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Stellungnahme
ABDA hält Entwurf eines Digitalgesetzes für „unausgereift“
Nach dem geplanten Digitalgesetz sollen Apotheken einige neue Aufgaben übernehmen, zum Beispiel assistierte Telemedizin anbieten. Gleichzeitig berührt es einige für die Apothekerinnen und Apotheker wichtige Regelungen, etwa was die Weiterleitungsmöglichkeiten für den E-Rezept-Token betrifft. Die ABDA erkennt zwar vereinzelt gute Ansätze im Referentenentwurf, hält ihn insgesamt aber für unausgegoren.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die digitale Transformation im Gesundheitswesen vorantreiben. Zu diesem Zweck hat sein Haus einen Entwurf für ein Digitalgesetz (DigiG) vorgelegt – der Referentenentwurf wurde den Verbänden bereits Mitte Juli zur Stellungnahme übersandt. Jetzt positioniert sich auch die ABDA zum Gesetzesvorhaben: Sie sieht umfangreichen Klärungs- und Änderungsbedarf.
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So begrüßt sie in ihrer Stellungnahme grundsätzlich, dass die Bereitstellung und der Betrieb von informationstechnischen Systemen, die eine Übermittlung von elektronischen Verordnungen oder elektronischen Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen außerhalb der Telematikinfrastruktur ermöglichen, untersagt werden soll (§ 360 Absatz 16 SGB V neu). Das sei „ein wichtiger Schritt, um das Zuweisungsverbot zu schützen. Es ist positiv zu bewerten, dass die freie Apothekenwahl der Versicherten gewährleistet bleiben soll.“ Davon geplante Ausnahmen lehnt die ABDA jedoch ab. „Für jede einzelne Verordnung soll der Versicherte individuell entscheiden dürfen, wo diese eingelöst wird“, führt sie dazu aus. „Jeglicher Automatismus einer Weiterleitung birgt aber die grundsätzliche Gefahr, dass Versicherte nicht individuell entscheiden. Insbesondere die durchgängige Zustimmung des Versicherten gegenüber dem verordnenden Leistungserbringer erhöht das Risiko der Einflussnahme durch diesen und fördert unzulässige Geschäftsmodelle.“ Die geplante Ausnahmeregelung gelte es daher zu streichen.
Auch von der in § 360 Absatz 10 SGB V neu vorgesehenen Nutzung der ePA-Apps der Krankenkassen für den Zugriff auf E-Rezepte und deren Verwaltung hält die Bundesvereinigung nichts. „Neben der bereits bestehenden Möglichkeit des Abrufes von E-Rezepten für Versicherte über die App der Gematik, sollte kein Parallelweg geschaffen werden“, findet sie. „Dadurch würde sich die Gefahr erhöhen, dass mittels der ePA-Apps der Krankenkassen Versicherte in ihrem Leistungsinanspruchnahmeverhalten gesteuert werden. Für die Durchsetzung der beitragsfinanzierten und wettbewerbsneutralen Gematik-App ist die parallele Nutzung beliebiger Krankenkassen-Apps zudem ein unnötiges Handicap.“
Wann ist ein Medikationsplan ein Medikationsplan?
Positiv wertet die ABDA, dass für Patientinnen und Patienten, die von ihrer Opt-Out-Option bei der Nutzung der elektronischen Patientenakte keinen Gebrauch gemacht haben, eine zentrale Sammlung medikationsspezifischer Daten in interoperabler Form angelegt werden soll und damit die Basis für eine digitale Unterstützung des Medikationsmanagements geschaffen wird (§ 342 Absatz 2a Nummer 1 neu). „Als problematisch empfinden wir allerdings die Bezeichnung einer bloßen Sammlung von Verordnungs- und Dispensierdaten als Medikationsplan“, bemängelt die Bundesvereinigung. Eine Dokumentation der aktuell angewendeten Arzneimittel werde erst unter Berücksichtigung von Therapieanweisungen, der Ergänzung von relevanten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten sowie der inhaltlichen Prüfungen und Bewertungen durch die beteiligten Leistungserbringer zu einem Medikationsplan.
Die ABDA regt daher an, die Begriffe „Medikationsplan“ und „Medikationsliste“ zu definieren und damit voneinander abzugrenzen. Sollte der Gesetzgeber einen echten Medikationsplan im Sinn haben, müssen aus ihrer Sicht bestimmte Mindeststandards erfüllt sein, die sich sowohl auf die Qualität der Daten beziehen als auch auf die zugehörigen Prozesse. „Die vorgelegte Änderung des SGB V gäbe die Chance, die oben genannten Voraussetzungen für einen ‚echten‘ Medikationsplan, der den Namen verdient, erstmals vollständig zu beschreiben.“
Telemedizin in Apotheken wirft Fragen auf
Apotheken soll zudem die Möglichkeit eingeräumt werden, assistierte Telemedizin anzubieten (§ 129 Absatz 5h SGB V neu). Grundsätzlich begrüßt die ABDA die Einbindung der Apotheken in niedrigschwellige Versorgungsangebote. „Diese werden aus den bestehenden Versorgungsstrukturen heraus entwickelt und sind deshalb gegenüber – ebenfalls in der Diskussion befindlichen – Gesundheitskiosken zu bevorzugen. Wir halten aber den Gesetzentwurf zu diesem Sachverhalt mindestens für unausgereift.“
Denn beim Bereitstellen technischer Ausstattungen zur Inanspruchnahme telemedizinischer Leistungen in der Apotheke schaffe der Gesetzgeber erstmals die Situation, dass ein Arzt gewissermaßen in einer Apotheke praktiziert. „Dies widerspricht geltendem Recht, das eine bauliche Trennung der Apothekenbetriebsräume von anderweitig gewerblich oder beruflich genutzten Räumen verlangt“, betont die ABDA. Zugleich relativiere das Vorhaben die Trennung der ärztlichen und apothekerlichen Berufe „mit der gesteigerten Gefahr eines nicht vorrangig am Patientenwohl orientierten, kollusiven Zusammenwirkens. Die nach der Begründung zu gewährleistenden Zuweisungs-, Absprache- und Makelverbote bieten unter diesen faktischen Gegebenheiten keinen ausreichenden Schutz“.
Auch dass Apotheken im Zusammenhang mit telemedizinischen Angeboten einfache medizinische Routineaufgaben übernehmen dürfen sollen, hält die Bundesvereinigung für rechtlich problematisch. Es stellten sich Fragen zum Arztvorbehalt, zur gegebenenfalls erforderlichen Einbindung in einen Behandlungsvertrag und zu den resultierenden Haftungsfragen. Nicht nur diese Punkte müsse der Gesetzgeber klären: Auch welche Funktion der Apotheke und ihrem Personal in rechtlicher Hinsicht zugewiesen wird, gehe aus dem Entwurf nicht hervor. Handelt es sich dabei um Delegation, Assistenzleistungen unter Verantwortung des Arztes oder eigene Dienstleistungen der Apotheke? „Insofern der Gesetzgeber die Idee einer kombinierten Leistung durch Arzt und Apotheker verfolgt, sind zudem im Gesetz bereits Festlegungen über die jeweiligen Aufgaben und ihre Vergütung zu treffen“, fordert die ABDA. „Erst auf der Grundlage dieser wesentlichen gesetzlichen Festlegungen können nach unserer Auffassung nähere Ausgestaltungen an die Selbstverwaltung – gegebenenfalls unter Einbezug der Kassenärztlichen Bundesvereinigung – delegiert werden.“
Ident-Verfahren nur in Apotheken
Dass der Gesetzgeber plant, das sogenannte Ident-Verfahren für Versicherte auch durch Vertragsärzte und -zahnärzte erbringen zu lassen (§ 336 Absatz 1 Satz 2 SGB V neu), lehnt die ABDA ab. „Wirtschaftlich betrachtet macht es keinen Sinn, das Ident-Verfahren auch auf Praxen auszuweiten“, gibt sie zu bedenken. „Die Anschaffung von Hard- und Software, Schulungsaufwand für das Personal etc. sind mit einem immensen finanziellen Aufwand verbunden. Die Erweiterung der Angebotsstrukturen ließe aufgrund der hohen Fixkosten für keinen Anbieter Aussicht auf eine Amortisierung zu, was letztlich dazu führen würde, dass weder Apotheken noch Praxen Interesse daran haben, hier eine Lösung anzubieten.“
Ebenfalls keinen Gefallen findet die ABDA an der Idee, dass Versicherte in den Apotheken der Nutzung der ePA widersprechen können sollen (§ 353 Absatz 2 Satz 1 SGB V neu). „Apotheken werden damit im Alltag zum Adressaten entsprechender datenschutzrechtlicher Gestaltungsrechte, über deren Komplexität und Tragweite Versicherte zu informieren sind und die im Weiteren in den Apotheken prüfbar zu dokumentieren sind“, fasst sie zusammen. „Dies ist nach unserer Bewertung im ohnehin überbürokratisierten, von Personal- und Lieferengpässen geprägten Apothekenalltag von den Mitarbeitern in der Apotheke nicht zu leisten.“ Adressat dieser Gestaltungsrechte könne nur die jeweilige Krankenkasse sein, welche ihren Versicherten die ePA bereitstellt.
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