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Kein Zusatznutzen
Spevigo ist in Deutschland nicht mehr im Handel
Am 1. Februar dieses Jahres war mit Spevigo (Spesolimab) hierzulande das erste Medikament für die Behandlung von Menschen mit akuten Krankheitsschüben bei der generalisierten pustulösen Psoriasis auf den Markt gekommen. Nachdem der G-BA dem Antikörper keinen Zusatznutzen bescheinigt hatte, gab Boehringer Ingelheim nun bekannt, dass das Präparat ab sofort nicht mehr in Deutschland erhältlich sein wird. Was war passiert?
Seit Februar dieses Jahres können Patient:innen mit Schüben einer generalisierten pustulösen Psoriasis (GPP) mit dem Antikörper Spesolimab (Spevigo®) behandelt werden. Dessen Target ist der Rezeptor des Interleukin-36. Somit unterbindet Spesolimab den durch Interleukin-36 aktivierten proinflammatorischen Signalweg, der bei der selten auftretenden neutrophilen Hauterkrankung eine zentrale Rolle spielt.
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Spesolimab stellt die erste spezifische und kausale Behandlungsoption für diese Autoimmunerkrankung dar [1]. In der Indikation GPP sind bereits Präparate mit systemischen oder topischen Glukokortikoide sowie Dapson zugelassen [2]. International ist das Präparat nach Herstellerangaben „mehrfach als besondere Innovation ausgezeichnet“ worden [3].
G-BA bemängelt Studiendesign
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) stellte dennoch keinen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie fest. Wie in der Begründung des am 20. Juli 2023 ausgesprochenen Beschlusses zu lesen ist, liegt das insbesondere am Design der vom Hersteller vorgelegten Studie:
„Die vom pharmazeutischen Unternehmer eingeschlossene Studie EFFISAYIL 1 ist nicht geeignet, um Aussagen zum Zusatznutzen von Spesolimab im Vergleich mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie für Patientinnen und Patienten mit generalisierter pustulöser Psoriasis zu treffen.“
Da es für die Therapie der GPP keine Leitlinien gibt, berücksichtigte der G-BA eine „Therapie nach ärztlicher Maßgabe unter Berücksichtigung von systemischen Glukokortikoiden und Best-Supportive-Care“ als zweckmäßige Vergleichstherapie.
Kritik übt der G-BA insbesondere an der Dauer der eingereichten Studie – bereits an Tag acht hätten sowohl Patient:innen der Verum- als auch der Placebo-Gruppe bei ausbleibender Besserung unverblindet Spesolimab bekommen. Ein echter Vergleich der Verum- mit der Placebobehandlung sei daher nur über einen Zeitraum von acht Tagen möglich gewesen, was hinsichtlich einer typischen Schubdauer von einer bis vier Wochen zu kurz sei.
Weiterhin sei das Vorgehen des Absetzens bisheriger Therapien zur Schubkontrolle bei den Patient:innen „nicht angemessenen“ gewesen. Inwieweit die Absetzpraktik „zu einer zusätzlichen Krankheitsverschlechterung geführt haben konnte – insbesondere bei Ausbleiben einer alternativen Therapiegabe – ist im Nachhinein nicht beurteilbar“ [2].
Boehringer Ingelheim reagiert mit Marktrücknahme
Wie der Hersteller Boehringer Ingelheim in einem am 29. August veröffentlichten Statement bekannt gab, veranlasse der Beschluss des G-BA den Hersteller nun dazu, das Arzneimittel mit sofortiger Wirkung vom deutschen Markt zu nehmen. Dem G-BA wirft Boehringer Ingelheim vor, Innovationen zu blockieren und die Versorgung insbesondere von Patient:innen mit schweren, seltenen Erkrankungen zu gefährden. Weiterhin fordert Boehringer Reformen des Nutzenbewertungssystems [3]:
„Das Nutzenbewertungssystem muss dringend geändert werden. Vor allem für neuartige Therapien und im Bereich seltener Erkrankungen braucht der Nutzenbewertungsprozess mehr Spielraum und Flexibilität, damit es nicht zur kategorischen Ablehnung verfügbarer Evidenz kommt.“
Fortsetzung der Streitigkeiten möglicherweise vor Gericht
Die pustulöse Psoriasis betreffe in Deutschland nicht einmal 300 Patienten, ließ die Deutschlandchefin des Unternehmens, Sabine Nikolaus, die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am 29. August wissen. Dementsprechend könnten klinische Studien, die alle vom G-BA geforderten Parameter liefern, nur schwerlich realisiert werden.
Ebenfalls gegenüber der dpa äußerte sich auch der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Joseph Hecken. Er verteidigt die Entscheidung des G-BA mit einem Verweis darauf, dass in anderen Fällen durchaus aussagekräftige Studien mit kleinen Patientengruppen vorgelegt worden seien. Außerdem habe in diesem Fall sogar die Patientenvertretung dem Beratungsergebnis zugestimmt.
Es ist denkbar, dass die Unstimmigkeiten vor Gericht fortgesetzt werden. Nach Angaben der dpa will Boehringer Ingelheim den G-BA-Beschluss nun gerichtlich anfechten [4].
Zugelassen ist Spesolimab nicht nur in Europa, sondern auch zum Beispiel in den USA und in China [3]. In anderen Ländern wird das Präparat daher wohl auch weiterhin erhältlich sein.
Literatur
[1] Neubeck M. Mit Spesolimab gegen pustulöse Psoriasis. DAZ 2023;13:34
[2] Gemeinsamer Bundesausschuss. Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) Spesolimab (Generalisierte pustulöse Psoriasis, Akutbehandlung). 20. Juli 2023. www.g-ba.de/downloads/40-268-9658/2023-07-20_AM-RL-XII_Spesolimab_D-902_TrG.pdf
[3] Boehringer Ingelheim. Statement G-BA Entscheidung zu Spevigo®. 29. August 2023
[4] Deutsche Presse-Agentur (chs/DP/jha). Boehringer geht gegen Bewertung von Arzneimittel vor - GBA kontert. Meldung vom 29. August 2023
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