Mitteilung des PRAC

Schilddrüsenkrebs unter Ozempic und Co. – weiterhin unwahrscheinlich

Stuttgart - 30.10.2023, 15:00 Uhr

Die bisherige Evidenz soll keinen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Semaglutid und Co. mit Schilddrüsenkrebs bei Menschen belegen. (Foto: maurice norbert / AdobeStock)

Die bisherige Evidenz soll keinen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Semaglutid und Co. mit Schilddrüsenkrebs bei Menschen belegen. (Foto: maurice norbert / AdobeStock)


Tierstudien weisen darauf hin, dass GLP-1-Agonisten wie Semaglutid in Nagetieren das Risiko für Zelltumoren der Schilddrüse erhöhen können. Entsprechende Hinweise finden sich in den Fachinformationen. Die Relevanz für den Menschen wurde bislang als gering eingestuft – und dabei bleibt es laut dem Pharmakovigilanzausschuss der europäischen Arzneimittelbehörde EMA auch erst einmal.

Je verbreiteter Ozempic® und Co. werden, desto mehr rücken auch die Nebenwirkungen der GLP-1-Rezeptor-Agonisten in den Fokus. Bereits im November 2022 hatte die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) vor dem Einsatz der Wirkstoffgruppe als „Lifestyle-Arzneimittel“ gewarnt. Sie gab zu bedenken, dass neben Übelkeit und Erbrechen auch andere Nebenwirkungen bedacht werden müssten: etwa Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase. Zudem habe man in Tierversuchen ein potenziell erhöhtes Risiko für bestimmte Schilddrüsenkrebsarten gefunden, hieß es [1]. 

Zumindest, was den letzten Punkt angeht, hat der Pharmakovigilanzausschuss der europäischen Arzneimittelbehörde EMA nun am 27. Oktober gewisse Entwarnung gegeben: Die bisherige Evidenz soll keinen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Exenatid, Liraglutid, Dulaglutid, Semaglutid sowie Lixisenatid und Schilddrüsenkrebs bei Menschen belegen [2]. 

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Der europäische Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) hatte mit seiner Bewertung begonnen, nachdem eine Studie an Patient:innen mit Diabetes mellitus Typ 2 im Jahr 2022 auf ein erhöhtes Risiko für Schilddrüsenkrebs hinwies, wenn jene GLP-1-Agonisten anwendeten [2,3]. Daraufhin sichtete der PRAC in der Literatur unter anderem Beobachtungsstudien sowie kumulative Daten der Zulassungsinhaber zum Thema. Letztere enthielten auch klinische und Post-Marketing-Daten. Der PRAC kam nun zu dem Schluss, dass auf Basis dieser Daten die Produktinformationen nicht verändert werden müssen [2,3,4,5,6].

Bislang heißt es zum Beispiel in der Fachinformation von Ozempic®

„Bei Nagetieren beobachtete, nicht-letale C- Zelltumoren der Schilddrüse sind ein Klasseneffekt von GLP-1-Rezeptoragonisten. In 2-jährigen Karzinogenitätsstudien bei Ratten und Mäusen verursachte Semaglutid bei klinisch relevanten Expositionen C-Zelltumoren der Schilddrüse. Im Zusammenhang mit der Behandlung wurden keine anderen Tumoren beobachtet. Die C-Zelltumoren bei Nagetieren werden durch einen nicht-genotoxischen, spezifisch durch den GLP-1-Rezeptor vermittelten Mechanismus verursacht, für den Nager besonders empfänglich sind. Die Relevanz für den Menschen wird als gering eingestuft, kann jedoch nicht komplett ausgeschlossen werden.“

Fachinformation von Ozempic®, Novo Nordisk, Stand 03/2023 [7]

Die Zulassungsinhaber von Liraglutid, Semaglutid, Exenatid, Dulaglutid und Lixisenatid sollen das mögliche Risiko von Schilddrüsentumoren im Rahmen ihrer Pharmakovigilanz-Aktivitäten nun jedoch weiter aufmerksam beobachten und entsprechend darüber berichten.

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Suizid-Gedanken unter Semaglutid und Co.?

Derzeit prüft der Pharmakovigilanzausschuss (PRAC) der EMA außerdem noch Daten, ob GLP-1-Rezeptor-Agonisten zu suizidalen Gedanken und Gedanken an selbstverletzendes Verhalten führen könnten. Explizit genannt wurden im Juli in diesem Zusammenhang die Präparate Ozempic® und Wegovy®, aber auch Saxenda® mit dem Wirkstoff Liraglutid. Den Behörden lagen bis Juli 150 Berichte über mögliche Fälle von Selbstverletzung und Selbstmordgedanken vor. Ergebnisse wurden für November 2023 erwartet [8].

Literatur 

[1] Moll D. Wegen TikTok-Trend: Ozempic und Co. sind keine Lifestyle-Arzneimittel! DAZ.online, 07.11.2022, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/11/07/wegen-TikTok-Trend-ozempic-und-co-sind-keine-lifestyle-arzneimittel

[2] Mitteilung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. Meeting highlights from the Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) 23-26 October 2023. Stand 27.Oktober 2023, https://www.ema.europa.eu/en/news/meeting-highlights-pharmacovigilance-risk-assessment-committee-prac-23-26-october-2023 

[3] Bezin et al. GLP-1 Receptor Agonists and the Risk of Thyroid Cancer. Bezin et al. 2022 Diabetes Care. 2022 Nov 10; dc221148. doi: 10.2337/dc22-1148. (Online ahead of print)

[4] Alves C, Batel-Marques F, Macedo AF. A meta-analysis of serious adverse events reported with exenatide and liraglutide: acute pancreatitis and cancer. Diabetes Res Clin Pract. 2012 Nov;98(2):271-84. doi: 10.1016/j.diabres.2012.09.008. Epub 2012 Sep 23. PMID: 23010561.

[5] Hu W, Song R, Cheng R, Liu C, Guo R, Tang W, Zhang J, Zhao Q, Li X, Liu J. Use of GLP-1 Receptor Agonists and Occurrence of Thyroid Disorders: a Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials. Front Endocrinol (Lausanne). 2022 Jul 11;13:927859. doi: 10.3389/fendo.2022.927859. PMID: 35898463; PMCID: PMC9309474.

[6] Bea S, Son H, Bae JH, Cho SW, Shin JY, Cho YM. Risk of thyroid cancer associated with glucagon-like peptide-1 receptor agonists and dipeptidyl peptidase-4 inhibitors in patients with type 2 diabetes: A population-based cohort study. Diabetes Obes Metab. 2023 Sep 21. doi: 10.1111/dom.15292. Epub ahead of print. PMID: 37735822. 

[7] Fachinformation von Ozempic®, Novo Nordisk, Stand 03/2023, www.fachinfo.de/ 

[8] Moll D. Suizid-Gedanken unter Semaglutid und Co.? DAZ.online 12.07.2023, www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/07/12/suizid-gedanken-unter-semaglutid-und-co


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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