Offener Brief an den Bundesgesundheitsminister

Laborärzte gegen Apotheken-Diagnostik

Berlin - 03.11.2023, 15:15 Uhr

Blutzucker messen, Blutfettwerte bestimmen - das gehört aus Sicht der Labormediziner nicht in Apotheken. (Foto: ABDA)

Blutzucker messen, Blutfettwerte bestimmen - das gehört aus Sicht der Labormediziner nicht in Apotheken. (Foto: ABDA)


Geht es nach Karl Lauterbach, sollen Apotheken künftig unter anderem Cholesterinwerte bestimmen und Blutzucker-Messungen vornehmen, um die Gefahren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitig zu erkennen. Anfängliche Unstimmigkeiten mit Haus- und Fachärzten sieht der Minister seit einem Gespräch am vergangenen Montag gebannt – doch nun schlagen die Laborärzte Alarm: Präventionsdiagnostik in Apotheken sei unnötig und auch qualitativ kritisch.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich zum Ziel gesetzt, Herz-Kreislauf-Erkrankungen früher zu erkennen und dadurch teure medizinische Interventionen zu vermeiden. Zudem sollen Patienten, die die typischen Risikofaktoren aufweisen oder schon einmal einen Schlaganfall oder Herzinfarkt hatten, verlässlich medikamentös therapiert werden. Damit dies gelingt, müssen sich alle Beteiligten zusammentun – nicht zuletzt die Ärzte und Ärztinnen sowie Apothekerinnen und Apotheker. 

Den Apotheken will Lauterbach in diesem Zusammenhang neue Aufgaben „im Rahmen von Vorfelduntersuchungen“ zu den ärztlichen Check-ups zuteilwerden lassen. Das führte zu einem bekannten Abwehrreflex in der Ärzteschaft. Im ersten Impuls warnten die Bundesärztekammer und andere Ärzteverbände bereits vor „Arztpraxen-to-go“ und „Light“-Anlaufstellen. Doch als Lauterbach vergangenen Montag Vertreter:innen der Ärzte- und Apothekerschaft sowie der Kassen geladen hatte, um das weitere Vorgehen zu besprechen, zeigte er sich überzeugt, dass etwaige Missverständnisse ausgeräumt waren.

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Doch nun melden sich die Labormediziner zu Wort und machen deutlich, dass sie gar nichts davon halten, Apotheken als niedrigschwelligen Anlaufstellen für Präventionsdiagnostik zu etablieren. In einem offenen Brief an den Bundesgesundheitsminister erklärt Michael Müller, 1. Vorsitzender des ALM (Akkreditierte Labore in der Medizin e.V.), über drei Seiten hinweg, warum es nicht nur unnötig, sondern auch qualitativ kritisch sei, wenn Apothekerinnen und Apotheker wie derzeit geplant in die Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einbezogen würden.

Keine Qualitätskriterien für Apotheken

Die Früherkennung von wichtigen Stoffwechselerkrankungen gehöre in die Hand der Ärzteschaft, betont Müller in einer zugehörigen Pressemitteilung. Denn während der Gemeinsame Bundesausschuss in einer Richtlinie klar vorgebe, wie unter anderem Nüchternblutzucker- und Fettstoffwechselparameter zu bestimmen und welche Anforderungen dabei an die ärztliche Betreuung zu stellen sind, gebe es für die Apotheken keine Regelungen, die verbindlich einzuhalten seien. Zudem könnten in einer Apotheke zumeist nur In-vitro-Diagnostika zur patientennahen Untersuchung (POCT) verwendet werden. Und für die Laborärzte ist natürlich klar, dass diese in ihrer analytischen Qualität im Vergleich zu den in einem medizinischen Labor verwendeten Methoden nicht als gleichrangig angesehen werden können.

Und so heißt es im Brief an den Minister ganz deutlich: „Aus ALM-Sicht ist mit Blick auf eine bestmögliche Versorgung und insbesondere auch auf die Qualität und Sicherheit der Versorgung von einem POCT-basierten Präventionskonzept mit Einbindung von Apotheken Abstand zu nehmen“. 

Voucher als Alternative

Zudem betont Müller, dass Haus- und Fachärztinnen und -ärzte durchaus in der Lage seien, den Bedarf an Präventionsleistungen sicherzustellen. Falls man wirklich meine, die Arztpraxen entlasten zu müssen, schlägt der ALM vor, die Versicherten mit Vouchern auszustatten, die sie bei einer Blutentnahme in einem fachärztlichen Labor einlösen können.

Nicht zuletzt führen die Laborärzte an, es würde teurer, wenn Apotheken besagte Diagnostik anböten. Die Blutzuckerbestimmung unter POCT-Bedingungen würde von Apotheken in der Größenordnung von etwa 4,00 bis 5,00 Euro privat abgerechnet. Labore hingegen würden mit nur 0,25 Euro vergütet – und das bei optimaler Qualität.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Von Nebelkerzen und Spaltpilzen

von Thomas B am 04.11.2023 um 8:24 Uhr

Und schon wurde der Köder geschluckt....
Bei allen Ablenkungsmanövern und Versuchen, die neu gefundene Einigkeit der Gesundheitsberufe wieder zu spalten:

Mal angenommen, die Apotheken würden sich tatsächlich darauf einlassen.... was wäre Herrn Lauterbach diese neue Aufgabe denn wert? So rationell wie die Ärzteschaft können wir das gar nicht anbieten. Erst recht nicht, wenn die Ergebnisse als Grundlage für medizinische Aussagen dienen sollen. Gilt übrigens auch für so banale Dinge wie Blutdruck oder Blutzucker messen. Jeder vernünftige Arzt misst - völlig zu Recht - nochmal. Die Aufgabe wäre aus unserer Sicht also entweder hoffnungslos unterbezahlt oder aus Kassen-/BMG-Sicht unnötig/überflüssig/überbezahlt.
Behandeln wir diese Äusserung (oder wie es Herr Lauterbach nennen würde : Chance oder Angebot) als das, was es ist: eine Nebelkerze und ein Spaltpilz!
Solche Leistungen - oder auch ein besser honorierter Notdienst - können keinesfalls und bei weiten nicht annähernd die seit langem überfällige Anpassung unserer Honorare an die geänderte Kostensituation ersetzen oder ausgleichen. Die lange Frist ist eine selbstverschuldete Hypothek, die jetzt fällig wird. Das kann niemand glaubhaft wegdiskutieren. Ob das "mit der Gießkanne" oder durch eine Reform geschehen kann, mag diskutabel sein. Aber: Es muss schnell gehen, sonst ist unser System für immer zerstört.
Zu Herrn Lauterbachs Äusserungen zum teuren und suboptimalen System: Es liegt weder an den Arzneimittelpreisen (hat er ja erneut selbst zugegeben, dass Deutschland für die Industrie ein unattraktiver Kunde ist) und dem verschwindend geringen Wertschöpfungsanteil der Apotheken von gerade mal 2% kann es jedenfalls schon rein rechnerisch nicht liegen.

Lassen wir uns nicht ablenken und schauen nach vorn: Wie geht es im Dezember weiter? Lauterbach darf keinesfalls zum Luftholen kommen! Alle Montage zu? Weihnachtsferien zu? Was machen die Ärzte und anderen Gesundheitsberufe? WIR sind bereit!

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Blutuntersuchungen für Karl

von Martin Straulino am 03.11.2023 um 18:21 Uhr

Ich kann der ABDA nur wieder mal raten, hier dem Karl zu sagen: "NEIN, wir sind nicht bereit"
Ebenso wie wir bezüglich des E-Rezeptes für den Ansturm ab 2024 NICHT bereit sind ...

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