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Die Physiologie des Schlafes

15.08.2023, 13:27 Uhr

Der Schlafrhythmus verändert sich im Laufe des Lebens. (Foto: fizkes / AdobeStock)
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Der Schlafrhythmus verändert sich im Laufe des Lebens. (Foto: fizkes / AdobeStock)


Schlaf ist so für das Leben genauso wichtig wie essen und trinken. Während man schläft,  regenerieren sich Körper, Geist und Psyche. Wachstumsprozesse, Immunregulation, Verfestigung von Gelerntem – all das „erledigen“ wir im Schlaf.  Ein nicht erholsamer Schlaf beeinträchtigt daher nicht allein die Befindlichkeit, sondern schädigt auf Dauer den Gesamtorganismus. Aber wie funktioniert Schlaf eigentlich? Wann spricht man tatsächlich von einer Schlafstörung und was kann man Kunden in der Apotheke im Fall der Fälle empfehlen?

Schlaf ist für den Menschen so wichtig wie Essen und Trinken oder die Luft zum Atmen. Er dient gleichermaßen der körperlichen Regeneration wie der geistigen Erholung. 

Physiologisch betrachtet versteht man unter Schlaf zwei Zustände des Zentralnervensystems – den REM-Schlaf (Rapid Eye Movement, auch Traumschlaf genannt) und den Non-REM-Schlaf, der aus zwei Leichtschlaf- und zwei Tiefschlafstadien besteht. 

Die verschiedenen Schlafphasen wechseln sich zyklisch ab. Jeder Schlafzyklus beginnt mit den zwei Leichtschlaf-Phasen des Non-REM-Schlafs, geht dann in die zwei Tiefschlafphasen über und endet schließlich mit dem REM-Schlaf. Während einer Nacht werden vier bis sechs solche Zyklen durchlaufen.

Wie Schlaf reguliert wird

Reguliert wird Schlaf vor allem durch den zirkadianen Rhythmus und die Schlafhomöostase. Der zirkadiane Rhythmus wird von der sogenannten inneren Uhr gesteuert. Sie sorgt dafür, dass man tagsüber wach und aktiv ist und sich nachts im Schlaf erholt. 

Synchronisiert wird die innere Uhr mit regelmäßig wiederkehrenden Umgebungsfaktoren wie dem Tag-Nacht-Rhythmus. Wichtigster Taktgeber ist das Tageslicht. In der Dunkelheit wird im Körper das Hormon Melatonin gebildet, bei Tageslicht wird die Melatonin-Produktion dagegen gedrosselt. Melatonin verlangsamt den Stoffwechsel, senkt den Blutdruck und die Körpertemperatur und wirkt darüber schlafinduzierend.  

Die Schlafhomöostase ergibt sich aus den Schlaf- bzw. Wachphasen, die ein Mensch hat. Im Lauf des Tages bzw. mit zunehmender Dauer der Wachphase steigt das Bedürfnis nach Schlaf, das heißt, es häuft sich eine „Schlafschuld“ an. Diese Schuld wird im Schlaf wieder abgebaut. 

Gesteuert wird die Schlafschuld durch Adenosin, das im Tagesverlauf bei geistiger und körperlicher Anstrengung durch den Abbau von ATP freigesetzt wird und dessen Konzentration dadurch immer mehr zunimmt. Da Adenosin die Ausschüttung von aktivierenden und belebenden Neurotransmittern wie Acetylcholin hemmt, wirkt sich die Steigerung der Adenosinkonzentration schlafinduzierend aus. Im Schlaf wird Adenosin dann wieder abgebaut.  

Von Lerchen und Eulen

Die einen halten abends nicht lange durch, sind morgens aber dafür früh munter, andere sind abends lange fit, dafür morgens zu nichts zu gebrauchen. Erstere werden landläufig als „Lerchen“ bezeichnet, zweitere als „Eulen“. 

Wer zu welcher Kategorie gehört, lässt sich leider nicht aktiv bestimmen, sondern ist eine Frage des Chronotyps, der einem in die Wiege gelegt wird. Die Existenz verschiedener Chronotypen ist wissenschaftlich erweisen, weshalb fixe Bettzeiten auch nie pauschal empfohlen werden können.

Unabhängig vom Grundtypus verschiebt sich allerdings der individuelle Tagesrhythmus aus bislang unbekannten Gründen vom Kindesalter bis ins 19. Lebensjahr bei Frauen und bis ins 22. Lebensjahr bei Männern stetig nach hinten. Danach schwingt das Pendel wieder zurück.

Schlaf – eine Frage des Alters

Schlaf ist nicht nur ein komplexer Prozess, sondern auch ein individueller und zudem deutlich vom Alter abhängig. Babys schlafen durchschnittlich 14 Stunden am Tag, verteilt auf mehrere Schlaf- und Wachphasen, wobei letztere leider auch mitten in der Nacht liegen können. 

Erst mit etwa einem Jahr erlangen die meisten Kinder einen Schlaf-/Wachrhythmus mit einer durchgehenden Schlafperiode in der Nacht sowie einen kürzeren Schlaf am Morgen und am Nachmittag. 

Der Gesamtschlaf pro Tag beträgt in diesem Alter immer noch rund zwölf bis 14 Stunden. Jahr für Jahr nimmt die Schlafdauer dann langsam ab, bis sie die üblichen etwa sieben bis acht Stunden pro Nacht bei Erwachsenen erreicht. 

Im Alter ändert sich die Schlafarchitektur

Das „Übliche“ bleibt aber auch nicht bis zum Lebensende. So beobachten viele ältere Menschen, dass sie schlecht einschlafen können und/oder häufig zwischendurch wach werden. Wenn sie dann über Schlafstörungen klagen, werden sie oft damit getröstet, dass sie eben weniger Schlaf brauchen. Das stimmt aber nicht wirklich. 

Unter Einbezug des von älteren Menschen häufig abgehaltenen Mittagsschlafs, dem Einnicken vor dem Fernseher und Leichtschlafphasen schlafen alte Menschen nicht weniger als früher. 

Es ändert sich jedoch die Schlafarchitektur: Die Einschlafzeit ist verlängert, sowohl abends als auch nachts; Tiefschlafphasen nehmen ab, der Schlaf wird leichter, fragmentierter, unruhiger und damit anfälliger für Störungen. Ein bellender Hund, eine schlagende Autotür, das Singen der Vögel frühmorgens holen alte Menschen aus dem leichten Schlaf. Und sie schlafen schlecht wieder ein. Das führt subjektiv zu dem Gefühl, zu wenig Schlaf zu bekommen – schließlich ist das „früher besser gewesen“. 

Schlafstörung: Behandlungsbedürftig, oder nicht?

Einen erholsamen Schlaf bzw. eine gute Schlafqualität haben Menschen, die innerhalb von 30 Minuten einschlafen, die verschiedenen Schlafzyklen regelmäßig durchlaufen, und nach gelegentlichem, meist unbemerkten Aufwachen rasch wieder einschlafen. 

Für viele Erwachsene und zunehmend auch Kinder und Jugendliche trifft dies nicht immer zu. Schlafstörungen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Aktuell klagt etwa jeder Fünfte über einen schlechten Schlaf. Ob es sich dabei immer um eine behandlungsbedürftige Schlafstörung handelt, ist fraglich, lässt sich aber im Beratungsgespräch klären.

Eine behandlungsbedürftige Schlafstörungen liegt vor, wenn 

  • Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnie) länger als drei Monate bestehen, 
  • mehr als zwei- bis dreimal pro Woche auftreten, 
  • eine Einschränkung der Tagesleistungsfähigkeit vorliegt und 
  • ein signifikanter Leidensdruck bei dem Betroffenen und/oder seinen Angehörigen besteht.

Vom Auslöser zur Therapie

Ergibt sich aus einem Beratungsgespräch, dass bei einem Kunden eine behandlungsbedürftige Schlafstörung vorliegt, ist der nächste Schritt die Ursachenforschung. Denn Ein- und Durchschlafstörungen können handfeste Gründe haben, z.B. eine Arzneimitteleinnahme (z. B. Appetitzügler, Antiasthmatika, Antidepressiva) sowie neurologisch-psychiatrische Erkrankungen (Depression, Angststörung, Delirium). Hier werden Maßnahmen nicht ohne den Arzt zu treffen sein. 

Bei ansonsten gesunden Personen bestehen die Ursachen von nicht erholsamem Schlaf vor allem in erhöhter innerer Anspannung, anhaltendem Stress, ungünstigen Schlafbedingungen und einem falschen Umgang mit dem Schlafbedürfnis. Viele Menschen arbeiten permanent gegen ihre innere Uhr an bzw. sind aus beruflichen Gründen dazu genötigt. 

Führt der soziale Rhythmus, der vom eigenen Biorhythmus abweicht, zu anhaltenden Schlafdefiziten, spricht man vom „sozialen Jetlag“. Er hat dieselben Auswirkungen wie der „echte“ Jetlag und wie Schichtarbeit.  

Tipps für einen besseren Schlaf

Wer schlecht schläft, sollte möglichst tagsüber draußen aktiv sein. Und er sollte sich am Abend nicht zu lange mit PC, TV und Smartphone beschäftigen: Deren Displays emittieren LED-Licht mit hohem Blauanteil von 460 nm. Das reicht aus, um den Melatoninanstieg hinauszuschieben und uns wach zu halten. 

Die abendliche Nutzung von Computer und Fernsehen korreliert signifikant mit späterem Zubettgehen und einer verkürzten Schlafdauer.  

Weitere Tipps für einen guten Schlaf sind: 

  • regelmäßige – auf den individuellen Tagesrhythmus abgestimmte – Schlafzeiten 
  • Einschlafrituale (besonders bei Kindern!)  
  • veränderte Schlafmuster bei Heranwachsenden beachten (Langschläfer) 
  • veränderte Schlafmuster bei Senioren beachten (Frühaufsteher) 
  • störungsanfälliger Schlaf nachts, mehr Tagschlaf! 
  • Vermeiden von Licht, Lärm, Hitze/Kälte 
  • Mittagsschlaf begrenzen 
  • Verzicht auf Coffein bis 5 Stunden vorm Schlafengehen 
  • Entspannungsmethoden (Muskelrelaxation, AT, Yoga) 

Schlafstörungen behandeln, womit?

Reichen diese Maßnahmen nicht aus, können Schlafmittel eine Hilfe für Betroffene sein. Eine Übersicht über mögliche Empfehlungen finden Sie im Beitrag „Unruhig ? Erschöpft? Schlaflos?“. 

Neben den dort genannten pflanzlichen Sedativa stehen in der Apotheke für die Selbstmedikation von Schlafstörungen auch chemisch-synthetische Präparate zur Verfügung. 

Zum Einsatz kommen vor allem H1-Antihistaminika wie Diphenhydrinat oder Doxylamin. Ihr Vorteil: der Effekt tritt gleich bei der ersten Einnahme auf. Nachteile sind ein möglicher Hang-over und Nebenwirkungen wie Verstopfung oder Mundtrockenheit. 

Bei pflanzlichen schlaffördernden Mitteln auf der Basis von Baldrian, Melisse, Hopfen oder Passionsblume treten diese negativen Effekte nicht auf, denn sie wirken nicht hypnotisch, sondern schlafanstoßend. Sie normalisieren den physiologischen Schlafablauf, ohne die für erholsamen Schlaf wichtigen REM-Phasen und die Tiefschlafphasen zu beeinflussen. Sie sind also eigentlich keine „Schlafmittel“, sondern stoßen im Idealfall einen erholsamen Schlaf an. Die Vorteile: 

  • Die Patienten sind tagsüber kaum beeinträchtigt.  
  • Das Fehlen von Hang-over-Effekten macht sie für Verkehrsteilnehmer geeignet. 
  • Es kommt weder zu Toleranzentwicklung noch zu Reboundphänomenen beim Absetzen.  
  • Sie eignen sich zur längerfristigen Einnahme.  
  • Die sehr gute Verträglichkeit und Interaktionsfreiheit empfehlen sie besonders für älteren Menschen unter Multimedikation.  

Nachteile gibt es aber auch: Die sedierende Wirkung setzt erst nach einigen Tagen ein. Und gegen Durchschlafstörungen ist die Wirkung oft nicht so befriedigend. Das sollten Patienten wissen.


Dr. Beatrice Rall, Redakteurin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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