Fünf Minuten Zeitersparnis und ein Vielfaches an Rezepten

Medizinalcannabis fällt aus dem BtMG

Berlin - 09.11.2023, 09:15 Uhr

(Foto: Maksym Yemelyanov/AdobeStock)

(Foto: Maksym Yemelyanov/AdobeStock)


Wenn die Bundesregierung an ihrem Zeitplan zum Cannabisgesetz festhält, unterliegt Medizinalcannabis ab dem 1. Januar 2024 nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Für Apotheken entfällt so ein Teil des Aufwands, den Cannabisblüten mit sich bringen. Zudem werden die Cannabisverordnungen zunehmen. Worauf müssen sich Apotheken einstellen?

Am 6. November befasste sich der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages mit dem Cannabisgesetz, und stellte Experten und Verbänden dazu seine Fragen. Genauer gesagt ging es um Säule eins des Gesetzes „zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“. Durch das Gesetz soll unter anderem der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis straffrei werden. Es wird möglich, zu nicht-kommerziellen Zwecken Marihuana entweder in Eigenregie oder in Anbauvereinen zu züchten.

In der Anhörung befürworteten Drogenforscher, Suchtmediziner und Psychotherapeuten die Entkriminalisierung. Denn bislang beschränkte sich das „Hilfsangebot“ der Politik für Konsumierende auf die Strafverfolgung der Betroffenen. Nun kann die Suchthilfe gezielt eingreifen, zudem können anders als auf dem Schwarzmarkt Konsumenten aufgeklärt und die Sicherheit der Produkte kontrolliert werden.

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ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hingegen lehnte das Gesetz im Einklang mit Bundesärztekammer-Chef Klaus Reinhardt ab. „Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die Legalisierung die Prävalenz von Cannabiskonsumstörungen deutlich zunehmen lässt“, sagte Overwiening. Die Erfahrungen stammen etwa aus den USA. In Washington State, wo Cannabis seit 2012 aus kommerziellen Lieferketten legal ist, nehmen Freizeitkonsum und Konsumstörungen einer Umfrage zufolge zu. Doch eine solche Legalisierung wäre ohnehin erst in Säule zwei des Cannabisgesetztes vorgesehen. Und auch dort nur in Regionen, die sich für Modellvorhaben bereiterklären. Ein Gesetzesentwurf dafür legte die Bundesregierung noch nicht vor.

Doch die Säule eins steht auf der Zielgeraden. Hält die Regierung an ihrem Zeitplan fest, könnte das Gesetz noch Ende November verabschiedet werden und zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.

Cannabis: Das Ende der BtM-Dokumentation

Mit Inkrafttreten des Gesetzes wird Medizinalcannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Weder die BtM-Dokumentation ist dann vorgeschrieben, noch die Lagerung im Tresor. Das spart Apotheken Zeit. Die Bundesregierung schätzte im Kabinettsentwurf des Gesetzes, dass pro Verordnung fünf Minuten weniger Bearbeitungszeit nötig seien. Das würde Apotheken bundesweit jährlich über zwei Millionen Euro an Personalkosten sparen.

Christiane Neubaur, Geschäftsführerin des Verbands Cannabisversorgender Apotheken (VCA) hält diese Einschätzung für realistisch. „Dass das Medizinalcannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz fällt, erleichtert vieles“, sagt sie.

Deutlich einfacher wird die Arbeit mit Cannabis dadurch aber nicht. „Da müssten wir an die Identitätsprüfung ran – etwa validierte Schnelltests statt der Dünnschichtchromatografie. Hier bräuchten wir eine bundesweite Lösung“, sagt die VCA-Geschäftsführerin. In Deutschland variieren die Anforderungen, die Pharmazieräte zur Identitätsprüfung von Cannabisblüten vorsehen, teilweise von Landkreis zu Landkreis. In einigen Orten genügt die Prüfung mittels Infrarotspektrometer oder Schnelltests. Andernorts, in Berlin etwa, ist für jede gelieferte Blüten-Charge eine DC-Prüfung vorzunehmen.

Vervielfachen sich die Verordnungen?

Wenn Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz fällt, bedeutet das nicht nur eine Erleichterung für Apotheken, sondern auch für verschreibende Ärzte. Daher vermutet ein Teil der Cannabis-Branche, dass sich die Zahl der Cannabisverordnungen in Deutschland sogar vervierfachen könnte.

Auf eine so hohe Schätzung möchte sich Neubaur nicht festlegen. Doch auch sie sagt: „Die Anzahl der Privatrezepte wird sich auf jeden Fall erhöhen.“ Die Verordnung für Ärzte werde leichter. Das betreffe auch viele Online-Arzt-Dienste, die für Patienten mit einfachen Cannabis-Privatverordnungen werben.

Anlagen  zur Hilfstaxe angepasst

Mehr Geld für BfArM-Cannabisblüten

Hinzu kommt: Apotheken haben hinsichtlich Cannabis einen Preisvorteil, der zukünftig legales Cannabis oder eine Mitgliedschaft in einem Anbauverein übertrumpfen könnte. „Bei den Medizinalcannabis-Blüten stellen wir einen Preisverfall fest“, sagt die Geschäftsführerin vom VCA. „Wir liegen mittlerweile unter dem Schwarzmarktpreis.“

Dieses günstige Medizinalcannabis wird auch nach Inkrafttreten des Cannabisgesetzes offiziell nur Patienten zur Verfügung stehen, nicht den Freizeitkonsumenten. „Ich hoffe, diese Rezepte landen in der Apotheke vor Ort“, sagt Christiane Neubaur. „Doch dafür braucht es viel mehr Apotheken, die sich der Versorgung annehmen. Wir wollen mehr Apotheken dazu ermuntern, sich mit dem Thema zu beschäftigen.“


Apotheker Marius Penzel
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

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Cannabis ohne BtM

von Scarabäus am 10.11.2023 um 8:58 Uhr

Es wäre zu wünschen, wenn dann alle Cannabismedikamente (z.B. auch das Fertigarzneimittel SATIVEX) entbürokratisiert würden. Ansonsten wäre es nur wieder eine Lauterbach'sche Nebelkerze getreu dem Motto hier: "Morgens ein Joint - und der Tag ist dein Freund!"

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