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Nahrungsergänzungsmittel
Was hat es mit Ashwaganda auf sich?
Withania somnifera („Ashwaganda“) findet weitreichenden Gebrauch in der traditionellen indischen Medizin. Was Ginseng in der chinesischen Medizin ist, ist Ashwaganda in der indischen. Die sogenannte Schlafbeere soll unter anderen bei nervösen Unruhezuständen und Insomnie helfen, sowie die allgemeine Fitness verbessern. Entsprechend deklarierte Nahrungsergänzungsmittel finden sich auf dem europäischen Markt. Was kann Kunden und Kundinnen geraten werden, die ein Supplement mit Ashwaganda möchten? Wem kann ein Präparat empfohlen werden? Welche Risiken birgt die Einnahme?
Withania somnifera ist ein Nachtschattengewächs, das einen trockenen und warmen Standort benötigt. Der bis zu zwei Meter hohe Strauch wächst auf den Kanarischen Inseln, im Süden Afrikas, auf Sri Lanka und in Indien. Die Blätter und Wurzeln werden in der ayurvedischen Medizin bei einer Vielzahl von Erkrankungen und Beschwerden verwendet. Die Pflanze beinhaltet Alkaloide, Flavonoide und Withanolide, denen antiinflammatorische und antiproliferative Effekte zugeschrieben werden.
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In in-vitro und in-vivo Studien an Versuchstieren wurden entzündungshemmende und zellschützende Eigenschaften einzelner in der Schlafbeere enthaltenen Naturstoffe gefunden. Nahrungsergänzungsmittel mit Ashwaganda-Extrakt deklarieren Hilfe bei Schlafproblemen und Nervosität. Die Studienlage zur Evidenz solcher Aussagen ist ungenügend.
Bei der Risikobewertung fallen Fälle von Hepatitis auf.
Ashwaganda als Einschlafmittel
Eine Metaanalyse, die 2021 in „Plos One“ erschien, begutachtete fünf Placebo-kontrollierte, randomisierte Studien aus Indien zur Wirksamkeit von Ashwaganda-Extrakt bei Schlafproblemen mit nervösen Unruhezuständen. Insgesamt nahmen über 400 Personen an den Studien teil, wovon nur 50 über 60 Jahre alt waren.
Demnach ist der Name Schlafbeere nicht ganz aus der Luft gegriffen: Der Wurzelextrakt hat laut dem Forschungsteam einen niedrigen, aber signifikanten Effekt auf den allgemeinen Schlaf und die Einschlafzeit. Erwachsene mit diagnostizierter Insomnie, die > 600 mg am Tag Ashwaganda-Nahrungsergänzung über mindestens acht Wochen zu sich nahmen, hatten die größten positiven Auswirkungen auf die generelle Schlafqualität und die Einschlafzeit zu verzeichnen. Die Review-Gruppe konkludiert ebenfalls, dass die Schlafbeere nervositätsmindernd wirken kann, aber keinen Einfluss auf die generelle Lebensqualität hat. Langzeitstudien mit großer Teilnehmerzahl sind nötig, um belastbare Ergebnisse zu liefern.
Wird die Lungenkapazität durch die Einnahme eines Schlafbeeren-Präparates verbessert?
Auf Packungen von Supplementen mit Blatt- oder Wurzel-Extrakt von Ashwaganda finden sich neben Begriffen wie „nervenstark“, „Schlaftrunk“ oder „relax forte“ auch oft Aussagen, die auf eine Verbesserung der allgemeinen Leistungsfähigkeit abzielen.
In „Nutrients“ ist 2020 ein Review publiziert worden, der sich mit den Effekten auf die Lungenkapazität bei körperlicher Ertüchtigung durch die Einnahme von Schlafbeeren beschäftigt. Die fünf randomisiert kontrollierten Studien mit über 162 Teilnehmenden, die inkludiert wurden, untersuchten den Einfluss von Ashwaganda-Supplementen auf den maximalen Sauerstoffverbrauch (VO2max). Dieser Wert gibt an, wie gut der Körper Sauerstoff transportieren und verwerten kann und ist somit ein physiologischer Parameter für die Ausdauerleistung.
Die Ergebnisse: Die Schlafbeere scheint die maximale Sauerstoffaufnahme in Athleten und gesunden Nicht-Athleten zu erhöhen. Die tägliche Dosis variierte von 330 bis 1000 mg. Bei Athleten erhöhte das Nachtschattengewächs VO2max stärker als in Nicht-Sportlern. Das Forscherteam vermutet, dass die Wirkung mit der Aktivität verknüpft sein könnte. Da aber nur eine handvoll Studien mit limitierter Probandenzahl examiniert wurden, ist weitere Forschung nötig, um evidenzbasierte Aussagen tätigen zu können.
Wie sieht es mit der Sicherheit von Ashwaganda-Extrakt aus?
Eine prospektive open-label Studie von 2012 zur Toxikologie von Withania somnifera mit 18 unter 30-Jährigen fand während einer Dosissteigerung über 30 Tage nur bei einem Probanden Nebenwirkungen (halluzinogene Effekte und Schwindel). Die Organfunktionen und sportlichen Leistungstests waren vor und nach der Untersuchung zum Sicherheitsprofil der Schlafbeere unverändert. Auch andere Studien, die in den beschriebenen Reviews genannt werden, fanden keine oder leichte Nebenwirkungen wie gesteigerter Appetit oder vergrößerte Libido.
Großes Aber: An den Studien nahmen für gewöhnlich weit weniger als 100 gesunde Individuen teil. Außerdem erstreckte sich der Einnahmezeitraum des Schlafbeeren-Präparates nur über einige Wochen. Seltenere unerwünschte Wirkungen oder Interaktionen mit Arzneimitteln können auf diese Weise nicht entdeckt werden.
Fälle von Hepatitis durch Schlafbeeren-Supplemente
In Island, Japan, Indien, Polen und den USA wurde von unabhängigen Einzelfällen berichtet, in denen junge, gesunde Personen mit einer akuten Hepatitis stationär behandelt werden mussten. Virulente, autoimmunologische oder sonstige Ursachen der Leberentzündung konnten durch klinische Tests ausgeschlossen werden. Die jungen Menschen hatten alle einige Monate zuvor begonnen, ein Ashwaganda-Supplement einzunehmen.
Die Schlafbeere hat im Mausmodell zusammen mit Gentamicin hepatotoxische Wirkung gezeigt. Außerdem sind die enthaltenen Withanolide im Zellversuch leberschädigend und entzündungspromovierend.
*Eine im Juni 2023 im Fachjournal Pharmaceuticals erschienene Studie mit Fallberichten und eine niederländische Untersuchung von September 2023 sagen zusammengefasst aus: Eine Leberschädigung durch die Einnahme eines Ashwaganda-Extraktes stellt sich zumeist drei bis zehn Monate nach Beginn der Supplementation ein. Bei den meisten Fällen wurden Tagesrationen zwischen 450 und 1350 mg eingenommen. Die Leberschädigung besserte sich für gewöhnlich ein bis zwei Wochen nach Absetzen des Präparates. Es ist auch ein Fall von schwerer Leberschädigung mit Lebertransplantation bekannt. Der Pathomechanismus der Hepatoxizität durch Schlafbeeren-Extrakt ist unbekannt.
Das unabhängige Fachportal für Gesundheitsberufe, Arznei-Telegram, schreibt hierzu:
Wie hoch das Risiko [einer Leberschädigung durch die Einnahme von Ashwaganda-Supplementen] ist, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Zum einen ist die Zahl der Anwender nicht bekannt, zum anderen ist bei den Meldungen mit einer beträchtlichen Dunkelziffer nicht berichteter Ereignisse zu rechnen, da Nahrungsergänzungsmittel allgemein als harmlos erachtet werden und zumindest hierzulande etablierte Strukturen für die Erfassung von Störwirkungen der insbesondere über das Internet vertriebenen Produkte fehlen.
Es finden sich keine evidenzbasierten Angaben zu einer sicheren Dosierung, da hierzu Studien fehlen. Bei vorerkrankten Personen ist Vorsicht geboten. Eine kurze Einnahme über maximal einige Wochen eines Präparates mit unter 1000 mg pro Tag scheint für gesunde Erwachsene mit einem geringen Risiko einherzugehen, wie das Forschungsteam der prospektiven open-label Studie von 2012 zur Sicherheit von Ashwaganda-Extrakt schreibt. Methodenstarke Studien müssen das noch widerlegen oder beweisen.
*Dieser Artikel ist erstmalig am 14.04.2023 erschienen, der letzte Abschnitt wurde am 24.10.2023 aktualisiert / ergänzt.
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