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Magensaftresistente Arzneimittel – was Apotheker wissen sollten

11.10.2023, 17:50 Uhr

Welche Tablette sollte wann geschluckt werden? (Foto: KMPZZZ / AdobeStock)

Welche Tablette sollte wann geschluckt werden? (Foto: KMPZZZ / AdobeStock)


Damit magensaftresistente Darreichungsformen ihre Wirkung korrekt entfalten können, sollten Patientinnen bei der Anwendung einige Regeln befolgen. Denn säurefeste Überzüge sorgen dafür, dass die enthaltenen Wirkstoffe erst im Dünndarm freigesetzt werden.

Damit ein Arzneimittel vor dem Einwirken des sauren Magensafts geschützt und eine Wirkstoffabgabe im Magen verhindert wird, werden Tabletten, Kapseln oder auch Granulate und Pellets mit säurefesten Filmen überzogen. Die Überzüge solcher magensaftresistenten Darreichungsformen lösen sich bei höheren pH-Werten auf und die Arzneistoffe werden freigesetzt. 

Diese Vorgehensweise dient einerseits dem Magenschutz des Patienten, die Magenschleimhaut wird vor schleimhautaggressiven Wirkstoffen wie Diclofenac und anderen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSRA) geschützt. Ätherische Öle können bei Kontakt mit der Magenschleimhaut zu Übelkeit und Erbrechen führen, ein magensaftresistenter Überzug sorgt hier für bessere Verträglichkeit. Auf der anderen Seite gibt es säurelabile Wirkstoffe wie Protonenpumpenhemmer, die keine niedrigen pH-Werte vertragen und durch einen magensaftresistenten Überzug geschützt werden. Schließlich werden auch Arzneimittel, die zur Therapie von Darmerkrankungen erst lokal im Darm wirken sollen, mit einem magensaftresistenten Überzug versehen.

Beispiele für magensaftresistente Darreichungsformen
WirkstoffFertigarzneimittel (Auswahl)ArzneiformHinweise zur Einnahme
Diclofenac-Natrium Diclofenac-ratiopharm®Magensaftresistente TabletteUnzerkaut 1 Stunde vor der Mahlzeit einnehmen
AcetylsalicylsäureAspirin® protectMagensaftresistente TabletteUnzerkaut 30 Minuten vor der Mahlzeit einnehmen
CineolSinolpan® forteMagensaftresistente WeichkapselUnzerkaut 30 Minuten vor der Mahlzeit einnehmen
Ätherische ÖleGeloMyrtol® forteMagensaftresistente WeichkapselUnzerkaut 30 Minuten vor der Mahlzeit einnehmen
PantoprazolPantoprazol-ratiopharm®Magensaftresistente TabletteUnzerkaut 1 Stunde vor der Mahlzeit einnehmen
MesalazinSalofalkMagensaftresistente TabletteUnzerkaut 1 Stunde vor der Mahlzeit einnehmen
Pankreas-PulverPangrol®Hartkapsel mit magensaftresistenten PelletsUnzerkaut zusammen mit einer Mahlzeit einnehmen

Um Beständigkeit im sauren Magensaft zu gewährleisten, können die Darreichungsformen mit verschiedenen Filmüberzügen eingesetzt werden. Dabei handelt es sich meist um synthetisch hergestellte Polymere mit freien Carboxylgruppen, die bei den im nüchternen Magen herrschenden pH-Werten von 1 bis 2 unlöslich sind. Erst im Darm bei höheren pH-Werten kommt es zur Salzbildung und damit zum Auflösen des Überzugs. Als Überzugmaterialien kommen häufig Methacrylsäureester zum Einsatz, diese sind unter ihrem Handelsnamen Eudragit® bekannt. Durch verschiedene Seitenketten ist eine genaue Steuerung der Wirkstofffreisetzung in Abhängigkeit vom pH-Wert möglich. So löst sich Eudragit® L 55 bereits im schwach sauren bei einem pH-Wert von 5,5, Eudragit® L bei pH 6,0 und Eudragit® S erst bei neutralen Werten ab pH 7,0.

Beratungshinweise zu magensaftresistenten Arzneimitteln

Wie alle festen Arzneiformen sollten auch magensaftresistente Darreichungsformen mit einer ausreichenden Menge an Flüssigkeit, am besten Leitungswasser, in aufrechter Körperhaltung eingenommen werden.  

Magensaftresistente Peroralia müssen dabei normalerweise unzerkaut geschluckt und dürfen nicht geteilt werden, ansonsten kann es zu einer Beschädigung des säurefesten Überzugs kommen. Eine Ausnahme besteht bei Hartkapseln, die mit magensaftresistenten Granulaten oder Pellets gefüllt sind. Diese können bei Patienten mit Schluckbeschwerden geöffnet und der Inhalt mit Flüssigkeit eingenommen werden. Dabei darf der Inhalt aber nicht zerbissen oder zerkaut werden, da sonst die magensaftresistenten Überzüge zerstört werden können.

Magensaftresistente Tabletten oder Kapseln müssen auf nüchternen Magen eingenommen werden. Normalerweise lösen sich Medikamente im Magen auf und gelangen mit dem Nahrungsbrei portionsweise in den Dünndarm. Magensaftresistente Darreichungsformen zerfallen im Magen nicht und werden mit der Nahrung auch nicht weitertransportiert, sie bleiben also im Magen. Erst im Nüchternzustand ist ein Weitertransport in den Dünndarm möglich. Werden nun regelmäßig auch nur kleine Mengen an Nahrung konsumiert, kann es sein, dass dieser Nüchternzustand im Laufe des Tages gar nicht mehr erreicht wird. Eine morgens nicht auf nüchternen Magen eingenommene magensaftresistente Tablette befindet sich dann am Abend immer noch im Magen. Allerdings gibt es Ausnahmen

Pankreasenzyme – Einnahme zur Mahlzeit

Bei Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse können benötigte Enzyme zur Verdauung von außen zugeführt werden. Diese Pankreasenzyme liegen als magensaftresistente multipartikuläre Darreichungsformen vor, die einzelnen Teilchen werden meist in eine Hartkapsel gefüllt. Diese kann im Magen zerfallen und die Pellets mit säurefestem Überzug gelangen in den Dünndarm, dort werden die Enzyme nach Auflösen des Überzugs freigesetzt. Die verdauungsfördernden Enzyme können nur dann wirken, wenn sie zusammen mit dem Nahrungsbrei in den Dünndarm gelangen. Folglich sind sie zu einer Mahlzeit einzunehmen.  

Was bedeutet „nüchtern“?

Für Medikamente, die nüchtern eingenommen werden müssen, liegt der Einnahmezeitpunkt bei mindestens 30 bis 60 Minuten vor dem Frühstück. Diese Werte sind meist auch in den Fachinformationen der einzelnen Präparate zu finden. Pharmazeutisch gesehen bedeutet „nüchtern“ jedoch mehrere Stunden nach der letzten Mahlzeit. 

Ideal wäre also ein Abstand von ein bis zwei Stunden zwischen der Einnahme eines magensaftresistenten Arzneimittels und der Aufnahme von Nahrung. Mit Nahrung ist dabei nicht nur eine Mahlzeit gemeint, auch ein Glas Milch oder ein Hustenbonbon verändern den Weitertransport von Arzneimitteln aus dem Magen.

Magensaftresistente Arzneiformen dürfen nicht über längere Zeit bei höheren Umgebungstemperaturen aufbewahrt werden, schon eine mehrwöchige Lagerung bei 30 °C verändert das Freigabeverhalten. Denn durch den Einfluss von Wärme leidet die chemische und mechanische Stabilität der Überzüge und die Säureresistenz nimmt ab. 

Tabletten oder Kapseln mit säurebeständigem Überzug sollten auch mit besonderer Vorsicht aus ihrem Blister-Streifen entnommen werden. Denn auch durch mechanische Belastung kann der relativ unelastische Überzug sonst rissig werden und damit die Magensaftresistenz verloren gehen. Am besten werden die Arzneimittel nach dem Abziehen der Aluminiumfolie ohne stärkeren Druck entnommen. Bei Hartkapseln, die sich im Magen auflösen und mit magensaftresistenten Pellets befüllt sind, ist diese Vorsichtsmaßnahme nicht nötig.

Regelungen zur Austauschbarkeit

Magensaftresistente Arzneiformen gelten hinsichtlich einer generischen Substitution als kritisch. Denn aufgrund ihrer Galenik werden die enthaltenen Wirkstoffe unterschiedlich schnell und teilweise auch in unterschiedlichem Ausmaß resorbiert, dies kann zu therapeutisch relevanten Unterschieden in der Bioverfügbarkeit führen. 

In der Arzneimittel-Richtlinie Anlage VII können Regelungen zur Austauschbarkeit von Arzneimitteln nachgelesen werden. Darin gelten mehrere magensaftresistene Formen als austauschbar. Der verordnende Arzt kann die Substitution des Präparats allerdings durch Setzen des Aut-idem-Kreuzes verhindern. Auch in der Apotheke kann ein Austausch durch einen Hinweis auf Pharmazeutische Bedenken verhindert werden, dabei sollte auf die unterschiedliche Bioverfügbarkeit der Arzneiformen hingewiesen werden.


Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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