Apothekerverband Nordrhein

AVNR-Chef Preis befürchtet erneut dramatische Engpässe

Berlin - 07.09.2023, 13:45 Uhr

Thomas Preis, Vorsitzender des AVNR. (Foto: Schelbert)

Thomas Preis, Vorsitzender des AVNR. (Foto: Schelbert)


Der Apothekerverband Nordrhein erwartet auch im kommenden Winter eine „dramatische Lieferengpasssituation“ bei Arzneimitteln. Das machte AVNR-Chef Thomas Preis beim Sommerfest des Verbandes deutlich. Eilig importierte Ware komme oft unter Vernachlässigung von Sicherheitsaspekten in die Versorgung. Für Preis sind dies „unhaltbare Verhältnisse“ – zumal der Aufwand, den die Engpässe den Apotheken bescheren, nur mit einem Almosen vergütet wird.

Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein (AVNR), begrüßte beim gestrigen Sommerempfang des Verbandes über 100 Gäste aus dem Gesundheitswesen, der Politik und der Verwaltung. Und seine Botschaft an sie war bedrückend: „Die Arzneimittelversorgung von Kindern und Babys im kommenden Winter hängt am seidenen Faden, einem immer dünner werdenden Faden“, erklärte er laut einer Pressemitteilung des Verbandes. „Was das bedeutet, können die Menschen jetzt schon bei der Abholung von Medikamenten in unseren Apotheken tagtäglich erleben.“

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Auch wenn es durchaus Maßnahmen gibt, um die Engpässe auszubügeln – auch sie haben ihre Haken. Das ist bereits im Sommer zu spüren. Preis schilderte: „Immer mehr Medikamente werden per Sonderzulassung aus dem Ausland in hektischer Weise importiert und zugelassen. Und das unter außer Acht lassen jeglicher Sicherheitsaspekte“. So gebe es für sie zuweilen keine oder mit KI übersetzte Beipackzettel, die nur der Zulassung des Ursprungslands entsprächen. Kinderantibiotika kämen ohne Dosierlöffel, Asthmamittel in komplett französischer Aufmachung – aber mit Rabattvertrag! Dies seien nur einige Beispiele dieser „unhaltbaren Verhältnisse“, kritisierte Preis. Die Apothekenteams bangten von Tag zu Tag mehr, eine leitliniengerechte und sichere Arzneimitteltherapie der Patienten sicherstellen zu können, betonte er. Preis sieht auch keinen Lichtblick: „Die Arzneimittelversorgung verschlechtert sich weiter.“ So seien die Lieferengpässe gemäß BfArM-Liste innerhalb eines Jahres um über 25 Prozent auf aktuell über 500 angestiegen; innerhalb von fünf Jahren sogar um über 150 Prozent.

Enormer Aufwand für Apotheken

Diese Zahlen klingen bereits besorgniserregend – und spiegeln laut Preis doch nicht das wahre Ausmaß der Engpässe wider. Viele fehlende Arzneimittel würden in dieser Liste nämlich gar nicht erfasst. Der AVNR geht von mehreren Tausend nicht lieferbaren Arzneimitteln aus. Eine eigene Umfrage im ersten Quartal dieses Jahres habe gezeigt, dass mittlerweile jedes zweite Rezept von Lieferengpässen betroffen sei. Um die Patientinnen und Patienten dennoch versorgen zu können, brauche es in den Apotheken einen hohen Personalaufwand. Dass das kürzlich in Kraft getretene Engpassgesetz (ALBVVG) für das Lieferengpass-Management der Apotheken „ein lächerliches Almosen von 50 Cent“ vorsehe, sei eine „Beleidigung für uns als ApothekerInnen und unsere Teams“, stellte Preis klar. Er verwies erneut auf ABDA-Berechnungen, wonach der jährliche Gesamtstundenaufwand für das Management der Engpässe rund 5,62 Millionen Stunden betrage.

Die Situation ist also prekär. Verschärft wird sie durch das seit mehr als zehn Jahren stagnierende Apothekenhonorar und den seit Februar erhöhten Kassenabschlag. Das Geld fehle zur Versorgungssicherung und bei der Nachwuchsgewinnung, betonte Preis. Er forderte daher Politik und Krankenkassen erneut nachdrücklich auf, die Apotheken nicht kaputtzusparen und das Fixhonorar endlich zu erhöhen. Denn die schlechte wirtschaftliche Lage mache sich auch durch zunehmende Apothekenschließungen bemerkbar. Aktuell gebe es bundesweit nur noch 17.825 (Stand: 30. Juni 2023) Apotheken, 2009 seien es noch über 20 Prozent mehr gewesen. Im Rheinland werde es zum Jahresende sehr wahrscheinlich weniger als 2.000 Apotheken geben. Aktuell seien es 2.027, 2009 habe man noch 2.507 gezählt.

Preis macht die Folgen deutlich: „Immer weniger Apotheken, die zusätzlich auch unter einem extremen Fachkräftemangel leiden, müssen immer mehr Menschen versorgen – auch weil die Bevölkerungszahl in Deutschland entgegen der Prognosen weiter angestiegen ist.“


Deutsche Apotheker Zeitung
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