Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht

Illegaler Handel mit Sildenafil – wäre ein Versandverbot die Lösung?

Stuttgart - 16.08.2023, 17:51 Uhr

Vor kurzem wurde diskutiert, ob Tadalafil 10 mg und Sildenafil 25 mg aus der Rezeptpflicht entlassen werden sollten. Warum hat sich der zuständige Ausschuss dagegen entschieden? (Foto: primestockphotograpy / AdobeStock)

Vor kurzem wurde diskutiert, ob Tadalafil 10 mg und Sildenafil 25 mg aus der Rezeptpflicht entlassen werden sollten. Warum hat sich der zuständige Ausschuss dagegen entschieden? (Foto: primestockphotograpy / AdobeStock)


Ob PDE5-Hemmer (Phosphodiesterase Typ 5) aus der Verschreibungspflicht entlassen werden sollten, wird schon seit einigen Jahren diskutiert. In Polen ist Sildenafil beispielsweise bereits seit 2016 als OTC-Präparat erhältlich. Doch in Deutschland hält der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht den OTC-Status (noch) für kein adäquates Mittel im Kampf gegen den illegalen Online-Handel mit Sildenafil und Tadalafil. Das geht aus dem Ergebnisprotokoll der 87. Sitzung des Ausschusses hervor.

Bereits 2022 hatte er Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht empfohlen, Sildenafil (50 mg) nicht aus der Rezeptpflicht zu entlassen. Im Hinblick auf die Risiken und Gefahren des illegalen Onlinehandels wurde der mögliche OTC-Status von Sildenafil – und dieses Mal auch von Tadalafil – auch auf Anregung des Bundesgesundheitsministerium (BMG) in diesem Juli schließlich erneut diskutiert. Doch sowohl für Sildenafil 25 mg als auch Tadalafil 10 mg wurde der Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht zur oralen Anwendung (erneut) abgelehnt [1].

Aus medizinischer Sicht, war diese Entscheidung zu erwarten – ändert sich doch nichts an den grundsätzlichen Argumenten, dass beispielsweise die Einnahme von Sildenafil oder Tadalafil ohne Arztkontakt verhindern könnte, dass zugrundeliegende Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Hypertonie erkannt werden [2]. Doch wie kam der Ausschuss nun zu dem Schluss, dass ein OTC-Switch auch unter dem Gesichtspunkt des illegalen Onlinehandels (noch) nicht zu empfehlen ist?

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Aus dem am Dienstag veröffentlichten Ergebnisprotokoll der 87. Sitzung des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht geht hervor, dass dem Ausschuss offenbar belastbare Daten fehlten, um sich für einen OTC-Switch zu entscheiden. So fragte beispielsweise ein Ausschussmitglied laut Protokoll, „ob es belastbare Daten dafür gibt, dass durch eine Freistellung von PDE5-Inhibitoren von der Verschreibungspflicht der Handel mit gefälschten Produkten im Internet reduziert wird“. Woraufhin der Antragsteller auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht darstellte, „dass das aus seiner Sicht kaum vorstellbar sei, weil der Bezug über das Internet nicht registriert werden würde“.

Kein Securpharm, aber Off-Label-Use bei OTC-Sildenafil

Ein Ausschussmitglied äußerte schließlich im Verlauf der Diskussion, dass die einzige zielführende Maßnahme zur Bekämpfung des illegalen Handels der Ausschluss des Versandhandels für PDE5-Inhibitoren sei – wie bei der „Pille danach“. Zudem gab er zu bedenken, dass bei Wegfall der Verschreibungspflicht auch der Fälschungsschutz durch Securpharm entfallen würde. 

Auch im Rahmen der Diskussion zu Tadalafil fragte ein Ausschussmitglied nach einer Strategie, „dass Anwender nach einem OTC-Switch die Präparate nicht einfach im Internet kaufen“ – für einen OTC-Switch sehen die Antragsteller eine Beratung in der Apotheke vor. Doch offenbar konnte oder wollte der Antragsteller dazu keine Aussage treffen.

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Ein Ausschussmitglied machte im Rahmen der Sildenafil-Diskussion außerdem auf den Aspekt der Off-Label-Anwendung aufmerksam: „Es gäbe belastbare Beobachtungsstudien u. a. aus Ägypten und Argentinien, dass insbesondere junge Männer zu einem großen Anteil die Substanz erwerben, um deren Wirkung auszuprobieren und/oder potenzmindernde Effekte von anderen Substanzen, z.B. Partydrogen, zu kompensieren“, heißt es im Protokoll. Entsprechend der europäischen Switch-Guideline spricht eine solche unsachgemäße Verwendung gegen den OTC-Status [3,4].

Laut einer BfArM-Präsentation im Rahmen der Ausschussdiskussion besteht in folgenden Ländern unter bestimmten Bedingungen für Sildenafil bereits der OTC-Status [5]:

  • Polen: 2016 – 25 mg, 2020 – 50 mg
  • Großbritannien: 2018 – 50 mg
  • Norwegen: 2019 – 50 mg
  • Schweiz: 2020 – 25 mg
  • Irland: 2021 – 50 mg

Tadalafil ist in Polen seit 2022 und in Großbritannien seit Februar 2023 rezeptfrei [6].

Hätten die Ausschussmitglieder für eine Entlassung von Sildenafil aus der Rezeptpflicht gestimmt, so hätte das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) sie laut Ausschuss-Präsentation unter folgenden Bedingungen empfohlen: „[…] zur Behandlung der erektilen Dysfunktion bei erwachsenen Männern in einer Konzentration von 25 mg je abgeteilter Form, einer Tagesdosis von 25 mg und in einer Gesamtmenge bis zu 100 mg je Packung, es sei denn, es handelt sich um von der Europäischen Kommission als verschreibungspflichtig zugelassene Arzneimittel“. Auch Tadalafil hätte auf eine Packungsgröße von vier Tabletten beschränkt werden sollen [5,6]. 

Letztes Wort noch nicht gesprochen?

Ein Ausschussmitglied wollte vom Antragsteller zu Sildenafil wissen, „warum eine durchgeführte Beobachtungsstudie zwar in EudraCT registriert, aber nach Abschluss nicht publiziert wurde“. Als Grund wurde angegeben, dass dies erst „nach Erlangung eines OTC-Status in Europa“ erfolgen würde [3]. 

Daraus könnte der Eindruck entstehen, dass das Thema OTC-Switch im Bereich der PDE5-Hemmer – trotz zweifacher Ablehnung durch den deutschen Ausschuss – weiterhin nicht abgeschlossen ist. Jedenfalls wären zentral zugelassene Arzneimittel von einer nationalen Änderung der Verkaufsabgrenzung gar nicht betroffen gewesen. Schon im Jahr 2007 hatte Pfizer versucht, mit einem Rundumschlag Sildenafil in der gesamten EU aus der Rezeptpflicht herauszubekommen. Die EMA und ihr Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) äußerten jedoch Bedenken, sodass Pfizer im Jahr 2008 den Antrag wieder zurückzog [2]. 

Literatur 

[1] Moll D. Nur Rizatriptan soll rezeptfrei werden. DAZ.online 11.07.2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/07/11/nur-rizatriptan-soll-rezeptfrei-werden

[2] Moll D. Warum Sildenafil in Deutschland nicht rezeptfrei wird. DAZ.online 08.03.2022, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/03/08/warum-sildenafil-in-deutschland-nicht-rezeptfrei-wird

[3] Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht nach § 53 Absatz 2 AMG. 87. Sitzung (11. Juli 2023) – Ergebnisprotokoll. Veröffentlicht 15.08.2023. www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Ausschuesse-und-Gremien/Verschreibungspflicht/Protokolle/87Sitzung/protokoll_87.html 

[4] A Guideline on changing the classification for the supply of a medicinal product for human use. European Commission (2006), health.ec.europa.eu/system/files/2016-11/switchguide_160106_en_0.pdf 

[5] BfArM-Präsentation zu Sildenafil 25 mg, Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 11. Juli 2023, www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Gremien/Verschreibungspflicht/87Sitzung/anlage2.pdf;jsessionid=8697E937649B00BC8D97B57F65B32DB7.intranet242?__blob=publicationFile

[6] BfArM-Präsentation zu Tadalafil 10 mg, Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 11. Juli 2023, www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Gremien/Verschreibungspflicht/87Sitzung/anlage3.pdf;jsessionid=8697E937649B00BC8D97B57F65B32DB7.intranet242?__blob=publicationFile


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Versteh ich nicht!

von Stefan Haydn am 17.08.2023 um 13:11 Uhr

Cannabis gibt man frei, aber eine Substanz zur körperlichen Ertüchtigung und Beseitigung der Körperwahn-Schäden bleibt der Männlichkeit zur Befriedigung ihrer Gelüste verwehrt.

Ich versteh die Welt nicht mehr!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Nix Verbot !

von m am 16.08.2023 um 18:18 Uhr

Handel und Genuß auf allen Ebenen freigeben !
Das trocknet den illegalen Handel aus.
Gleichzeitig schützt das auch die (neuen) Konsumenten.

*Ironie aus*

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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