Liberalisierung

Verkehrte Welt: Apothekerschaft in Österreich begrüßt Reformpläne

Berlin - 25.10.2023, 07:00 Uhr

Ausgelagerte Abgabestellen? Warum nicht? Sagt die Apothekerkammer in Österreich (imago images / Viennareport)

Ausgelagerte Abgabestellen? Warum nicht? Sagt die Apothekerkammer in Österreich (imago images / Viennareport)


Auch in Österreich soll das Apothekensystem liberalisiert werden – aber dort begrüßt die Apothekerschaft die Pläne der Regierung. Sie soll in Zukunft ähnliche Kompetenzen bekommen, wie sie die deutsche beispielsweise mit den pharmazeutischen Dienstleistungen hat. Auch Gründungen von Filialen und „ausgelagerten Abgabestellen“ sollen erleichtert werden – sehr zum Missmut der Ärzteschaft.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das Apothekensystem liberalisieren. Dazu gehört, dass die Gründung von Filialen erleichtert wird. Diese sollen dann unter bestimmten Bedingungen unter anderem von Notdiensten und auch Rezepturen befreit sein – nicht einmal mehr Apothekerinnen oder Apotheker müssten vor Ort sein. Die Apothekerschaft spricht von „Apotheken light“. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening bezeichnete die Pläne als „Monopoly-Spiel im Apothekenwesen“.

Da muss der Blick nach Österreich überraschen. Denn dort will die schwarz-grüne Regierung ebenfalls das Apothekenwesen liberalisieren – aber die Österreichische Apothekerkammer freut sich. Laut einem Referentenentwurf sollen Apotheken zukünftig Medikationsanalysen und einfache Gesundheitstests wie Blutdruckmessungen durchführen können. Zudem sollen aber auch Öffnungszeiten flexibilisiert und die Gründung von Filialen und „ausgelagerten Abgabestellen“ erleichtert werden. Das erklärte das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz am vergangenen Samstag in einer Pressemitteilung.

„Die österreichweit 1.400 Apotheken sind für viele Menschen erste Anlaufstelle in Gesundheitsfragen“, sagte dazu der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch. „Mit dem neuen Gesetz können wir die hohe Kompetenz der Mitarbeiter:innen noch besser nutzen“.

Neben Blutdruck- oder Blutzuckermessungen, Analysen von Harnproben und weiteren körpereigenen Stoffen sollen Apothekerinnen und Apotheker auch Medikationsanalysen durchführen dürfen. Dies entspräche also in etwa den pharmazeutischen Dienstleistungen in Deutschland. Die zulässige Gesamtöffnungszeit soll von 48 auf maximal 72 Stunden pro Woche angehoben werden. Apotheken können werktags zwischen 6 und 21 Uhr und samstags zwischen 6 und 18 Uhr öffnen. Zukünftig soll die Zahl von Filialapotheken von einer auf drei erhöht werden und: Apotheker:innen sollen auch „Abgabestellen“ mit eingeschränktem Angebot und Öffnungszeiten betreiben dürfen.

Bedarfsplanung vs. Niederlassungsfreiheit

Dazu muss man wissen: Das Apothekensystem in Österreich funktioniert anders als in Deutschland: Es gibt keine Niederlassungsfreiheit, sondern eine Bedarfsplanung. Wer eine Apotheke eröffnen will, braucht eine Konzession. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass es mindestens einen Arzt in der Gemeinde gibt, der Mindestabstand zur nächsten Apotheke mindestens 500 Meter beträgt und mindestens 5.500 Menschen im Umkreis versorgt werden. Die Apotheke muss zudem nur zu mehr als 50 Prozent in Hand eines Pharmazeuten sein, oft sind Großhändler Miteigentümer.

Apothekerschaft (fast) zufrieden

Die neue Regelung würde die Bedarfsplanung nicht antasten, stellt die Österreichische Apothekerkammer gegenüber der DAZ klar. „Bestehende Apotheken sind insofern weiterhin ‚geschützt‘, als dass die Zahl der von ihnen jeweils zu versorgenden Personen durch die Errichtung der Filialapotheke nicht auf unter 5.500 fallen darf.“

Überhaupt zeigte sie sich zufrieden mit den Plänen, kein Wunder, sie entsprechen einigen Forderungen, beispielsweise mit Blick auf die Filialgründungen oder die Öffnungszeiten, die die Kammer bereits 2019 aufgestellt hatte. „Vor allem im ländlichen Raum kann diese Neuerung die Versorgung der Bevölkerung verbessern“, hieß es von der Kammer gegenüber der DAZ. Einziger Kritikpunkt: Im Gegensatz zu anderen Ländern dürfen Österreichs Apotheker immer noch nicht impfen – und daran würde sich auch mit diesem Gesetz nichts verändern. „Impfen in Apotheken bietet einen niederschwelligen, serviceorientierten und unkomplizierten Zugang zu Impfungen und kann Menschen erreichen, die bisher von den bestehenden Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht haben“.

ÖÄK: Pharmazeut ist kein Arzt

Die Ärzteschaft hingegen schäumt. „Anstatt die wohnortnahe, ärztliche Versorgung tatsächlich zu stärken, soll also nun vieles an die Apotheken ausgelagert werden“, kritisierte Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) am Sonntag laut einer Pressemitteilung: „Das ist aber der falsche Weg, ein Pharmazeut ist kein Arzt, der seine Patienten nun einmal am besten kennt und daher bestens versorgen kann“, betonte der ÖÄK-Präsident. Der Ärzteschaft missfällt auch, dass sie nicht in die Reformüberlegungen mit einbezogen wurde.

Mit der geplanten Reform geht auch der Streit um ärztliche „Hausapotheken“ in die nächste Runde. In Österreich haben Ärzte unter bestimmten Bedingungen Dispensierrecht, etwa wenn der Weg zur nächsten Apotheke zu weit ist. Die geplanten „Abgabestellen“ werten sie als weiteren Angriff darauf.

Der Entwurf wird nun von Ministerien und Verbänden begutachtet. Das Gesetz soll bereits Anfang 2024 in Kraft treten.


Matthias Köhler, DAZ-Redakteur
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Ärztl. Dispensierrecht

von Dr Schweikert-Wehner am 25.10.2023 um 18:00 Uhr

Wie gefährlich die Arzneimittelsbgabe durch Ärzte sein kann, sieht man ja gerade bei den gefälschten Ozempic

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Vergütung

von Margit Obermaier am 25.10.2023 um 15:11 Uhr

Das sehr schade. Klappt das in usa usw.besser? Es gibt kein perfektes System scheint es.
Big pharma aber scheint in usa zumindest in der Kritik zu sein. Und Apotheker angestellte verdienen super sagen sie selber. Ein begehrter Beruf.

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mehr kompetenz für Apotheken

von Margit Obermaier am 25.10.2023 um 8:06 Uhr

Ich finde es gut, dass Apotheken impfen können sollen und mehr beraten, Geht schneller als stundenlang beim Arzt warten! in Schweiz gitbt es Krankenkassen, wo man erst bei Beschwerden zur Apo muss und dort Hilfe suchen wenn möglich anstatt gleich zum teuren Arzt. schliesslich kennen sie sich besser mit Pharma aus als Ärzte. Aber jeder hat Angst um seinen Stand, Status, Geld.. In Schweiz und vielen anderen Ländern gehört Impfen und auch med. Beratung schon längst dazu.- ich liess mich vor 15 Jahren schon in USA impfen. Es geht doch nur wieder um Pfründe. Und Gewohnheit.

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AW: mehr kompetenz für Apotheken

von Eimer Langsdorf am 25.10.2023 um 10:33 Uhr

Alles schön & und gut, was Sie sich wünschen. Nur: es muss auch anständig bezahlt werden - egal ob beim Arzt oder in der Apotheke. Und das ist leider nicht der Fall.

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