In den größeren Städten werden 1,5 km als akzeptabler Apothekenabstand definiert (maximal 750 m Kundenentfernung zur nächsten Apotheke). Je kleiner die Gemeinde bzw. je ländlicher es wird, umso größer dürfen die Distanzen sein (Linien in Abbildung 1). In der dünnbesiedelten Fläche werden 10 km bzw. 12 km Apothekenabstand als noch akzeptabel angenommen. Wir sehen unter diesen Prämissen ganz ähnliche Apothekenzahlen: 14.800 versus 11.900, mit Durchschnittsumsätzen von dann gut 3,8 Millionen Euro bzw. sogar 4,8 Millionen Euro. Je nach Ansatz der Versorgungsdichte können hier auch Landapotheken auf hohe Umsätze kommen. Zur Abwendung lokaler Härten kann man ebenfalls 500 bis 1.000 Apotheken zusätzlich vorsehen.
Diskussion
Das sind bittere, aber nicht ganz unerwartete Erkenntnisse. Nur: Es sind Modellierungen. Heute regelt das „der Markt“. Apotheken siedeln sich dort an, beziehungsweise halten sich, wo eine wirtschaftliche Perspektive besteht. Entscheiden tun das Unternehmer vor Ort unter Kenntnis der lokalen Besonderheiten. Dies ist insoweit die wirksamste Feinsteuerung.
Die Rahmenbedingungen werden überwiegend durch die gesetzlichen Honorare gesetzt, ergänzt durch ein standortabhängiges Barverkaufs-Potenzial. Die Honorarhöhe bestimmt insoweit die Versorgungsdichte, mit einem beträchtlichen Verzögerungseffekt, da selbst unrentable Apotheken mangels beruflicher Alternativen und vieler vertraglicher Verpflichtungen nicht unmittelbar schließen. Damit sind wir wieder in der Vergütungsdiskussion.
Zukunft Bedarfsplanung?
Die Alternative wäre eine Bedarfsplanung und Niederlassungssteuerung. Beispiele gibt es in der Nachbarschaft, zum Beispiel in Österreich, wo ein Apothekenstandort eine gewisse Einwohnerzahl versorgen soll, und es zudem Abstandsregeln gibt. Mit den Parametern Einwohner, Abstand und versorgte Fläche, gegebenenfalls weiter aufgegliedert je nach Besiedelungsdichte, lässt sich im Grundsatz eine effektive Versorgungssteuerung unter Gewährleistung einer tragfähigen, wirtschaftlichen Basis realisieren.
Hierzulande steht dem die grundgesetzlich garantierte Niederlassungsfreiheit aus dem Jahre 1958 entgegen. Doch gelten die Erwägungen von 1958 heute immer noch? Wäre also ein Systemwechsel möglich und wünschenswert? Wie immer bei Systemwechseln, ist der Übergang das Problem. Heutigen Apotheken müsste man Bestandsschutz gewähren, wohl selbst für den Fall eines Verkaufs in jüngere Hände. Lediglich bei Neugründungen – die es mit weit weniger als 100 pro Jahr kaum noch gibt – könnten die Regeln greifen, beziehungsweise falls sich Versorgungslücken durch Schließungen auftun.
Ersparnis durch weniger Apotheken?
Doch welches Interesse bestünde an weniger Apotheken? Würde das System dadurch signifikant billiger? Sinkt die Zahl um zum Beispiel 20 Prozent, ändert sich am Gesamtabsatz und Gesamtumsatz (fast) nichts. Es teilt sich nur anders auf. Auf der operativen Kostenseite wegfallen würden ganz überwiegend die Raumkosten, zudem einige Fix- und Sachkosten. Ein Teil davon verlagert sich in die übrig bleibenden Apotheken – ob zum Beispiel Zugaben oder Verbrauchsmaterial. Bisweilen wird man als „Gewinner“ auch Kapazitäten (Raum, IT-Systeme u. a.) erweitern müssen.
Beim Personal wird in der heutigen Lage kaum Ersparnis zu realisieren sein, es wird von den übrigen Apotheken meist dankbar aufgesogen. So bleiben vielleicht um die 3 Prozent vom Umsatz der wegfallenden Apotheken oder nur wenig mehr als Ersparnis übrig. Die umliegenden Apotheken übernehmen den Ertrag, sparen sich aber ebenjene wegfallenden Kosten und können insoweit ihren Gewinn etwas steigern. Auf der einen Seite fallen Kosten und durchaus noch Gewinne der Altinhaber weg, die aber gleichzeitig die Einnahmen von anderen waren (z. B. für Vermieter, Berater, Büroartikel-Lieferanten oder Gemeinde/Staat via Gewerbe- und Einkommensteuer). Bei den Gewinner-Apotheken laufen Teile der Kosten und höhere Gewinne dafür wieder auf.
Solche Prozesse des Strukturwandels vollziehen sich langsam. Die Umsätze wegfallender Apotheken verteilen sich zudem oft auf mehrere Apotheken. Somit verschieben sich die Umsätze stetig, aber langsam, und mindern insoweit allenfalls den Honoraranpassungsbedarf. Direkte Kostenersparnisse für die Kostenträger sind jedenfalls unter solchen Bedingungen kaum zu erwarten. Ähnlich wie bei der Honorarverteilungs-Diskussion ist die modellhafte Theorie das eine, die Praxis das andere.
3 Kommentare
Ökonomisiere Verlässlichkeit, vermenschliche Ordnungsgemäß!
von TiLaRo am 06.11.2023 um 22:55 Uhr
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Mobilität älterer Menschen
von Martina C am 06.11.2023 um 22:41 Uhr
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Gleiche Lebensbedingungen Stadt-Land
von Roland Mückschel am 06.11.2023 um 19:45 Uhr
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