Optimale Therapiedauer gesucht

Kinder mit Harnwegsinfekt – kurze Antibiose einen Versuch wert?

Ulm - 15.08.2023, 09:15 Uhr

Antibiose bei Kindern mit Harnwegsinfekt: Ein Behandlungsversagen trat in einer Studie auch in der Kurztherapie-Gruppe „selten“ auf. (Foto: Pixel-Shot / AdobeStock)

Antibiose bei Kindern mit Harnwegsinfekt: Ein Behandlungsversagen trat in einer Studie auch in der Kurztherapie-Gruppe „selten“ auf. (Foto: Pixel-Shot / AdobeStock)


Kann bei Kindern mit Harnwegsinfektionen eine antimikrobielle Behandlung von nur fünf Tagen genügen, um die Symptome ausreichend zu verbessern? Da bisher nur wenige pädiatrische Vergleichsdaten vorliegen, befasste sich eine rando­mi­sierte klinische Studie mit dieser Frage.

Leiden Erwachsene an Harnwegs­infektionen und sollen antibiotisch behandelt werden, ist – zumindest bei unkomplizierter Infektion – eine kurzzeitige Therapie zu bevorzugen, je nach Antibiotikum über einen Tag (Fosfo­mycin), drei (Pivmecillinam, Trimethoprim), fünf (Nitrofurantoin retard, Nitroxolin) oder sieben Tage (Nitro­furantoin). Und bei Kindern? Die US-amerikanische Leitlinie rät derzeit für Säuglinge und Kleinkinder zwischen zwei Monaten und zwei Jahren zu einer sieben- bis zehntägigen oralen Antibiose. 

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Die deutsche Leitlinie empfiehlt eine intravenöse antibakterielle Therapie für mindestens drei Tage bei Säuglingen unter drei Monaten, gefolgt von einer oralen Antibiose und einer Gesamttherapiedauer von sieben bis 14 Tagen. 

Geht das auch kürzer – ohne Effektivitätseinbußen?

Fünf Tage versus zehn Tage

In einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Nichtunterlegenheitsstudie ver­glichen Wissenschaftler eine orale Kurzzeit-Antibiose (fünf Tage) mit der Standardtherapie (zehn Tage) bei 693 Kindern im Alter von zwei Monaten bis zehn Jahren, die nach fünf Tagen antimikrobieller Therapie eine klinische Besserung zeigten (keine Symptome einer Harnwegsinfektion, fieberfrei). Die Kinder erhielten sodann entweder für fünf weitere Tage ihr Antibiotikum oder Placebo. Primärer Endpunkt war das Therapieversagen, das heißt das Auftreten einer Harnwegsinfektion zwischen Tag sechs und einer erneuten Vorstellung an Tag elf bis 14. Bei den Antibiotika in der Studie handelte es sich um Amoxi­cillin-Clavulansäure, Cefixim, Cef­dinir (in Deutschland nicht erhältlich), Cephalexin oder Trimethoprim-Sulfamethoxazol. 

Nichtunterlegenheit verfehlt

Insgesamt wurde bei zwei Kindern (0,6%) unter Standard-Antibiose und 14 Kindern (4,2%) unter Kurzzeit-Antibiose eine Harnwegsinfektion zwischen dem sechsten und 14. Studientag diagnostiziert, und es lag ein Therapieversagen vor (Nichtunterlegenheit verfehlt). Eine fiebrige Harnwegsinfektion traf ein Kind (0,3%) unter Standard-Antibiose und sechs Kinder (1,8%) mit kurzer antibiotischer Therapie. Zudem war das Risiko einer symptomatischen Bakteriurie oder einer positiven Urinkultur um 5,3% (95%-Konfidenzintervall [KI] = 1,7 bis 8,9%) bzw. 10,4% (95%-KI = 6,6 bis 14,2%) für diejenigen Kinder höher, die lediglich eine kurze, fünftägige Antibiose erhalten hatten (sekundäre Endpunkte). Für das Therapieversagen spielte es keine Rolle, ob die Kinder bei Erstdiagnose der Harnwegsinfektion fiebrig waren oder nicht. Das Therapieversagen war zudem unabhängig vom Alter der Kinder, dem eingesetzten Antibiotikum und dem Studienort. Keine Unterschiede gab es in Bezug auf die Nebenwirkungen. 

Kurzzeittherapie statistisch unterlegen – dennoch sinnvoll?

Die Number needed to treat lag bei 28, das heißt: 28 Kinder müssten fünf zusätzliche Tage Antibiotika erhalten, damit ein Therapieversagen verhindert würde. Nach Absetzen der antimikrobiellen Therapie kam es bei neun von 328 Kindern (2,7%) unter Standard-Anti­biose und 14 von 336 Kindern (4,2%) mit fünftägiger Antibiose zu einer Harnwegsinfektion – der Unterschied machte hier nur 1,4% aus (Post-hoc-Analyse), was die Wissenschaftler mit „ähnlichen Raten“ beschreiben.

Zwar konnte die Studie nicht belegen, dass eine kurze, fünftägige Antibiotikagabe bei Kindern mit Harnwegsinfektionen einer längeren mit zehn Tagen nicht unterlegen ist. Dennoch könne die Kurzzeittherapie laut den Autoren eine „sinnvolle Option für Kinder“ sein, die nach fünf Tagen antimikrobieller Behandlung eine klinische Verbesserung aufweisen: Ein Behandlungsversagen trat auch in der Kurztherapie-Gruppe nur „selten“ auf, und die Raten einer erneuten Harnwegsinfektion seien neun Tage nach Therapieende bei kurzer und längerer Antibiose „ähnlich“ gewesen, schlussfolgern die Wissenschaftler.

Literatur
Zaoutis T et al. Short-Course Therapy for Urinary Tract Infections in Children - The SCOUT Randomized Clinical Trial. JAMA Pediatr 2023;e231979, doi:10.1001/jamapediatrics.2023.1979


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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