Parteiencheck

Landtagswahlen Hessen: Wie stehen die Parteien zu den Apotheken?

Berlin - 05.10.2023, 17:50 Uhr

Die Apothekerschaft macht im hessischen Wahlkampf Stimmung: Protest am 2. Oktober in Frankfurt am Main (Foto: HAV)

Die Apothekerschaft macht im hessischen Wahlkampf Stimmung: Protest am 2. Oktober in Frankfurt am Main (Foto: HAV)


In Hessen wird am Wochenende gewählt und einiges deutet darauf hin, dass es bei einer schwarz-grünen Landesregierung bleiben wird. Der Hessische Apothekerverband hatte die Situation für seinen Protest am 2. Oktober genutzt – Vertreterinnen und Vertreter der Landtagsfraktionen beteiligten sich an der Kundgebung in Frankfurt am Main. Aber wie stehen die Parteien zu den Forderungen der Apothekerschaft? Die DAZ schaute sich die Programme an und fragte nach.

Kaum Wechselstimmung, aber auch die Begeisterung für eine Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition hält sich in Grenzen: Am Wochenende wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. CDU und Ministerpräsident Boris Rhein liegen laut dem aktuellen ARD-Hessentrend mit 31 Prozent eindeutig vorne. Es folgen abgeschlagen, aber fast gleichauf, die Grünen mit Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir mit 17 Prozent, die SPD mit Spitzenkandidatin Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit 16 Prozent und die AfD mit 15 Prozent. Die FDP würde es mit sechs Prozent knapp in den Landtag schaffen, die Partei die Linke würde mit 4 Prozent rausfliegen.

Aller Voraussicht nach würde es also für weitere fünf Jahre Schwarz-Grün reichen. Allerdings fänden nur 31 Prozent der Befragten dies sehr gut oder gut. Eine Ampel-Koalition hingegen käme nicht auf die nötige Mehrheit, zudem fänden nur 17 Prozent dies sehr gut oder gut.

Der Hessische Apothekerverband (HAV) nutzte den Wahlkampf, um die Forderungen der Apothekerschaft aufmerksamkeitswirksam in der Öffentlichkeit zu platzieren und rief für den vergangenen Montag zu Schließungen und Protesten auf: Zahlreiche Apothekenteams folgten dem Verband. In Frankfurt am Main gab es eine zentrale Kundgebung, auch Vertreterinnen und Vertreter der Landtagsfraktionen traten auf. Der HAV war im Anschluss „überwältigt von der Resonanz des Protestaufrufs“.

Nachgehakt bei den Parteien

Aber was haben die Parteien nun bezüglich der Apotheken genau vor? Tauchen sie in ihren Wahlprogrammen überhaupt auf? Wie stehen sie zu den politischen Forderungen der Apothekerschaft? Die DAZ schaute sich die Programme an und hakte bei den einzelnen Parteien noch einmal nach. Die SPD antwortete leider nicht auf eine Anfrage.

CDU ganz ausführlich

Im Wahlprogramm der CDU tauchen Apotheken nicht auf. Es heißt darin aber, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Einkommen eine „optimale Gesundheitsversorgung erhalten“ sollen, und dass „die Sicherung von Fachkräften in den Gesundheitsberufen eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre“ sein wird. Auf Nachfrage erklärte die Partei dann, dass sie sicherstellen will, „dass weiter flächendeckend eine gute Versorgung mit Apotheken gewährleistet ist“.

In einer sehr ausführlichen Antwort legen die Christdemokraten dar, dass „die gesetzlichen Rahmenbedingungen eine auskömmliche Finanzierung der Vor-Ort-Apotheken ermöglichen“ müssen, „die die Leistungen vor Ort – Beratung und Unterstützung im Kundenkontakt, Notfallhilfe, Notdienste etc. – angemessen honoriert“. Die Regelungskompetenz für die „wesentlichen rechtlichen Stellschrauben für den Erhalt der Apotheken“ liege aber beim Bund, stellt die Partei in ihrer Antwort fest, um dann zu kritisieren: „Den Ankündigungen des Koalitionsvertrags hat die Ampel bisher keine spürbaren Taten folgen lassen. Im Gegenteil: Im Rahmen des GKV-Stabilisierungsgesetzes wurden einseitige Maßnahmen zu Lasten der Vor-Ort-Apotheken ergriffen, die den Erhalt der Apotheken erschweren. Dem stellen wir uns entgegen.“

Zu den Onlineversendern heißt es, es müsse eine „faire Regelung“ gefunden werden. „Dabei muss der Bund prüfen, ob dafür ein vollständiges Versandhandelsverbot von verschreibungspflichtigen Medikamenten zielführend ist, oder ob das Ziel mit einem milderen Mittel erreicht werden kann.“ Als Ansatz für eine Lösung wird in Betracht gezogen, „bestimmte Leistungen der Apotheken gesondert zu vergüten“.

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Bezüglich des Fachkräftemangels sieht die CDU als „Grundvoraussetzung“, dass alle Beschäftigten im Gesundheitswesen „mehr Wertschätzung und Respekt“ verdienen. Konkret heißt es beispielsweise zur Nachwuchsgewinnung bei den PTA, dass die CDU-geführte Landesregierung mit der Übernahme der Ausbildungskosten 2020 „einen wichtigen Schritt zur Stärkung“ unternommen habe. Überhaupt soll die Zahl der Medizin- und Pharmaziestudienplätze in dem Bundesland nochmals erhöht und „an den Bedarf der Zukunft“ angepasst werden. Darüber hinaus ist auch vorgesehen, Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen und Abschlüsse leichter anerkennen zu lassen.

Grüne auf Linie des Bundes 

Auch die Grünen erwähnen Apotheken in ihrem Wahlprogramm nicht. Auf Nachfrage wiederholen sie, dass sie in der Gesundheitspolitik „das geplante Vorgehen der Bundesregierung“ unterstützen und es „im Rahmen des landespolitischen Handlungsspielraums hessenspezifisch ausgestalten“ wollen. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang darauf, dass „die Arzneimittelversorgung durch Apotheken an integrierten Notfallzentren in unterversorgten Gebieten durch flexiblere Vorgaben in der Apothekenbetriebsordnung“ verbessert werden sollen. Das ist ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag der Berliner Ampel-Regierung, dessen Aussagen zu Apotheken von der Handschrift der Grünen geprägt sind. Und dazu passt wohl auch die vor kurzem vorgestellte Idee des Bundesgesundheitsministeriums bezüglich der „Apotheken light“ an. Erwähnt wird auch der Plan eines „Sicherstellungsfonds“ aus dem Koalitionsvertrag. „Als Teil der Strategie sehen wir ebenfalls die Novellierung des ‚Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken‘, um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen.“ Auch das könnte sich teilweise auf die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beziehen und damit am 13. Oktober Thema bei seinen Gesprächen mit der ABDA sein.

Die Grünen sehen Apotheken aber auch als Faktor bei der Kooperation medizinischer Einrichtungen, wie etwa in regionalen Gesundheitszentren, geht aus ihrer Antwort an die DAZ hervor. In diesen sollen verschiedene Praxen und auch Apotheken „unter einem Dach zusammenkommen“, dies könne „sinnvolle Synergien schaffen und Hürden abbauen“.

AfD: Attraktivität der Apothekenberufe

Im Wahlprogramm der AfD kommen die Apotheken nur einmal als „Dritte“ vor, die Rezepte von Ärzten bedienen. In ihrer Antwort auf die Anfrage der DAZ bekennt die Partei sich allerdings zur Arzneimittelversorgung über inhabergeführte Vor-Ort-Apotheken, „besonders, was die Versorgungsstrukturen im ländlichen Raum angeht“. Apotheken seien dort bereits jetzt ein entscheidender Faktor und würden in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Konkret fordert die AfD beispielsweise, neben den drei in Hessen bestehenden PTA-Schule noch weitere zu schaffen. So sollen unter anderem die (Ausbildungs-)Berufe der pharmazeutisch-technischen bzw. der pharmazeutisch-kaufmännischen Assistenten attraktiver werden.

Zudem heißt es: „Attraktivität wird auch durch eine stärkere finanzielle Unabhängigkeit erreicht.“ Erwähnt werden zudem der Abbau von Bürokratie, besonders bei Retaxationen, und eine Verbesserung der Digitalisierung. „Die Politik muss sich zur Unverzichtbarkeit von Apotheken bekennen und diese tatkräftig unterstützen, da nur so eine breite und gute Gesundheitsversorgung der Bürger erreicht werden kann.“

Digitalisierung und fairer Wettbewerb – die FDP

Die Liberalen setzen in ihrem Wahlprogramm, wenn es um Gesundheitsversorgung geht, offenbar vor allem auf Digitalisierung. Apotheken sollen beispielsweise schnell ans Glasfasernetz angebunden werden. In ihrer Antwort an die DAZ betont die Partei allerdings, dass Digitalisierung nicht die „universelle Lösung für sämtliche Probleme darstellt“. Die FDP sieht bei den Apotheken aber in der „digitalen Gesundheitswelt“ eine Schlüsselrolle, wenn es um Beratung und Aufklärung, das E-Rezept, Medikationsmanagement sowie Innovation und Technologie geht. „Es ist wichtig sicherzustellen, dass Apotheken die notwendigen Ressourcen und Unterstützung erhalten, um in dieser digitalen Gesundheitswelt erfolgreich zu agieren und qualitativ hochwertige Dienstleistungen anzubieten“, heißt es.

Beim Thema Arzneimittelversender versucht die FDP eine vermittelnde Position einzunehmen. „Wir unterstützen grundsätzlich innovative Ansätze, die dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung effizienter und zugänglicher zu gestalten. Dies schließt auch Versandapotheken mit telepharmazeutischer Beratung ein.“ Insbesondere in Regionen, „in denen die Erreichbarkeit von stationären Apotheken eingeschränkt ist“, könnten die Versender einen Beitrag leisten. Wichtig sei der Partei jedoch der „faire Wettbewerb im Gesundheitswesen“, wobei davon ausgegangen wird, dass so „Effizienz und Qualität der Versorgung“ gesteigert werden könnten. „Dabei sollten jedoch faire Wettbewerbsbedingungen gelten, um sicherzustellen, dass sowohl stationäre Apotheken als auch Versandapotheken unter gleichen Voraussetzungen agieren können.“

Insgesamt will die FDP sich für die Stärkung der Apotheken und die Anerkennung der Apothekerinnen und Apotheker als Freiberufler:innen einsetzen. Folgende „Maßnahmen“ würden geprüft: Förderung der pharmazeutischen Betreuung, Erweiterung des Leistungsspektrums von Apotheken, bürokratische Entlastung und die Förderung von Innovationen im Apothekensektor, wie beispielsweise die Einführung digitaler Lösungen zur Medikamentenabgabe. Genaueres wolle man aber in „enger Zusammenarbeit mit den Apothekerverbänden und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Patienten entwickeln“.

Die Linke: Apotheken im ländlichen Raum unterstützen

Die Partei die Linke in Hessen hält es für notwendig, „dass der Festbetrag, mit dem die Apotheken ihre laufenden Kosten begleichen sollen, deutlich angehoben wird“. Apothekenschließungen würden besonders die ältere Bevölkerung und diejenigen gefährden, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind. „Gerade die kleineren Apotheken sowie diejenigen im ländlichen Bereich brauchen Unterstützung.“

Das bleibt aber nicht nur Aufgabe des Bundes. Auch Landesregierungen müssten für eine „Pharmapolitik auf Bundesebene“ streiten, „die nicht die großen Konzerne fördert, sondern sich um die Medikamentenversorgung der Bevölkerung kümmert“. Für die Arzneimittelversorgung könnten nicht die Apotheken verantwortlich gemacht werden. Zuallererst müssten die Rabattverträge abgeschafft werden, fordert die Linke. Eine weitere Aufgabe der Landesregierung sieht die Partei darin, ganz allgemein die Infrastruktur im ländlichen Raum weiterzuentwickeln, sodass die Menschen dort „gerne leben und alle notwendigen Einrichtungen und Arbeitsplätze vor Ort haben“. Dann gebe es auch Perspektiven für medizinische Fachkräfte. Diese Aufgaben dürften nicht auf die Kommunen abgewälzt werden.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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