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Vermeintliche Allergien de-labeln
Penicillin: Schluss mit allergisch
Wie wird man eine Allergie wieder los? Im Fall einer Penicillin-Allergie möglicherweise durch einen Test – denn nur wenige der vermeintlichen Penicillin-Allergiker reagieren tatsächlich allergisch auf eines oder mehrere Betalactam-Antibiotika (BLA). Einer internationalen Studie zufolge ließen sich, zumindest bei Patient:innen mit geringem Risiko, möglicherweise einige bisher übliche Schritte der Diagnostik überspringen.
Unter den Arzneimittelallergien ist die Penicillin-Allergie die von Patient:innen am häufigsten angegebene [1]. Je nach Land und Region geben bis zu 28 Prozent der Bevölkerung an, eine solche Unverträglichkeit zu haben. Tatsächlich allergisch sind hingegen nur 1 bis 3 Prozent der Bevölkerung [2]. Unbedeutend für die individuelle und öffentliche Gesundheit ist diese hohe Zahl an falschen (Eigen-)Diagnosen nicht: Diese Patient:innen erhalten häufiger Second-Line oder Breitspektrumantibiotika, was mit gesteigerten Kosten, einem höheren Risiko für Nebenwirkungen und der vermehrten Bildung von Arzneimittelresistenzen einhergeht [3].
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Ob in einem spezifischen Fall tatsächlich eine Allergie vorliegt oder ob in der Vergangenheit eine unerwünschte Arzneimittelwirkung oder aber ein Symptom der therapierten Erkrankung fehlgedeutet wurde, lässt sich diagnostisch überprüfen. Zur Verfügung stehen hierbei Hauttests (Epikutantest, Pricktest), Labortests (Lymphozytentransformationstest, ELISA) und der orale Provokationstest. Da dieser mit dem größten Risiko verbunden ist, steht er laut der S2k-Leitlinie Diagnostik bei Verdacht auf eine Betalaktamantibiotika-Überempfindlichkeit „am Ende der allergologischen Diagnostik nach erfolgter Anamnese sowie entsprechend der Indikation einer In-vitro-Diagnostik sowie Hauttestung“ [3].
Der Weg bis hin zum finalen Ausschluss der vermeintlichen Allergie kann also lang sein. Wie das Ärzteblatt im Jahr 2022 berichtete, kann es darüber hinaus vorkommen, dass Ärzt:innen auf den Kosten für die Tests anteilig sitzen bleiben – ein weiteres Hemmnis für die Durchführung dieser [4].
„Die allergologische Abklärung mit Ausschluss der Verdachtsdiagnose BLA-Allergie durch Hauttestungen, Labordiagnostik und Provokationstests ist aufwendig und wird im deutschen Gesundheitssystem nicht kostendeckend vergütet.“
Ein weniger aufwendiges Testverfahren könnte also helfen, mehr Fehldiagnosen aufzudecken. Einen Vorschlag für eine solche Vereinfachung hat ein internationales Forschungsteam im Juli dieses Jahres im JAMA Internal Medicine veröffentlicht [5].
In ihrer Nichtunterlegenheitsstudie untersuchten die Forschenden 377 Penicillin-Allergiker:innen in den USA, Kanada und Australien. Ein Einschlusskriterium stellte eine Gesamtpunktzahl von weniger als drei Punkten im PEN-FAST-Fragenkatalog [6] (siehe Abbildung) und somit ein niedriges oder sehr niedriges Risiko für einen positiven Penicillin-Allergietest dar.
Bei der Kontrollgruppe (n=190) wurde zur Abklärung der Allergie ein dreistufiges Testschema, bestehend aus Prick-, Intradermal- und oralem Provokationstest, durchgeführt. Bei der Interventionsgruppe (n=187) wurde ausschließlich ein oraler Provokationstest durchgeführt. In beiden Gruppen war der orale Provokationstest bei je einer Person (je 0,5 Prozent) positiv.
Auch hinsichtlich der unerwünschten Arzneimittelwirkungen waren die Ergebnisse beider Gruppen ähnlich. Diese traten im fünftägigen Nachbeobachtungszeitraum bei 20 Proband:innen der Interventionsgruppe und 21 Teilnehmenden der Kontrollgruppe auf. Schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden nicht beobachtet.
Penicillin-Allergien sind bei Patienten häufig vermerkt – aber nur selten verifiziert
Falscher Verdacht mit Folgen
Der direkte orale Provokationstest zeigte sich in dieser Untersuchung bei Niedrigrisikopatient:innen dem mehrstufigen Diagnoseverfahren nicht unterlegen und scheint sowohl sicher als auch effektiv zu sein.
Literatur
[1] Zhou L, Dhopeshwarkar N, Blumenthal KG, Goss F, Topaz M, Slight SP, Bates DW. Drug allergies documented in electronic health records of a large healthcare system. Allergy. 2016 Sep;71(9):1305-13. doi: 10.1111/all.12881
[2] Morales I. Praktisches Vorgehen bei Penicillinallergien. Swiss Med Forum. 2023;23(24):1122-1126. DOI: https://doi.org/10.4414/smf.2023.09437
[3] Wurpts G et al. S2k Guideline: Diagnostics for suspected hypersensitivity to beta-lactam antibiotics. Guideline of the German Society for Allergology and Clinical Immunology (DGAKI) in collaboration with the Medical Association of German Allergologists (AeDA), German Society for Pediatric Allergology and Environmental Medicine (GPA), the Austrian Society for Allergology and Immunology (ÖGAI), and the Paul-Ehrlich Society for Chemotherapy (PEG). Allergo J Int 2019;28:121–51. https://doi.org/10.1007/s40629 019 01008
[4] Klimek L et al. Vermutete Penicillinallergie: De-Labeling als wichtige Aufgabe für das Antibiotika-Stewardship. Dtsch Arztebl 2022; 119(19): A-868 / B-717
[5] Copaescu AM et al. Efficacy of a Clinical Decision Rule to Enable Direct Oral Challenge in Patients With Low-Risk Penicillin Allergy: The PALACE Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. Published online July 17, 2023. doi:10.1001/jamainternmed.2023.2986
[6] Trubiano JA et al. Development and Validation of a Penicillin Allergy Clinical Decision Rule. JAMA Intern Med. 2020;180(5):745–752. doi:10.1001/jamainternmed.2020.0403
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