Reizmagen

Pfefferminz- und Kümmelöl statt Iberogast?

Stuttgart - 15.09.2023, 09:15 Uhr

Wenn der Arzt oder die Ärztin keine organische Ursache für Bauchschmerzen oder Völlegefühl findet, kann die Ausschlussdiagnose „Reizmagen“ gestellt werden. (mi_viri / AdobeStock)

Wenn der Arzt oder die Ärztin keine organische Ursache für Bauchschmerzen oder Völlegefühl findet, kann die Ausschlussdiagnose „Reizmagen“ gestellt werden. (mi_viri / AdobeStock)


Bei funktioneller Dyspepsie reduzieren Pfefferminz- und Kümmelöl sowie Kurkuma „wahrscheinlich“ und „mäßig stark“ die Beschwerden der Patienten. Wie sieht es mit Iberogast aus?

Die Diagnose „funktionelle Dyspepsie“ stellen Ärzt:innen, wenn sie für die von Patient:innen berichteten Beschwerden – wie Bauchschmerzen, Völlegefühl, ein brennendes Gefühl im Oberbauch – keine organischen Ursachen finden. Welche pflanzlichen Präparate lindern einen Reizmagen, erhöhen die Lebensqualität der Patient:innen, sind zudem gut verträglich und nebenwirkungsarm? Mit dieser Frage beschäftigte sich ein Kreis von Cochrane-Wissenschaftler:innen; sie haben ihre Ergebnisse nun (Juni 2023) in einem Review veröffentlicht – mit dabei auch ein „Apotheken-Klassiker“: Iberogast®

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Insgesamt sichteten die Cochrane-Autor:innen 41 Studien zu 27 pflanzlichen Präparaten (die nicht Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin sind) mit 4.477 Reizmagen-Patient:innen. Die Studiendauer umfasste 15 Tage bis zwölf Wochen, meistens wurde gegen Placebo getestet. Hingegen fanden die Wissenschaftler:innen nur wenige vergleichende Untersuchungen, in denen die Pflanzenpräparate gegen andere Arzneimittel, wie den Protonenpumpenhemmer (PPI) Omeprazol, geprüft worden waren.

Am ehesten zu Pfefferminz- und Kümmelöl sowie Kurkuma raten

Die überzeugendsten Daten recherchierten die Cochrane-Autor:innen zu Pfefferminzöl, Kümmelöl und Kurkuma: Pfefferminz- und Kümmelöl sowie Kurkuma verringern ein Monat nach Anwendung „wahrscheinlich“ und „mäßig bis stark“ die Symptome einer funktionellen Dyspepsie und erhöhen das Wohlbefinden der Patient:innen. Zudem sind dem Review zufolge die ätherischen Öle wie auch Kurkuma gut verträglich und unterscheiden sich in Bezug auf die Nebenwirkungen kaum bis gar nicht von den Placebopräparaten. Die Evidenz dieser Daten bewerten die Wissenschaftler:innen mit „moderat“.

Iberogast hilft „möglicherweise“

Nicht ganz so gut schnitt das apothekenpflichtige Arzneimittel Iberogast® ab. Iberogast® Classic kombiniert Angelikawurzel, Mariendistelfrüchte, Kümmel, Schöllkraut, Süßholzwurzel, Schleifenblume, Kamillenblüten, Melissen- und Pfefferminzblätter und ist zugelassen für Kinder ab drei Jahren, Jugendliche und Erwachsene, bei „funktionellen und motilitätsbedingten Magen-Darm-Erkrankungen wie Reizmagen- und Reizdarmsyndrom sowie zur unterstützenden Behandlung der Beschwerden bei Magenschleimhautentzündung (Gastritis)“ (Fachinformation Iberogast® Classic; Stand: November 2021). Dem aktuellen Cochrane-Review – der für Iberogast® sechs Studien mit 970 Teilnehmer:innen berücksichtigte – zufolge lindert das Phytopharmakon die Beschwerden einer funktionellen Dyspepsie nur „möglicherweise“ stärker als Placebo. Die Lebensqualität der Patient:innen sei „möglicherweise“ nicht höher als unter Placebo, die Nebenwirkungen jedoch „ähnlich“.

Wie sieht es mit anderen Pflanzen aus?

„Möglicherweise hilfreich“ und einen Reizmagen lindern können laut Cochrane auch andere Pflanzen: Artischocke (Cynara scolymus), Echter Schwarzkümmel (Nigella sativa) – Schwarzkümmel sogar mit hoher Evidenz –, Chinesischer Ingwer (Boesenbergia rotunda), die Pacari-Pflanze (Lafonesia pacari), Wilde Pistazie (Pistazie lenticus), Ferula asafoetida (Asant), Anis (Pimpinella anisum), Süßholzwurzel (Glycyrrhiza glabra) – Süßholzwurzel mit moderater Evidenz –, Cuadrania tricuspidata (Seidenraupenbaum) und roter Pfeffer.

Zimtöl nicht wirksam

Eine Behandlung mit Zimtöl und der Polei-Minze (Mentha pulegium) war in den Studien hingegen kaum oder gar nicht wirksam. Und es gibt sogar Pflanzen, die den Daten zufolge kontraproduktiv sind und dyspeptische Beschwerden noch verschlimmern können – so die Rossminze (Mentha longifolia). Bei der Verträglichkeit konnten die meisten Pflanzen punkten, die Nebenwirkungen seien fast immer vergleichbar mit der von Placebo gewesen, berichten die Autor:innen. Einzige Ausnahme bildet hier der rote Pfeffer, dessen Anwendung mit einem höheren Risiko für unerwünschte Wirkungen einherging.

In der Kürze liegt die Würze

Wahrscheinlich lindern Pfefferminz- und Kümmelöl sowie Kurkuma die Symptome eines Reizmagens, und auch Iberogast® hilft möglicherweise. Bei vergleichenden Studien mit zum Beispiel Omeprazol schnitten lediglich die ätherischen Öle besser ab als der PPI.


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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