Propylthiouracil, Carbimazol und Thiamazol

Thyreostatika-Einsatz bei Frauen im gebärfähigen Alter rückläufig

Stuttgart - 07.08.2023, 09:15 Uhr

Sollte eine Hyperthyreose festgestellt werden, wird empfohlen, die Familiengründung zu verschieben. (Foto: Graphicroyalty / AdobeStock)

Sollte eine Hyperthyreose festgestellt werden, wird empfohlen, die Familiengründung zu verschieben. (Foto: Graphicroyalty / AdobeStock)


Eine Überfunktion der Schilddrüse betrifft etwa 2 bis 3 Prozent der Frauen. Therapiert wird häufig mit Thyreostatika. Da diese im ersten Schwangerschaftsdrittel jedoch nicht unproblematisch sind, gibt es bei Frauen im gebärfähigen Alter und Schwangeren einiges zu beachten. Insgesamt ist die Verordnungsprävalenz der „Schilddrüsenblocker“ bei diesen Frauen seit 2004 jedoch rückläufig.

Eine Hyperthyreose in der Schwangerschaft stellt eine besondere Herausforderung dar. Unbehandelt gefährdet der Überschuss an Schilddrüsenhormonen Mutter und Kind: So steigert dieser etwa das Risiko für Wachstumsverzögerungen, Präeklampsie, Früh- und Totgeburten. Eine manifeste Hyperthyreose sollte daher auch in der Schwangerschaft behandelt werden. Allerdings gibt es beim Einsatz der zur Verfügung stehenden Thyreostatika im ersten Trimenon einiges zu beachten – denn Propylthiouracil, Carbimazol und Thiamazol sind alle drei plazentagängig.

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Für die Wirkstoffe Carbimazol und Thiamazol ist eine dosisabhängige, schwach teratogene Wirkung bekannt, die zu charakteristischen Fehlbildungen beim Kind führen kann. Frauen, die mit diesen Wirkstoffen behandelt werden, wird daher dringend nahegelegt, sicher zu verhüten und die Familiengründung bzw. -erweiterung möglichst auf die Zeit nach Behandlungsabschluss zu verschieben. Weiterhin zu beachten ist bei beiden Wirkstoffen die Nebenwirkung der akuten Pankreatitis, die ein sofortiges Absetzen sowie einen Wirkstoffwechsel erforderlich macht.

Hinsichtlich des Dritten im Bunde, Propylthiouracil (PTU), ist die Datenlage uneindeutiger. Auf embyrotox.de ist hierzu zu lesen:


„PTU führt zu keinem charakteristischen Fehlbildungsmuster und in der Mehrzahl der Studien auch zu keinem erhöhtem Gesamtfehlbildungsrisiko. Allerdings wurden inzwischen zwei Verschreibungsstudien veröffentlicht, die auch nach PTU-Anwendung in der Schwangerschaft ein erhöhtes kindliches Fehlbildungsrisiko ermittelten.“

embyrotox.de


Als beste der drei Optionen bleibt Propylthiouracil jedoch Mittel der Wahl für das erste Trimenon einer geplanten Schwangerschaft. Ob eine Umstellung auf diesen Wirkstoff erfolgen sollte, wenn es unter Carbimazol oder Thiamazol ungeplant zu einer Schwangerschaft kam, wird aktuell kontrovers diskutiert. Zu beachten ist bei Propylthiouracil, dass es aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit von einer Stunde alle sechs bis acht Stunden eingenommen werden muss. Zudem kommt es unter diesem Wirkstoff häufiger zu Nebenwirkungen, insbesondere zu Leberschäden, als unter Carbimazol oder Thiamizol.

Bei allen drei Wirkstoffen einheitlich gilt: Falls sie während des ersten Schwangerschaftsdrittels zum Einsatz kommen, sollte die niedrigste erforderliche Dosis verwendet werden.

Die aktuelle Versorgungslage in Deutschland

Wie Thyreostatika bei Frauen im Alter zwischen 13 und 49 Jahren eingesetzt werden, wird auch in der Ausgabe 2/2023 des Bulletin für Arzneimittelsicherheit (herausgegeben vom Bundestinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie vom Paul-Ehrlich-Institut) beleuchtet. Hierfür wurden Abrechnungsdaten von vier gesetzlichen Krankenkassen aus dem Zeitraum 2004 bis 2020 ausgewertet, die insgesamt etwa ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands abdecken.

Feststellbar war insgesamt ein rückläufiger Verordnungstrend: Während 2004 noch 2,7 von 1000 Mädchen und Frauen ein Thyreostatikum erhielten, lag die altersstandardisierte Verordnungsprävalenz 2020 nur noch bei 1,8. Es sanken hierbei insbesondere die Verordnungen von Carbimazol und Thiamazol.

Bei 9723 Frauen, die mindestens einmal ein Thyreostatikum verordnet bekommen hatten, traten eine oder mehrere Schwangerschaften ein. Zwei Drittel davon fanden jedoch zu einem Zeitpunkt statt, zu dem das Arzneimittel noch nicht oder nicht mehr eingenommen wurde. Bei 17% davon wurde während der Schwangerschaft ein Thyreostatikum angesetzt (n = 2243), 16% der Schwangerschaften (n = 2203) traten unter einer bestehenden thyreostatischen Therapie ein. Der Anteil der Frauen, die daraufhin von Carbimazol oder Thiamazol auf Propylthiouracil umgestellt wurden, stieg im Studienzeitraum an. Die Autor:innen des Bulletin-Beitrags stimmen diese Beobachtungen vorsichtig optimistisch, dass die Risiken der Thyreostatika-Gabe bei Frauen im gebärfähigen Alter mehr und mehr Berücksichtigung im Versorgungsalltag finden.

Quellen

Maucher IV. Propylthiouracil. Inforamtionen der Gelben Liste. Stand 16.01.2023 https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Propylthiouracil_1732

Hyperthyreose. Informationen von embryotox.de. Abgerufen am 04.08.2023 https://www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/hyperthyreose/

Schink T et al. Verordnung von Thyreostatika bei Frauen im gebärfähigen Alter und in der Schwangerschaft. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. 2023;2:39-43


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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