Dieser Entwicklung widmen sich zwei Anträge zum diesjährigen Deutschen Apothekertag – allerdings aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Die Apothekerkammer des Saarlands und der Saarländische Apothekerverein möchten die Selbstverwaltung wieder stärken: In ihrem Antrag, den sie den Delegierten zur Abstimmung vorlegen werden, wollen sie den Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber auffordern, die Selbstverwaltung künftig intensiver an Gesetz- und Verordnungsgebungsprozessen zu beteiligen als es derzeit der Fall ist.
Saarländer kritisieren kurze Stellungnahmefristen und detaillierte Vorgaben
Vor allem seit der Corona-Pandemie sei zu beobachten, dass die Selbstverwaltung zum einen seitens der Politik mit zunehmend detaillierten Vorgaben konfrontiert ist und zum anderen die Stellungnahmefristen zu Gesetzesvorhaben immer kürzer werden – manchmal betragen sie demnach nur wenige Stunden. „Damit wird es der Selbstverwaltung faktisch unmöglich gemacht, ihrem Auftrag zur Gestaltung von (Gesundheits-)Versorgung gerecht zu werden“, kritisieren die Antragsteller in ihrer Begründung. Letztlich nehme die Politik gar die Folgen ihres eigenen Handelns zum Anlass, die Legitimation der Selbstverwaltung in Frage zu stellen, da diese nicht effizient genug arbeite.
Damit ist das Saarland nicht einverstanden. Denn Selbstverwaltung könne nur funktionieren, wenn die Selbstverwaltung zur Entscheidungsfindung ausreichend Zeit erhalte. „Dies ist auch erforderlich, damit eine sachnahe und nachhaltige Lösung der Probleme gefunden werden kann. Nur dann ist es auch der Selbstverwaltung möglich, die von den Entscheidungen betroffenen Akteure ‚mitzunehmen‘, um die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“, betonen Kammer und Verband. „Die Politik ist aufgerufen, der Selbstverwaltung mehr Entscheidungskompetenzen einzuräumen, zumal die Politik ohne die Expertise der Selbstverwaltung keine bedarfsgerechte und effiziente Versorgung der Bevölkerung sicherstellen kann.“
AVWL: Machtmissbrauch durch Krankenkassen unterbinden
Auch der Apothekerverband Westfalen-Lippe befasst sich mit der Rolle der Selbstverwaltung, wählt jedoch eine andere Stoßrichtung als das Saarland. Bekanntermaßen hadert der Verband insbesondere mit dem Gebaren der Krankenkassen, die aus seiner Sicht ihre Macht zu oft missbrauchen – speziell, wenn es um Retaxationen zulasten der Apotheken geht. Daher soll das Apothekerparlament den Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber auffordern, durch „geeignete Regelungen im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) das Prinzip der Selbstverwaltung dahingehend zu konturieren, dass dessen Missbrauch durch bspw. sachwidriges Blockieren von Entscheidungen, zweckwidriges oder gar willkürliches Vorgehen (bspw. bestimmte Retaxationen) unterbunden und, wo erforderlich, sanktioniert wird. Ziel ist es, Funktionsfähigkeit und Effizienz der Selbstverwaltung wiederherzustellen.“
Dem Prinzip der Selbstverwaltung komme im deutschen Gesundheitssystem große Bedeutung zu, führt der Verband in der Begründung zu seinem Antrag aus. Das habe unbestreitbare Vorteile, etwa die Einbeziehung von Leistungserbringern und Krankenkassen, mit der Absicht, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen zu erreichen. „Zugleich ist damit aber auch die Gefahr von Konflikten verbunden, die die Entscheidungsfindung und die Umsetzung von Vorhaben erschweren, insbesondere wenn es um finanzielle Fragen und die Verteilung von Ressourcen geht.“ Bestehe darüber hinaus ein Machtungleichgewicht zwischen den Akteuren, werden laut AVWL „nicht nur solche Konflikte weiter befeuert, sondern es etabliert sich eine strukturell ungleiche Verhandlungsstärke, die dem Prinzip der Selbstverwaltung letztlich diametral zuwiderläuft“.
Mängel der Selbstverwaltung gehen zulasten der Patienten
Die vermeintlichen Mängel der Selbstverwaltung gingen überdies häufig nicht nur zulasten der Apotheken als Leistungserbringer, sondern beträfen auch die Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten. Als Beispiel nennt der Verband das Zuzahlungsinkassos gemäß § 43c SGB – auf die damit verbundenen Probleme hatte AVWL-Chef Thomas Rochell erst kürzlich in einem DAZ-Gastbeitrag hingewiesen.
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