Kammerversammlung

Schleswig-Holstein: Positiver Rückblick auf den Protest

Kiel - 16.11.2023, 15:15 Uhr

„Der gesamte ambulante Bereich leidet unter diesem Gesundheitsminister“: Kammerpräsident Kai Christiansen auf der Versammlung am Mittwoch. (Foto: DAZ / tmb)

„Der gesamte ambulante Bereich leidet unter diesem Gesundheitsminister“: Kammerpräsident Kai Christiansen auf der Versammlung am Mittwoch. (Foto: DAZ / tmb)


Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen ist zufrieden mit dem Protesttag im Norden. Medial sei es ein voller Erfolg gewesen, erklärte er bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am Mittwoch. Außerdem ging es um die Finanzen der Kammer. Nachdem sieben Jahre lang die Beiträge nicht erhöht wurden und die Rücklagen aufgebraucht sind, beschloss die Kammerversammlung deutliche höhere Beiträge. Es bleibt aber beim festen Beitrag für alle Apotheken.

Bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am Mittwoch in Kiel konstatierte Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen mit Blick auf Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): „Dieser Gesundheitsminister verweigert sich einer konstruktiven Zusammenarbeit.“ Die anderen Heilberufe würden das in gleicher Weise erleben. Christiansen folgerte: „Der gesamte ambulante Bereich leidet unter diesem Gesundheitsminister.“ Seine Pläne würden das hocheffiziente System der Vor-Ort-Apotheken destabilisieren und kaputtsparen. Die Apotheken würden die GKV nur zwei Prozent ihrer Ausgaben kosten. Rechne man die erwirtschafteten Einsparungen durch Rabattverträge dagegen, würden sie gar nichts kosten. Die Apotheker würden nur verlangen, dass die Politik die Vorgaben in § 78 AMG einhält. Dazu erinnerte Christiansen an die diesbezügliche Zusage, die ihm Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Juni gegeben hatte.

Viele Kontakte mit Politikern

Zur politischen Arbeit der Kammer in diesem Herbst berichtete Christiansen insbesondere über eine Videokonferenz mit der SPD-Landesgruppe und dem für Apotheken zuständigen SPD-Bundestagsabgeordneten Dirk Heidenblut. Demnach fänden auch die SPD-Abgeordneten die Kommunikation auf Bundesebene nicht als wertschätzend. Heidenblut sei beim Honorar eher für eine Umverteilung und halte auch eine Grundpauschale für denkbar, betrachte das Packungshonorar aber als „falsches System“, in das er kein Geld „reinwerfen“ wolle. Weiter berichtete Christiansen, Jasper Balke, der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, habe die Kammer und die SPD-Landtagsabgeordnete Birte Pauls seine Apotheke besucht. In einem Vortrag bei der Jahrestagung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Kiel habe Christiansen auf die dramatische Versorgungslage aufmerksam gemacht und dies auch der Landesgesundheitsminister Kerstin von der Decken (CDU) deutlich geschildert.

Zum Protesttag der Apotheken am Mittwoch vergangener Woche zog Christiansen ein positives Fazit und betonte das große Echo in den Medien. Der Radiosender RSH habe den ganzen Nachmittag über den Protest berichtet. „Der Protesttag des Nordens war medial ein voller Erfolg“, erklärte Christiansen. Wenn man Kritik üben möchte, dann einzig „an denen, die ihre Apotheke nicht geschlossen hatten“. Nach dem ersten bundesweiten Protesttag am 14. Juni hatte Christiansen den Protest mit einem Ironman-Wettkampf verglichen. Daraufhin erklärte er nun, die Apotheken hätten die zweite Disziplin absolviert. Jetzt heiße es beharrlich zu sein und die dritte Disziplin anzugehen.

Kommunikation der ABDA gelobt, Kritik an Haushalt

Die Kammerversammlung diskutierte, warum nicht alle Apotheken an dem Protest teilgenommen haben und konstatierte einen Domino-Effekt. Wenn irgendjemand öffne, würden andere folgen. Daher sei persönlicher Kontakt nötig. Allerdings habe die Medienresonanz darunter nicht gelitten. Die Delegierten waren sich auch einig, dass die Wahrnehmbarkeit der ABDA in den Medien besser geworden sei. Auch der Delegierte Ulrich Ströh, der die Kommunikation der ABDA kritisch betrachtet, räumte ein, die Öffentlichkeitsarbeit der ABDA sei sehr viel besser als das, was sie vor 20 Jahren gemacht habe.

Außerdem wurde der deutlich gestiegene ABDA-Haushalt thematisiert und gefordert, die ABDA solle erklären, was sie mit dem zusätzlichen Geld machen wolle. Ströh forderte, die Ängste der Inhaber kleiner Apotheken wegen steigender Kosten und Beiträge zu beachten. Christiansen erklärte, die Ausgabenpositionen der ABDA seien gut zu begründen. Er habe nicht wegen irgendeines einzelnen Punktes gegen den ABDA-Haushalt gestimmt, sondern weil es keine Perspektive gebe. Es werde viel über die wirtschaftenden Töchter diskutiert, aber dort sei ein anderes System nötig.

Nach sieben Jahren Kammerbeiträge deutlich erhöht

Anschließend ging es um den Haushalt der Kammer. Kammergeschäftsführer Dr. Felix-Alexander Litty erläuterte, dass die Ausgaben der Kammer seit vielen Jahren nicht nur aus den Beiträgen finanziert wurden, sondern auch durch Entnahmen aus einem Reservefonds. Nachdem dort seit 2013 etwa 1,5 Millionen Euro entnommen wurden, seien diese Rücklagen weitgehend aufgebraucht. Andere Apothekerkammern hätten satzungsgemäße Vorgaben für Reserven, nicht aber die Kammer in Schleswig-Holstein. Diese habe nun deutlich weniger Reserven als andere Kammern. 

Im Vergleich zu anderen Ländern habe es in Schleswig-Holstein bisher „Kammer zum Schnäppchen-Preis“ gegeben, betonte Litty. Doch nun müssten die Beiträge erhöht werden. Auch mit ihrem festen Beitrag für alle Apotheken sei die Kammer „exotisch“. In anderen Kammern hänge der Beitrag meist vom Umsatz ab. Darum sei es anderen Kammern wohl auch leichter gefallen, dem ABDA-Haushalt mit höheren Beiträgen zuzustimmen. Die Kammer in Schleswig-Holstein laufe dieser Entwicklung mit ihrem festen Beitrag immer hinterher. 

Litty präsentierte mehrere Modellrechnungen für mögliche Beitragserhöhungen und zeigte, dass moderate Anhebungen schon ein Jahr später zu einer erneuten Unterdeckung führen würden. Nach sieben Jahren ohne Erhöhung müsse der Beitrag deutlich steigen, um wieder die nötige „Flughöhe“ zu erreichen. Darum schlug Litty vor, den Betriebsstättenbeitrag von 1.954 Euro auf 2.954 Euro pro Apotheke und den Basisbeitrag von 192 Euro auf 240 Euro pro Mitglied zu erhöhen. Nach ausführlicher Diskussion beschlossen die Delegierten dies mit nur einer Gegenstimme.

Dabei wurde betont, dass der Beitrag für Angestellte dann im Ländervergleich im oberen Drittel liege, aber keinesfalls der höchste Beitrag sei. Christiansen betonte, dass der feste Beitrag für die meisten Apotheken weiterhin günstiger sei als ein Beitrag in Höhe von 0,1 Prozent vom Nettoumsatz, der in vielen Kammern erhoben wird. Ein umsatzbezogener Beitrag wurde kritisiert, weil die Apotheken auch gegenüber der Politik betonen, dass der Umsatz kaum etwas über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Apotheke aussagt. Um Systeme auf der Grundlage anderer Größen aufzubauen, fehle aber die Zeit. Außerdem würde das zu mehr Bürokratie führen.

Künftige weitere Beitragserhöhungen nötig – aber wie?

Während sich die Delegierten beim festen Beitrag schnell einig waren, wurde über eine Anpassung für die Zukunft kontrovers diskutiert. Litty hatte zunächst eine Anpassung vorgeschlagen, die sich an der Steigerung des ABDA-Beitrags orientiert. Denn der ABDA-Beitrag ist die größte Ausgabenposition der Kammer, und beim Apothekerverband Schleswig-Holstein gibt es eine solche Kopplung. Dagegen wurde argumentiert, dies sei ein schlechtes Signal an die Mitglieder und könne zu einem Kreislauf steigender Beiträge führen. 

Da der Beitrag ohnehin jedes Jahr zu beschließen ist, sprachen sich im Verlauf der Diskussion immer mehr Delegierte dafür aus, keine Kopplung zu formulieren und jedes Jahr über eine Anpassung zu entscheiden. Diese Position setzte sich mit knapper Mehrheit durch. Doch es bestand weitestgehende Einigkeit darüber, dass künftig weitere Beitragserhöhungen nötig sein werden. Diese erscheinen allerdings auch deshalb schwer kalkulierbar, weil die künftige Zahl der Apotheken nicht vorherzusehen ist.

Flexiblere Öffnungszeiten angestrebt

Außerdem strebt die Kammer eine Flexibilisierung der Öffnungszeiten an, ähnlich wie bereits in einigen anderen Bundesländern. Der Vorstand schlug vor, sich an der Regelung in Nordrhein und Westfalen-Lippe zu orientieren. Dort müssen die Apotheken an vier Wochentagen jeweils mindestens sechs Stunden und einem Wochentag mindestens drei Stunden öffnen. Die Kammerversammlung sprach sich einstimmig für den Vorschlag aus, der nun der zuständigen Behörde zugeleitet werden soll.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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