja ist denn heut’ schon Weihnachten? Mal ehrlich, hat sich da noch keiner vom DAV rechtzeitig Gedanken dazu gemacht, wie die Abrechnung laufen könnte? Immerhin, das Gesetz ist doch schon ein paar Monate in der Mache! Und dass wir eine Vergütung in Höhe von x Cent bekommen, davon konnten wir ausgehen (auch wenn uns x Euro lieber gewesen wären). Und nun, wie geht’s weiter? Das weiß leider noch keiner. Wenn die Apotheke in der nächsten Woche ab 1. August das Engpass-Management durchführt, bekommt sie theoretisch 50 Cent pro ausgetauschtem Arzneimittel. Die PZN gibt es zwar, aber damit fängt die Apotheke erstmal nichts an; die Apothekensoftware kann die PZN nicht verarbeiten, die Rezepte nicht damit bedrucken. Alle Details der Abrechnung sind unklar! Könnte man die PZN oder den Taxbetrag von 50 Cent netto bzw. 60 Cent brutto händisch auftragen? Auf keinen Fall – das kann technisch nicht verarbeitet werden, davon raten Rechenzentren ab. Vielleicht könnte man die Rezepte noch zurückhalten und erst dann einreichen, wenn feststeht, wie abgerechnet wird? Theoretisch. Ja, klingt aber auch nicht nach einer praktikablen Lösung. Also, mein liebes Tagebuch, dann werden wir wohl noch eine ganze Zeit lang auf die 50 Cent verzichten müssen, bis das Procedere der Abrechnung ausgearbeitet ist und alles in der Software abgebildet ist – das wird dauern. Und noch länger könnte es dauern, bis die 50 Cent bei einem E-Rezept abgerechnet werden können. Immerhin, der Deutsche Apothekerverband will sich nachdrücklich dafür einsetzen, dass den Apotheken keine Nachteile entstehen, und sich für eine Übergangslösung einsetzen. Auf diese Lösung sind wir richtig gespannt.


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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7 Kommentare

Kindergartenspielchen

von Dr. Radman am 30.07.2023 um 12:27 Uhr

Für solche Kindergartenspielchen (springender Würfel) müssen die Apothekers 18% mehr Gebühren blechen.

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Erheiterndes ...!?

von Reinhard Herzog am 30.07.2023 um 11:23 Uhr

Zum Thema Pop-Up-Karten der ABDA hier etwas Erheiterndes, das Leben - und gerade das Wetter - sind ja schon grau genug:

https://www.apotheke-wirtschaft.de/aktuelles-apothekenpraxis/2023/glosse-kai-aus-der-kiste.html

Noch einen frohen Rest-Sonntag!

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Würfel

von Ka El am 30.07.2023 um 10:53 Uhr

Mit dem Würfel gefährdet man die Ernsthaftigkeit des Problems und der Protesttag verliert weiter an Wirkung, wenn er nicht schon verpufft ist.

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27.7.2032!!!!!

von Dr.Diefenbach am 30.07.2023 um 9:29 Uhr

...das wäre aber ein sehr perspektivisches Datum in den Ausführungen vom 26.7.23.....

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AW: 27.7.2032

von Peter. Ditzel am 30.07.2023 um 11:25 Uhr

Sorry, war ein Tippfehler. Soll natürlich heißen 27.7.2023.

.

von Anita Peter am 30.07.2023 um 8:49 Uhr

Herr Hubmann freut sich ganz dolle über die 50 cent und die Wertschätzung seitens der Politik, und die ABDA verschickt Postkarten.

Das zeigt das ganze Dilemma in dem wir stecken.....

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Eskalation im Juli 2023

von Ulrich Ströh am 30.07.2023 um 8:48 Uhr

Die Springkarte als aufmerksamkeitsstarkes
Mailing an Gesundheitspolitiker im Sommerloch.

Sieht so aktuell in Berlin
eine wahrnehmbare Eskalation von Apotheken
aus?

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