Umfrage zu Arzneimittelengpässen in Berliner Praxen

KV Berlin schlägt Alarm und warnt vor Hamsterkäufen

Berlin - 28.08.2023, 16:15 Uhr

Die Befürchtung ist groß, dass auch in der kommenden Erkältungssaison wichtige Arzneimittel fehlen werden. (Foto: cameravit  / AdobeStock)

Die Befürchtung ist groß, dass auch in der kommenden Erkältungssaison wichtige Arzneimittel fehlen werden. (Foto: cameravit  / AdobeStock)


Die Erkältungssaison 2022/23, in der viele Kinderarzneimittel nur schwer zu beschaffen waren, ist noch nicht vergessen. Um solche Situationen künftig zu verhindern, wurde das Engpassgesetz beschlossen. An dessen kurzfristiger Durchschlagskraft gab es aber von Anfang an Zweifel. Nun schlägt auch die KV Berlin Alarm: Bei einer Umfrage in Berliner Praxen gaben 82 Prozent an, dass ihre Patienten schon jetzt nicht alle benötigten Arzneimittel erhielten.

Das kürzlich in Kraft getretene Arzneimittellieferengpass- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) enthält vor allem mittel- und langfristige Ansätze, um die Versorgung mit wichtigen (Kinder-)Arzneimitteln sicherzustellen. Erst vergangene Woche sah sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) veranlasst, weitere Strippen zu ziehen, um Lieferengpässe bei wichtigen Präparaten für Kinder in der kommenden Infektionssaison möglichst zu verhindern. So bat er den Großhandel, die Vorratshaltung für besonders dringliche Arzneimittel zu intensivieren – und stellte sogar eine zusätzliche Honorierung in Aussicht, die über die bereits mit dem ALBVVG beschlossenen 3 Cent hinausgeht (seit 27. Juli 2023 erhält der Großhandel ein Fixum von 73 statt bislang 70 Cent zzgl. Umsatzsteuer je Fertigarzneimittel).

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Dass das Problem der Arzneimittelengpässe keineswegs überwunden ist, zeigen auch die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage in Berliner Arztpraxen, die die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin am heutigen Montag vorgestellt hat. 431 Praxen haben mitgemacht, 44 Prozent der Befragten waren Hausärztinnen und -ärzte, 10 Prozent Kinderärzte und -ärztinnen. Demnach berichten 82 Prozent der teilnehmenden Praxen, dass ihre Patient:innen schon heute nicht mehr alle benötigten Medikamente erhalten – bei den Kinder- und Jugenärzt:innen sind es 88 Prozent. Mangelware sind vor allem Antibiotika, dicht gefolgt von Blutdruck-, Fieber- und Schmerzmitteln. Häufig genannt wurden auch Asthmamedikamente und Augentropfen. 

KV Berlin
In fast allen Bereichen gab und gibt es Engpässe. Antibiotika werden besonders häufig genannt.

Knapp 62 Prozent der Befragten befürchten, dass sie ihre Patient:innen bald nicht mehr mit allen benötigten Medikamenten versorgen können. Von ihnen gehen 30 Prozent davon aus, dass das schon in den kommenden Wochen der Fall sein wird. Rund 21 Prozent befürchten so eine Situation in diesem Herbst/Winter. 

Patient:innen fragen nach Rezepten im Voraus

Ein gewisser Hamster-Reflex dürfte die Situation kaum verbessern: 55 Prozent der befragten Praxen berichten, dass Patient:innen bereits um Rezepte über Arzneien bitten, die sie erst in den kommenden Monaten benötigen.

Gefragt wurde auch, ob die Praxen von umliegenden Apotheken gehört haben, dass die Versorgung aktuell oder in der kommenden Erkältungszeit schwierig werden könnte. 63 Prozent beantworteten dies mit „ja“.

KV-Vorstand: Medikamentenmangel ganz oben auf die Prioritätenliste

„Diese Zahlen sind alarmierend und lassen befürchten, dass wir wie im letzten Winter einen massiven Medikamentenmangel haben werden. Nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Erwachsenen“, heißt es seitens des KV-Vorstands. „Die von Bundesminister Lauterbach für den Herbst und Winter geschätzte mögliche angespannte Versorgungssituation ist also schon längst da.“

Die KV Berlin fordert umgehend Sofortmaßnahmen. „Wir haben fast September. Das Thema Medikamentenmangel muss ganz oben auf die Prioritätenliste des BMG“, so der KV-Vorstand abschließend. Trotz der angespannten Situation appelliert die KV an die Berliner Bevölkerung, nicht unnötig Medikamente zu bevorraten, die möglicherweise nicht gebraucht werden und an anderer Stelle dann aber akut fehlen.

Die Ergebnisse der KV-Umfrage finden Sie hier zum Herunterladen.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

zu spät

von Holger am 30.08.2023 um 8:08 Uhr

"Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not" sagt das Sprichwort. Jetzt ist gerade Not, da ist sparen erstens nicht möglich und zweitens nicht sinnvoll. Dieses Gesetz kommt 2-3 Jahre ZU SPÄT!

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