Apotheker und Ärzte Seite an Seite in Schwerin

„Wir lieben und leben unseren Beruf, aber ...“

09.11.2023, 15:58 Uhr

In Schwerin machten Angehörige der Heilberufe deutlich, dass die aktuellen Bedingungen ihnen ihren Beruf, den sie eigentlich gerne machen, verleiden. (Foto: daz/rr)

In Schwerin machten Angehörige der Heilberufe deutlich, dass die aktuellen Bedingungen ihnen ihren Beruf, den sie eigentlich gerne machen, verleiden. (Foto: daz/rr)


Apotheker, Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten machten gemeinsam am gestrigen Mittwoch in Sichtweite des Schweriner Schlosses, Sitz des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern, ihrem Unmut mit Trillerpfeifen Luft. Die Veranstaltung lief parallel zur ersten großen Kundgebung des von der ABDA koordinierten Protestmonats November in Hannover.

Um 14 Uhr stimmte das Lied „One Day (Vandaag)“ und die Stimme von Martin Luther King mit den Worten „I have a dream“ die etwa 500 Teilnehmer auf ihre Protestaktion ein. Die Apotheker, die sich streikerprobt im Kittel oder Warnweste und mit kreativen Plakaten zeigten, begrüßten den Schulterschluss mit anderen Akteuren des Gesundheitswesens. „Wir lieben und leben unseren Beruf“, einte Angelika von Schütz, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Mecklenburg-Vorpommern, die Heilberufler. „Doch die herrschenden Arbeitsbedingungen machen unseren Beruf auch zur Qual.“ Eine überbordende Bürokratie, eingefrorene Honorare, die schleppende, fehleranfällige Digitalisierung, Sanktionen der Krankenkassen, Personalmangel, Lieferengpässe, Nachwuchssorgen – die Liste der Nöte ist lang. Man sieht die ambulante Versorgung in Gefahr. Die Angst vor einem Gesundheitskollaps wächst.

Apothekenteams am lautesten

Der Vorsitzende des Apothekerverbandes MV Axel Pudimat zeigte sich im Namen der Apothekerschaft selbstbewusst und kampfeslustig am Rednerpult. Arztpraxen und Apotheken seien für die wohnortnahe Gesundheitsversorgung unverzichtbar. „Versorgung braucht Profis.“ In den vergangenen Monaten haben die Apotheken mehrfach bewiesen, dass sie genau das sind und schnell und flexibel agieren. Während der Pandemie wurden Desinfektionsmittel und Fiebersäfte hergestellt, die Verteilung von Masken organisiert, Teststellen eingerichtet und mehr. Heute bestimmt die Suche nach lieferbaren Arzneimitteln den Arbeitsalltag, um jeden Patienten versorgen zu können.

Mit Dankesbotschaften seitens der Politik begnügt man sich nicht mehr, ebenso wenig mit Aufwandsentschädigungen wie 50 Cent pro Fall eines nicht lieferbaren Arzneimittels. Der Apothekerverband MV hat ausgerechnet, dass diese Summe weniger als 30 Sekunden Arbeitszeit entspricht. „Das ist keine Vergütung, sondern eine Ohrfeige“, so Pudimat. Auf dieser Grundlage könne man nicht wirtschaftlich arbeiten oder wettbewerbsfähige Gehälter zahlen, geschweige denn einen Nachfolger für sein Unternehmen begeistern.

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Das Apothekensterben ist spürbar. Der Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach über mehr Apothekenfilialen ohne Labor, ohne Notdienst, und möglicherweise ohne Apotheker, dafür aber mit Telepharmazie, erntete unter den Protestierenden laute Buh-Rufe. „Weniger Apotheken heißt ja nicht weniger Arzneimittelausgaben, sondern nur weitere Wege und längeres Anstehen“, setzte Pudimat den Plänen entgegen.

Gemeinsam wünschen sich Apotheker, Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten eine Entbürokratisierung, eine angemessene Honorierung, Unterstützung beim Fachkräfte-Mangel sowie eine sinnvolle und mit den Akteuren abgestimmte Digitalisierung. Speziell zum E-Rezept fordern sie von den Krankenkassen, bis auf Weiteres keine Formfehler zu ahnden.

Weitere Aktionen erwünscht

Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) stand in der ersten Reihe der Demonstrierenden. In ihrem Wortbeitrag sprach sie den anwesenden Berufsgruppen ihren Dank für ihre Arbeit aus und zeigte Verständnis für ihre Sorgen. Es gebe aber nicht die eine Lösung und auch nicht die eine Institution für die angesprochenen Probleme. Die Politik könne nur die Rahmenbedingungen schaffen, vieles liege auch in den Händen der Selbstverwaltung, spielte die Ministerin den Ball zurück. In Verhandlungen zwischen Kammern und Krankenkassen bot sie sich als Vermittlerin an und betonte, wie wichtig es sei, im engen Austausch zu bleiben, statt Misstrauen zu schüren.

Die Anwesenden gaben sich weiter protestbereit. Vertreter der Physiotherapie und Logopädie haben bereits signalisiert, sich an weiteren Aktionen beteiligen zu wollen.


Rika Rausch, Apothekerin
redaktion@daz.online


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