Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

AkdÄ: Keine exzessiven Vitamin-D-Dosen – auch nicht bei Multipler Sklerose

Stuttgart - 17.10.2023, 09:15 Uhr

Ein Vitamin-D-Mangel sollte immer ausgeglichen werden – allerdings sollten langfristig keine besonders hohen Dosen eingenommen werden. (Foto: irissca / AdobeStock) 

Ein Vitamin-D-Mangel sollte immer ausgeglichen werden – allerdings sollten langfristig keine besonders hohen Dosen eingenommen werden. (Foto: irissca / AdobeStock) 


Vitamin D3 gehört zu den wohl am häufigsten abgegebenen Präparaten in der Apotheke, woran grundsätzlich und vor allem in den Wintermonaten auch nichts auszusetzen ist. Allerdings wird immer wieder öffentlich vor der Anwendung besonders hoher Dosen über längere Zeit gewarnt, was sogar lebensbedrohlich werden kann. Jetzt warnt die AkdÄ erneut – dieses Mal vor dem sogenannten Coimbra-Protokoll bei Multipler Sklerose.

Vitamin D ist zwar sicherlich kein Wundermittel, dennoch ist allgemein anerkannt, dass die Bevölkerung in Deutschland vor allem in den Wintermonaten von einer Substitution profitieren kann. Zudem kam eine Metaanalyse des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) erst dieses Jahr zu dem Schluss, dass speziell Krebspatient:innen ihre Mortalität signifikant senken können, wenn sie täglich 400 bis 4000 IE Colecalciferol einnehmen. Die tägliche niedrigdosierte Einnahme scheint dabei gegenüber einer hochdosierten Anwendung einmal monatlich oder alle vier Monate (60.000 IE oder 100.000 IE), von Vorteil zu sein – bei der hochdosierten Anwendung zeigte sich nämlich kein signifikanter Effekt auf die Mortalität [1]. 

Während hohe Vitamin-D-Dosen also nicht (allgemein) besser wirksam zu sein scheinen bzw. sogar schlechter wirksam sind, als niedrige Dosen, wird unabhängig vom Anwendungsgebiet und der Wirksamkeit immer wieder öffentlich anhand von Fallberichten vor der Einnahme von hochdosiertem Vitamin D3 über einen längeren Zeitraum gewarnt [2]. 

Jetzt mahnt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) aktuell erneut: „Grundsätzlich sollte Vitamin D3 ohne wissenschaftlich belegte Indikation und ohne ärztliche Begleitung nicht in hoher Dosierung angewendet werden.“ Hintergrund ist die Einnahme des „Sonnenvitamins“ bei Patient:innen mit Multipler Sklerose im Rahmen des sogenannten Coimbra-Protokolls [3,4]

Coimbra-Protokoll wissenschaftlich nicht belegt

Anlass der Warnung ist der Fall eines 65-jährigen Patienten, der „über ein halbes Jahr 60.000 IE Vitamin D3 pro Tag zur Behandlung einer Multiplen Sklerose eingenommen und dann ein akutes Nierenversagen bei Hyperkalzämie entwickelt“ hatte. 

Die AkdÄ beschreibt den Therapieansatz des Coimbra-Protokolls als wissenschaftlich nicht belegt. Als theoretischer Hintergrund diene zwar eine „individuelle Vitamin-D-Resistenz“ für die Anwendung hoher Dosen von Vitamin D3, doch: „Dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entsprechende Studien, die die Wirksamkeit und insbesondere die Sicherheit von hochdosiertem Vitamin D3 bei Multipler Sklerose belegen, liegen bislang nicht vor.“ Die AkdÄ rät somit ausdrücklich vom Coimbra-Protokoll bei Multipler Sklerose ab [3].

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Vitamin D in der S2k-Leitlinie zur Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose

In der aktuellen Leitlinie zur Multiplen Sklerose wird mit starkem Konsens empfohlen, den Vitamin-D-Spiegel bei Patienten mit Multipler Sklerose zu überprüfen. Wird ein Mangel festgestellt, so soll dieser etwa durch Supplementation ausgeglichen werden. Vor Vitamin D in hohen Dosierungen wird ausdrücklich gewarnt. Diese könnten akut toxisch sein und in eine Hyperkalzämie münden oder langfristige Gesundheitsschäden, z. B. Nierensteine oder -verkalkungen, nach sich ziehen. Zudem gebe es Hinweise auf eine erhöhte Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität, wenn dauerhaft zu hohe Vitamin-D-Dosierungen eingenommen würden. Als sicher gilt für Erwachsene eine dauerhafte Zufuhr von täglich insgesamt 4000 IE Vitamin D3. Die Leitlinienautoren äußern sich kritisch zu dem Coimbra-Protokoll, bei dem anhand des Parathormon-Spiegels auf bis zu 60.000 IE Vitamin D3 titriert wird. Risiken seien hier „nicht auszuschließen“ [4,5]. (cel)

Literatur 

[1] Daubitz T. Vitamin D – nur die tägliche Einnahme reduziert die Krebsmortalität. DAZ.online 02.06.2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/06/02/vitamin-d-nur-die-taegliche-einnahme-reduziert-die-krebsmortalitaet 

[2] Moll D. Hochdosierte Vitamin-D-Flüssigzubereitungen insbesondere bei Kindern vermeiden. DAZ.online 06.09.2022, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/09/06/hochdosierte-vitamin-d-fluessigzubereitungen-insbesondere-bei-kindern-vermeiden 

[3] Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Drug Safety Mail 2023-48: Vitamin D3-Überdosierung nach Anwendung exzessiver Dosen im Rahmen des Coimbra-Protokolls. 12.10.2023, www.akdae.de/service/newsletter/newsletter-archiv/akdae-news/newsdetail/drug-safety-mail-2023-48

[4] Bichay C. Weniger MS-Schübe durch Vitamin D? DAZ 2023, Nr. 23, S. 24, 08.06.2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2023/daz-23-2023/weniger-ms-schuebe-durch-vitamin-d 

[5] Diagnose und Therapie der multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Stand: November 2022


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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