Pistole auf die Brust

„Tag der Antworten“: Apotheken sollen am 27. September erneut schließen

Berlin - 06.09.2023, 13:45 Uhr

Nicht nur ABDA-Präsidentin Overwiening fordert Antworten vom Bundesgesundheitsminister. (Foto: ABDA/Wagenzik)

Nicht nur ABDA-Präsidentin Overwiening fordert Antworten vom Bundesgesundheitsminister. (Foto: ABDA/Wagenzik)


Die ABDA dreht weiter an der Eskalationsspirale: Sie hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sechs Fragen geschickt – Antworten soll er bei seinem Videokonferenz-Auftritt auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) geben. Es sollen allerdings nicht nur die DAT-Delegierten in den Genuss der Rede kommen. Damit alle Apothekerinnen und Apotheker den Worten des Ministers lauschen können, empfiehlt sie für den Zeitraum Apothekenschließungen.

Apothekenteams in ganz Deutschland schlossen am 14. Juni die Türen, Zehntausende gingen bundesweit auf die Straßen, nicht nur um auf ihre Belange, sondern auch auf die gefährdete flächendeckende Arzneimittelversorgung aufmerksam zu machen. Seither war es still geworden und nicht wenige fürchteten, dass der Auftrieb mit der parlamentarischen Sommerpause verpuffen könnte. Eine Postkartenaktion im Sommer, die Patientinnen und Patienten in die Eskalationsstrategie der ABDA einspannen sollte, wurde von vielen mit Argwohn betrachtet.

Bei der Vorstellung der Ergebnisse der Postkartenaktion machte die Standesvertretung jetzt aber klar, dass sie den Druck auf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) weiter erhöhen will: Die ABDA hat den 27. September zum „Tag der Antworten“ ausgerufen – und erneut vorübergehende Apothekenschließungen angekündigt. Das erklärte Präsidentin Gabriele Regina Overwiening am Mittwoch in Berlin. Am 27. September wird der Deutsche Apothekertag (DAT) in Düsseldorf eröffnet, der Gesundheitsminister will der Apothekerschaft dann seine Aufwartung machen, einen persönlichen Auftritt gewährt er zwar nicht, allerdings wird er per Videokonferenz zugeschaltet.

Allzu frei wird Lauterbach allerdings nicht über Belangloses reden können. Mit sechs Fragen, von Overwiening am Mittwoch vorgestellt, setzt die ABDA in einem Vorgriff die Agenda und dem Minister gewissermaßen die Pistole auf die Brust. Die Fragen, die sich um die Zukunft der Arzneimittelversorgung in Deutschland drehen, seien bereits mit der heutigen Post an den Minister verschickt worden, so die ABDA-Präsidentin.

Folgende Fragen will die Standesvertretung beantwortet haben:

  • Warum weigern Sie sich, die Honorierung der Apotheken nach mittlerweile elf Jahren Stillstand an die wirtschaftliche Gesamtentwicklung anzupassen, obwohl sich die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag die Stärkung der Apotheken vor Ort zum Ziel gesetzt haben?
  • Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass in Zukunft wichtige wirtschaftliche Faktoren, wie etwa die Inflation oder der Verbraucherpreisindex, in der Höhe des Apothekenhonorars regelmäßig berücksichtigt werden?
  • Wie und wann wird die Bundesregierung die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Versicherte Anspruch auf ein interprofessionelles Medikationsmanagement, wie im Modellprojekt ARMIN demonstriert, bekommen?
  • Wie will die Bundesregierung die Apotheken vor Ort dabei unterstützen, die flächendeckende Arzneimittelversorgung – auch in ländlichen Regionen – in Zukunft sicherzustellen?
  • Wie will die Bundesregierung den Schutz des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen den Heilberufen einerseits und den Patientinnen und Patienten andererseits gewährleisten, wenn die Krankenkassen, wie im Entwurf des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes vorgesehen, die Daten ihrer Versicherten patientenbezogen auswerten und diesen Hinweise zu Gesundheitsrisiken geben dürfen?
  • Warum ist die Bundesregierung nicht bereit, die einseitige Wirtschaftlichkeitsorientierung in der Arzneimittelversorgung (etwa im Rabattvertragsbereich) zurückzudrehen, um die Liefersituation endlich zu verbessern?

Damit nicht nur die DAT-Delegierten, sondern alle Apothekerinnen und Apotheker sich ein Bild von den Plänen des Gesundheitsministers machen können, wird über die Landesapothekerverbände empfohlen, zwischen 13 und 16 Uhr die Apotheken zu schließen. Die Standesvertretung stellt auf ihrer Webseite hierfür wie schon zum Apothekenprotest am 14. Juni Plakate zur Verfügung: „Wir bleiben geschlossen. Weil Lauterbach uns Antworten schuldet.“ Die Notdienstversorgung werde aber selbstverständlich aufrechterhalten. Proteste oder Kundgebungen soll es an dem Tag nicht geben. „Im Fokus steht der Minister und seine Rede“, so ABDA-Kommunikationschef Benjamin Rohrer auf der Pressekonferenz.

Die Rede kann auf der Webseite der ABDA am 27. September live verfolgt werden. Parallel dazu soll eine Umfrage laufen, bei der die Apothekerteams ihre Zufriedenheit oder eben ihren Unmut über die Rede des Ministers kundtun können. Lauterbach soll im Anschluss mit dieser Umfrage konfrontiert werden.

ABDA

Was, wenn Lauterbach keine Antworten gibt?

Sollte es keine Antworten vom Minister geben, sei in der Konsequenz „alles denkbar“, so Overwiening auf eine Nachfrage. Man arbeite an Lösungen, es gebe viele Ideen. Sollte der Minister allerdings dem DAT fern oder Antworten schuldig bleiben, wäre dies das „Eingeständnis des absoluten Scheiterns“. Sie wies zudem darauf hin, dass für den Freitag zum Abschluss des DAT ein weiteres „Highlight“ vorgesehen sei. Eine Diskussionsrunde solle nochmal „unsere Macht, unsere Geschlossenheit, unseren Nachdruck“ zeigen. Genaueres wollte sie nicht verraten.

Gemeinsame Protestaktionen mit Ärzteschaft möglich

Bei der Vorstellung der Ergebnisse der Postkartenaktion erklärte Overwiening, sie sei „gerührt und begeistert von den vielen, sehr persönlichen Worten von Kindern, Frauen und Männern, die ihre ganz eigene Sicht auf die Apotheke vor Ort“ aufgeschrieben hätten. Die Aussagen hätten deutlich gemacht, „dass die Bevölkerung auf uns nicht verzichten kann und will“. Sie gehe davon aus, dass etwa eine halbe Million Patientenaussagen vorliegen würden. Allerdings sei die Aktion noch nicht final ausgezählt. Erste Eindrücke kann man sich auf der Webseite der ABDA schon holen.

Auf Nachfrage sagte Overwiening zudem, dass man wegen gemeinsamer Protestaktionen im Herbst mit der Ärzteschaft in Kontakt stehe. Beide Heilberuflergruppen würden vom Gesundheitsminister „nicht wertgeschätzt“. Die Bereitschaft sei groß, zusammen etwas zu veranstalten.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


19 Kommentare

ABDA-TV-Empfehlung

von Dr. Dietmar Roth, Rottenburg am 07.09.2023 um 14:56 Uhr

Die Fernsehempfehlung der ABDA befremdet mich nicht wenig.
Herr. Prof. Lauterbach bekommt so auf ABDA-TV Aufmerksamkeit, die ihm gar nicht zu steht.
Sieht so Eskalation aus?





» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Streik?

von Stella Lenze am 07.09.2023 um 14:50 Uhr

Wieso immer Mittwoch? Wieso lächerliche 3 Stündchen?
Ich bin doch tatsächlich noch so eine altmodische Apotheke, die Mittwoch Nachmittags schließt, ergo bekommt keiner meiner Kunden ( wieder mal) irgendwas mit.
Ich mache tatsächlich auch noch Betreibsferien!! Ja ja!!!
Ich informiere meine Kunden darüber und genau so wie bei den Ärzten, gehen meine Kunden los und bevoraten sich entsprechend. Dat funktioniert tatsächlich!!! Ja ja!!
Deshalb meine Forderung: STREIK EINE WOCHE LANG oder bis Lauterbach mal endlich Kohle locker macht. Nur dafür braucht man den besagten A.... in der Hose. Ich bin dabei!! Diese armselige Pillepalle mit ein paar Stündchen hier und da ist doch einfach lächerlich und peinlich. Um IHM zuzuhören ?? Nein danke!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

@ABDA - Die 7. Frage fehlt noch

von Alfons Neumann am 07.09.2023 um 1:21 Uhr

Warum wird Apotheken vor Ort, die im Gegensatz zum Versandhandel jede Menge defizitäre Arbeit leisten müssen, nicht mal ein Honorar in Höhe der vom Staat in voller Höhe (!) erhobenen Mehrwertsteuer zugestanden ??

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: @ABDA - Die 7. Frage fehlt noch

von Marc Raddatz am 07.09.2023 um 9:25 Uhr

Sehr geehrter Herr Neumann,

das Warum dürfte klar sein. Wenn die Mitglieder des Bundestags quasi darum betteln, dass die Apothekerschaft endlich aufsteht und protestiert, dies aber nach wie vor unterlässt gibt es keinen Grund, dass die Politik etwas ändert.

Daher bitte ich Sie eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an info@vor-ort-apotheken.de zu senden mit dem Betreff: "Streik Jetzt"

Vielen Dank

Ultimatum

von Dr. Radman am 06.09.2023 um 20:12 Uhr

Auch wir, die Basis sollten der Abda ein Ultimatum stellen. Wenn bis Ende des Jahres 23 keine Honorarerhöhung in Sicht ist , werden wir den Rücktritt des gesamten Vorstandes fordern. Ansonsten werden wir sämtliche Beiträge einstellen. Wir haben keine Angst mehr vor Konsequenzen.Auch nicht vor Klagen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Ultimatum

von Alfons Neumann am 07.09.2023 um 1:41 Uhr

"keine Honorarerhöhung in Sicht ist" sollte ersetzt werden durch "konkrete Honorarerhöung, die auch die mittlerweile seit AMNOG fehlenden 20 Jahren annerkennt, beschlossen ist"

AW: Ultimatum

von Marc Raddatz am 07.09.2023 um 9:02 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr. Radmann,

vielen Dank für die klaren Worte und Ihre kämpferische Einstellung.
Ich bitte Sie eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an info@vor-ort-apotheken.de zu senden mit dem Betreff: "Streik Jetzt"

Vielen Dank

Lauterbach

von Gregor Huesmann am 06.09.2023 um 18:49 Uhr

Uns und auch der ABDA muss doch klar sein, dass Herr Lauterbach auf unsere Fragen nicht antworten wird. Er läßt sich doch nicht erpressen und macht sich zum Hannepampel. Vielleicht ist das ja der Plan der ABDA um weitere Geschütze aufzufahren.
Hoffentlich hat man sich das im Apothekerhaus gut überlegt.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Lauterbach

von Marc Raddatz am 07.09.2023 um 9:01 Uhr

Sehr geehrter Herr Huesmann,

die ABDA hat uns bisher mitgeteilt, sie habe einen Masterplan, jetzt teilt sie mit, dass sie viele Ideen haben und einen Plan B entwickeln. Herr Lauterbachs Antworten sind bekannt. Die ABDA muss die willige Apothekerschaft jetzt in den Kampf führen.

Daher bitte ich Sie eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an info@vor-ort-apotheken.de zu senden mit dem Betreff: "Streik Jetzt"

Vielen Dank

Eskalationsstufe

von Kleiner Apotheker am 06.09.2023 um 17:17 Uhr

Am 14. Juni hatten wir den ganzen Tag zu und nun Mittwoch von 13 bis 16 Uhr.
Jeden Mittwoch?
Ab 13 Uhr zu und fertig?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Eskalationsstufe

von Marc Raddatz am 07.09.2023 um 8:57 Uhr

Sehr geehrter "Kleiner Apotheker",

wenn die Apotheken Mittwochs Nachmittags schließen, um am Mundwinkel von Herrn Lauterbach zu kleben, ist dies kein Protest, sondern eher ein Bild der Hilfslosigkeit.

Daher bitte ich Sie eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an info@vor-ort-apotheken.de zu senden mit dem Betreff: "Streik Jetzt"

Vielen Dank

OTC Preise

von Dr. Schweikert-Wehner am 06.09.2023 um 17:05 Uhr

Solange einige Kollegen die OTC Arzneimittel verscherbeln und damit in Hochglanzbroschüren werben, sind wir unglaubwürdig und es wird sich nichts ändern.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: OTC Preise

von Marc Raddatz am 07.09.2023 um 8:55 Uhr

Sehr geehrte/r Frau/Herr Dr. Schweickert-Wehner,

die Vor-Ort-Apotheken werden von allen Seiten unter Beschuss genommen und flüchten sich dadurch in Preisschlachten, die sie langfristig nur verlieren können. Sie Pharmazeuten sind qualifizierte Arzneimittelexperten, kein Discounter. Wir müssen Ihre Qualifikation wieder in den Vordergrund des Diskurses stellen.

Daher bitte ich Sie eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an info@vor-ort-apotheken.de zu senden mit dem Betreff: "Streik Jetzt"

Vielen Dank

Lauterbach

von Conny am 06.09.2023 um 15:25 Uhr

Herr Lauterbach wird zugeschaltet, die Delegierten stehen auf und verlassen den Saal. So kommt man in die Nachrichtensendungen und in die Presse. Dazu müsste man natürlich einen Arsch in der Hose haben, den ich bei den Delegierten noch nie entdeckt habe.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Lauterbach

von Marc Raddatz am 07.09.2023 um 8:51 Uhr

Sehr geehrte "Conny",

Herr Lauterbach hat bereits seine Antworten gegeben. Ein weiteres Abwarten führt nur dazu, dass die Ärzte den Apothekerinnen wieder zuvor kommen. Die Basis muss dies verhindern.

Daher bitte ich Sie eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an info@vor-ort-apotheken.de zu senden mit dem Betreff: "Streik Jetzt"

Vielen Dank

Was soll das bringen?

von Rainer W. am 06.09.2023 um 15:17 Uhr

Was soll es bringen, wenn wir die Motivation hinter dem Honorarstillstand erfahren? Solange wir keinen Druck aufbauen wird nichts passieren.

Der Gesundheitsminister wird einfach sagen "es gibt kein Geld". 500 Millionen für Gesundheitskioske? Kein Problem. 800 Millionen für Ärzte? Klaro. Den Apotheken während der höchsten Inflation seit dem 2. Weltkrieg das Honorar kürzen? Schon erledigt.

Mittwoch 2 Stunden streiken? Um dem GM zuzuhören? Da mach ich doch ab jetzt glatt Sonntags zu und nenn es Apothekenstreik.

Ich warte immer noch auf die Eskalation...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Was soll das bringen

von Marc Raddatz am 07.09.2023 um 8:48 Uhr

Sehr geehrter Herr W.,

wenn wir weiterhin abwarten wird es weitere 20 Jahre dauern bzw. in 20 Jahren keine Apotheken mehr geben.

Daher bitte ich Sie eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an info@vor-ort-apotheken.de zu senden mit dem Betreff: "Streik Jetzt"

Vielen Dank

Tag der Antworten

von Roland Mückschel am 06.09.2023 um 14:02 Uhr

Es sind 20 Jahre Honorarstillstand!
ZWANZIG!

Bitte keinen Mittwoch.

Ansonsten : Weitermachen, gut so.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Tag der Antworten

von Marc Raddatz am 07.09.2023 um 8:47 Uhr

Sehr geehrter Herr Mükschel,

die ABDA wird auch am 27.09.2023 nichts unternehmen, wenn dies die Basis nicht von ihr einfordert. Daher bitte ich Sie eine E-Mail mit Ihren Kontaktdaten an info@vor-ort-apotheken.de zu senden mit dem Betreff: "Streik Jetzt"

Vielen Dank

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.