Neue Produktgruppe 30

Hilfsmittel-Chaos – welche Lösungen bieten Barmer, TK und KKH an?

Berlin - 07.09.2023, 11:45 Uhr

Für eine Insulintherapie benötigen Diabetiker verschiedene Hilfsmittel. (Foto AdobeStock / zakalinka)

Für eine Insulintherapie benötigen Diabetiker verschiedene Hilfsmittel. (Foto AdobeStock / zakalinka)


Versicherte bestimmter Krankenkassen wie TK, KKH und Barmer, die Hilfsmittel zur Insulintherapie benötigen, könnten aktuell in den Apotheken auf ungewohnte Hürden stoßen: Seit 1. September ist wegen einer Umgruppierung der Produktgruppen im Hilfsmittelverzeichnis für Lanzetten und Co. für diese und andere Kassen kein Preis mehr hinterlegt. Die DAZ wollte von den drei genannten Kostenträgern wissen, wann die nötigen Vertragsanpassungen erfolgen sollen und welche kurzfristigen Lösungen sie sehen.

Die neue Produktgruppe 30 (PG 30) sorgt für Unruhe in den Apotheken: Seit 1. September ist bei einigen Krankenkassen für bestimmte Hilfsmittel in den Warenwirtschaftssystemen kein Preis mehr hinterlegt – für die Apothekenteams, die zum Beispiel Lanzetten an Menschen mit Diabetes mellitus abgeben möchten, bedeutet das einen enormen Mehraufwand und oftmals schwierige Gespräche an den HV-Tischen.

Hintergrund ist, dass der GKV-Spitzenverband zum 1. Juni 2023 das Hilfsmittelverzeichnis fortgeschrieben und in diesem Zuge die besagte PG 30 neu geschaffen hat. Darunter fallen Hilfsmittel zum Glukosemanagement, die zuvor den Produktgruppen 03 (Applikationshilfen) oder 21 (Messgeräte für Körperzustände/-funktionen) zugeordnet waren. Zum 1. September haben nun nach ABDATA-Angaben insgesamt rund 2.900 Pharmazentralnummern eine neue Abrechnungsnummer erhalten, da sie jetzt der Produktgruppe 30 zuzuordnen seien.

Wie der Apothekerverband Schleswig-Holstein (AVSH) kürzlich erläuterte, ist mit der Umgruppierung in einigen Fällen eine Umwidmung verbunden, was eine Anpassung aller Hilfsmittelverträge nötig macht. Während manche Krankenkassen bereits reagiert und ihre Hilfsmittelverträge auf den neuesten Stand gebracht haben, akzeptieren andere zunächst das Fortgelten der aktuellen Regelungen der PG 03 und 21 auch für die neue PG 30.

Einige Kassen haben jedoch bis zum Stichtag 1. September nicht auf die neuen Begebenheiten reagiert, darunter die Techniker Krankenkasse (TK), die Barmer und die KKH. Für diese Kostenträger sind seit dem 1. September 2023 keine Preisberechnungen für zum Beispiel Penkanülen und Lanzetten zur Insulintherapie in der Warenwirtschaft hinterlegt. Der AVSH empfiehlt, bis zur Klärung Kostenvoranschläge einzureichen – sonderlich praktikabel scheint das nicht zu sein, insbesondere nicht für solche Betriebe, die viele Diabetiker versorgen. Die DAZ hat nachgefragt: Wie wollen die drei genannten Kassen mit der aktuellen Situation umgehen?

Es bleibt erst einmal beim Alten

TK und KKH antworteten kurz und knackig: Beide wollen bis zur endgültigen Klärung den bekannten Vorgaben treu bleiben. „An unserem Abrechnungsverfahren hat sich nichts geändert“, schreibt etwa die TK. „Apotheken können wie bisher mit den alten Abrechnungsziffern mit uns abrechnen. In Zusammenarbeit mit dem DAV wird die endgültige Umstellung erfolgen.“ Auch die KKH will die Produktgruppen 03 und 21 weiterhin gelten lassen. „Die Positionsnummern/Produkte sind weiterhin in der PG 03 bzw. PG 21 gelistet“, betont eine Sprecherin. „Es besteht gar keine Verpflichtung, zum jetzigen Zeitpunkt bereits die neuen Positionsnummern zu verwenden.“ Im Laufe des Monats September wolle man bezüglich der Aktualisierung des gemeinsamen Rahmenvertrags nach § 127 SGB V auf den Deutschen Apothekerverband (DAV) zugehen.

Software-Rücksetzung nicht möglich

Auch die Barmer äußert sich auf DAZ-Nachfrage. „Die Apotheken können nach den bisherigen Vertragskonditionen abrechnen“, schreibt ein Sprecher. Die weiteren Ausführungen lassen jedoch vermuten, dass es im Hintergrund einige Mühen gekostet haben dürfte, sich mit dem DAV zu einigen. „Basierend auf einem Gespräch am 4. September 2023, hatten wir uns mit dem DAV darauf verständigt, dass die Apotheken-Software zum 1. Oktober 2023 wieder auf die Produktgruppen 03 und 21 zurückgestellt wird“, heißt es weiter. „Gestern Vormittag (Anm. der Redaktion: 6. September 2023) haben wir aufgrund eines Hinweises beim DAV nachgefragt und erfahren, dass eine technische ‚Rücksetzung‘ der Software auf die Produktgruppen 03 und 21 doch nicht möglich sei.“

Daraufhin habe man eine schnelle Lösung des Problems gesucht und letztlich auch gefunden. „Dazu haben wir der kurzfristigen Umgruppierung der Produktgruppen PG 03 und 21 in die Produktgruppe 30 ‚Hilfsmittel zum Glukosemanagement‘ zugestimmt, sodass ab Oktober rückwirkend zum 1. September 2023 die Umstellung erfolgen und die Abrechnung wie gewohnt stattfinden kann“, erläutert der Barmer-Sprecher. Für die Apotheken ist das eine gute Nachricht – denn: „Das Einreichen unnötiger Kostenvoranschläge kann entfallen.“

Diese Lösung greife deutlich schneller als das eigentlich übliche Verfahren nach Abschluss der Produktlistung im Hilfsmittelverzeichnis, das erst zu Anfang des kommenden Jahres abgeschlossen sein dürfte. Denn im Zuge der Neuordnung habe der GKV-Spitzenverband alle Hersteller von Produkten zum Glukosemanagement, die bisher hin PG03 und PG21 gelistet waren, angeschrieben, um in weiteren Verfahren mögliche Umgruppierungen vorzunehmen. „Ein festes Abschlussdatum der Umgruppierung existiert nicht, da jedes Verwaltungsverfahren für sich bearbeitet wird.“

„Gute Sonderlösung“

Der Barmer liegen nach eigenen Angaben zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht alle neuen Positionsnummern vor, sodass eine Anpassung der Verträge noch nicht final erfolgt ist. „Sobald sämtliche vertraglich geregelten Hilfsmittel in die PG 30 übertragen wurden, wird die Barmer in Zusammenarbeit mit ihren Vertragspartnern eine Anpassung der Verträge vornehmen“, kündigt der Kassensprecher an. Doch so lange müssen die Apotheken glücklicherweise nicht warten: Mit der geschilderten Übergangslösung „bieten wir dem DAV und seinen Mitgliedsapotheken also eine gute Sonderlösung an, der der DAV zwischenzeitlich zugestimmt hat“.

Lage entspannt sich bei allen Ersatzkassen

Derweil scheint sich die Lage übrigens nicht nur bei TK, KKH und Barmer zu entspannen: Der DAV berichtet auf DAZ-Nachfrage, inzwischen hätten alle Ersatzkassen erklärt, die vertraglichen Vereinbarungen der PG 03 und PG 21 auch für die neue PG 30 ab 1. September akzeptieren zu wollen. Dazu zählen neben den drei genannten Kostenträgern auch DAK, hkk und HEK. Allerdings werden demnach die vertraglichen Regelungen in der Warenwirtschaft mit Ausnahme der DAK aktuell noch nicht vollständig angezeigt. „Die technische Umsetzung hierfür ist für den 1. Oktober 2023 geplant.“


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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