Proteinshakes und mittelkettige Fettsäuren

Was hilft beim Eiweißverlustsyndrom?

Stuttgart - 04.10.2023, 09:15 Uhr

Beim Eiweißverlustsyndrom verliert der Körper über den Magen-Darm-Trakt große Mengen an Protein. (Foto: Win Nondakowit / AdobeStock)

Beim Eiweißverlustsyndrom verliert der Körper über den Magen-Darm-Trakt große Mengen an Protein. (Foto: Win Nondakowit / AdobeStock)


Proteine werden im Magen aufgespalten und im Dünndarm aufgenommen. Bei einigen Erkrankungen jedoch verlieren die Betroffenen über den Gastrointestinaltrakt große Mengen des Makronährstoffes. Dieses Krankheitsbild wird als Eiweißverlustsyndrom oder exsudative Gastroenteropathie bezeichnet. Je nach Ursache können mittelkettige Fettsäuren helfen.

Physiologisch verliert der Körper täglich circa 1 bis 4 g Protein durch Drüsensekrete oder absterbende Zellen. Beim Eiweißverlustsyndrom ist der enterale oder gastrale Verlust um ein Vielfaches erhöht und kann nicht mehr – durch „normale“ Ernährung oder gesteigerte Rückresorption – ausgeglichen werden. Der pathologische Übertritt von Eiweißstoffen ins Darmlumen oder in den Magen führt zur Hypoproteinämie, hauptsächlich mangelt es im Blut an Albumin und Globulinen. Das Eiweißverlustsyndrom begünstigt Ödeme und verschlechtert unbehandelt die allgemeine Prognose. Neben Ödemen können weitere Symptome auftreten, wie Diarrhö, Fieber sowie diffuse Bauchschmerzen [1].

Wird die Grunderkrankung behandelt, bessert sich auch die Enteropathie. Generell sollte versucht werden, den Proteinverlust über das Essen und gegebenenfalls Substitution auszugleichen, z.B. mit Proteinshakes. [1, 2]

Mögliche Grunderkrankungen

Verschiedene Erkrankungen können zum enteralen Eiweißverlust führen, am häufigsten sind wohl Patient:innen mit entzündlichen Veränderungen der Darmwand und/oder der Mukosa betroffen, z. B. bei 

  • Morbus Crohn,
  • Colitis ulcerosa oder
  • eosinophiler Colitis.

Bei letzterer sekretieren eosinophile Granulozyten vermehrt Zytokine, die die Darmwand durchlässiger machen. Typischerweise ist diese Erkrankung mit Nahrungsmittelallergien verbunden.

Außerdem kann die exsudative Enteropathie bei neoplastischen Veränderungen des Darms und bei Polyposis-Erkrankungen (Vorhandensein von multiplen Polypen) auftreten, wie insbesondere beim seltenen Cronkhite-Canada-Syndrom. Bei ischämischen Darmerkrankungen und nach einer Strahlentherapie (Strahlenenteritis) ist es ebenfalls möglich, dass Proteine durch die geschädigte Darmwand ins Lumen übertreten [1, 2].

Enteraler Lymphabfluss gestört – mittelkettige Fettsäuren helfen

Wird der Lymphfluss in oder in der Nähe der Darmwand gestört, treten durch den erhöhten Druck Proteine aus den Gefäßen in das Lumen über. Das kann der Fall sein bei Lymphangiektasien (pathologische Dilatation von Lymphgefäßen) und anderen Störungen des Lymphabflusses (Tumore, Entzündungen). Auch Infektionen des Dünndarms mit dem Stäbchenbakterium Tropheryma whipplei können zu Lymphangiektasien mit Eiweißverlustsyndrom führen.

Bei bestimmten Operationsverfahren von kongenitalen Herzfehlern kann es nach dem Eingriff zum Proteinverlust über Lymphgefäße des Darms kommen: Hauptsächlich bei diastolischem Druckanstieg im rechten Vorhof wird der venöse Rückfluss ins rechte Herz reduziert. Das führt zu Rückstau von Blut in beiden Hohlvenen. Dadurch nimmt der lymphatische Druck zu, wodurch Proteine ins Darmlumen „gepresst“ werden [2, 3].

Wenn der Pathomechanismus der exsudativen Enteropathie in einem erhöhten Lymphdruck begründet liegt, kann eine Ernährungsintervention Abhilfe schaffen: Eine extrem fettarme Ernährungsweise, die mittelkettige Triglyceride (Fettsäuren mit 7 bis 12 Kohlenstoffatomen) bevorzugt, entlastet das Lymphsystem. Diese mittelkettigen Fettsäuren werden im Darm an Proteine gebunden und über das Pfortadersystem direkt zur Leber transportiert (nicht über das Lymphsystem). Diese Fettsäuren sind enthalten in Kokosfett, Kokosnussöl und Palmkernöl. Auch Ziegenbutter und -käse sind gute Quellen. Eine „high-protein und low-fat“ Ernährungsweise sollte mehr als 2 g Protein pro kg Körpergewicht am Tag und weniger als 25 g Fett umfassen [1, 2].

Diagnose mit α1-Antitrypsin

Differenzialdiagnostisch müssen bei vorliegender Hypoproteinämie Nierenkrankheiten mit Proteinurie, hepatischem Synthesemangel und Malnutrition ausgeschlossen werden.

Als Diagnosekriterium für das enterale Eiweißverlustsyndrom wird α1-Antitrypsin aus dem Stuhl gemessen. Dieser Proteinaseinhibitor gelangt analog zum etwa gleich großen Blutprotein Albumin in den Darm und ist dank seiner antiproteolytischen Eigenschaft weitgehend geschützt vor bakterieller Zersetzung [1, 3].

Wenn der Magen betroffen ist

Das gastrale Einweißverlustsyndrom (massiver Proteinverlust über den Magen) kommt seltener als das enterale vor, und kann beispielsweise durch eine Ulkuserkrankung oder die schleimhautvergrößernde Krankheit Morbus Ménétrier (Riesenfaltenmagen) ausgelöst werden.

Erkrankungen, die eine exsudative Gastroenteropathie auslösen können, sind Lebererkrankungen, die Autoimmunkrankheit Lupus erythematodes, die Bindegewebserkrankung Sarkoidose, Lymphome des Magen-Darm-Traktes und Perikarditis [1].

Literatur

[1]  Oehler G, Dageförde J. Exsudative Enteropathie Eiweißverlustsyndrome des Gastrointestinaltraktes. Ernährungs Umschau 2007, www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2007/11_07/EU11_676_678.qxd.pdf

[2] Levitt DG et al. Protein losing enteropathy: comprehensive review of the mechanistic association with clinical and subclinical disease states. Clinical and Experimental Gastroenterology 2017, www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5522668/pdf/ceg-10-147.pdf

[3]  Ozen A, Lenardo MJ. Protein-Losing Enteropathy. Nejm 2023, www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMra2301594


Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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