Booster für die Notfallkontrazeption?

COX-2-Hemmer Piroxicam verstärkt in Studie Wirkung von Levonorgestrel

01.09.2023, 17:50 Uhr

Lässt sich die Wirksamkeit Levonorgestrel-haltiger Notfallkontrazeptiva durch die gleichzeitige Gabe von Piroxicam verbessern? (Foto: IMAGO / Panthermedia)

Lässt sich die Wirksamkeit Levonorgestrel-haltiger Notfallkontrazeptiva durch die gleichzeitige Gabe von Piroxicam verbessern? (Foto: IMAGO / Panthermedia)


Möglicherweise kann die Wirksamkeit einer Notfallkontrazeption mit Levonorgestrel durch die zusätzliche Gabe des oralen Cyclooxygenase (COX)-2-Hemmers Piroxicam erhöht werden. Darauf deuten die Ergebnisse einer in China durchgeführten Studie hin. 

Zur oralen Notfallkontrazeption werden Levonorgestrel (z. B. PiDaNa®) oder Ulipristal (z. B. EllaOne®) eingesetzt. Beide müssen jeweils vor dem Eisprung eingenommen werden, da sie diesen nur verzögern oder hemmen. Daher wird nach einer oralen Kontrazeption gesucht, die auch nach dem Eisprung wirksam ist. 

COX-2-Hemmer könnten als Wirkverstärker infrage kommen, weil sie die Bildung von Prostaglandinen hemmen. Denn Prosta­glandine erleichtern mehrere Reproduktionsvorgänge, einschließlich der Ovulation, der Befruchtung und der embryonalen Einnistung. Ob COX-2-­Hemmer nun tatsächlich einen synergis­tischen Effekt in der Notfallkontrazeption aufweisen, wurde in einer randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie in Hongkong untersucht. Die Wahl des Wirkstoffs fiel dabei auf Piroxicam, da es über die längste Halbwertszeit der erhältlichen COX-2-Hemmer verfügt.

Signifikant weniger Schwangerschaften

An der Studie nahmen 860 Frauen teil, die innerhalb von 72 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr eine Notfallkontrazeption wünschten. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt und erhielten alle 1,5 mg Levonor­gestrel und zusätzlich entweder 40 mg Piroxicam oder ein Placebo. Ein bis zwei Wochen nach der nächsten zu erwartenden Menstruation wurde ein Schwangerschaftstest durchgeführt, wenn die Monatsblutung nicht eingesetzt hatte. Der pri­märe Studienendpunkt war der Anteil der verhüteten Schwangerschaften. 

Ausgewertet wurden die Daten von jeweils 418 Frauen pro Gruppe. In der Piroxicam-Gruppe war eine Frau schwanger geworden, in der Vergleichs­gruppe waren es sieben Frauen. Der Prozentsatz der ohne Kontrazeption zu erwartenden Schwangerschaften wurde anhand einer Modellrechnung auf 4,5 % (19/418) in beiden Gruppen geschätzt.

Von dieser Modellrechnung ausgehend, wurden in der Piroxicam-Gruppe 94,7 % der zu erwartenden Schwangerschaften verhütet, in der Vergleichsgruppe 63,4 % (p < 0,0001). In beiden Gruppen gab es keine nennenswerten Unterschiede bei der Rate der verfrühten oder verzögerten Menstruationsblutungen. Auch im Hinblick auf unerwünschte Wirkungen gab es zwischen den beiden Gruppen keine auffallenden Unterschiede. Fatigue, Nausea, Kopfschmerzen, Bauch- und Magenschmerzen, Schwindel oder Mastodynie traten in etwa gleich häufig auf.

Limitationen der Studie

Das britische Science Media Center bat mehrere Experten um eine Einordnung der Ergebnisse. Dabei wurden einige Schwachstellen der Studie aufgedeckt. So etwa das Alter (rund 30 Jahre) und das Körpergewicht (BMI rund 21 kg/m²) der chinesischen Studienteilnehmerinnen, wodurch es fraglich sei, ob der Erfolg auch auf jüngere Frauen und solche mit höherem Gewicht übertragen werden könne. Das gab Dr. Janet Nooney, eine wissenschaftliche Sachverständige der britischen Arzneimittelbehörde MHRA, zu bedenken. 

Des Weiteren wies sie darauf hin, dass die Probandinnen die Notfallkonzeption früher einnahmen (im Median 18 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr) als dies üblicherweise in der Praxis der Fall ist. Auch machte sie darauf aufmerksam, dass Piroxicam mit schwerwiegenden gastrointestinalen Nebenwirkungen und seltenen, aber mög­licherweise tödlichen Hautreaktionen assoziiert ist. Dies könnte die Eignung der kombinierten Notfallkontrazeption für eine breitere Anwendung einschränken. 

Sie plädierte dafür, dass künftig in Studien untersucht werden sollte, ob ähnliche Effekte in breiteren Patientenkollektiven und mit alternativen nichtsteroidalen Antirheumatika erzielt werden könnten. Dr. Jane Barter, Präsidentin der Faculty of Sexual and Reproductive Healthcare in London, sieht in der Studie „das Potenzial, die Wirksamkeit der Notfallkontrazeption zu verbessern“. Dennoch erinnerte sie daran, dass neben den oralen Präparaten mit der Kupferspirale bereits ein effektives Notfallkontrazeptivum zur Verfügung steht.

Literatur

Li RHW et al. Oral emergency contraception with levonorgestrel plus piroxicam: a randomised double-blind placebo-controlled trial“ Lancet 2023, doi: 10.1016/S0140-6736(23)01240-0

Expert reaction to RCT of levonorgestrel taken with an anti-inflammatory drug (piroxicam) as an emergency contraceptive. Informationen des britischen Science Media Centers, 16. August 2023, www.sciencemediacentre.org/expert-reaction-to-rct-of-levonorgestrel-taken-with-an-anti-inflammatory-drug-piroxicam-as-an-emergency-contraceptive/


Dr. Petra Jungmayr, Apothekerin
redaktion@daz.online


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