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Bei der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein am Samstag sprach ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening über die Probleme der Apotheken, den Protest und die Reaktionen der Politik. Diese gingen bis zu dem Vorwurf aus der SPD, der Apothekerprotest würde die Menschen verunsichern und damit die AfD stärken. Doch insgesamt wurde es eine Mutrede. Overwiening vermittelte authentisch ihre Zuversicht, die sich offenbar auf das Publikum übertrug.
Der Besuch von ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening stand im Mittelpunkt der Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein am Samstag in Kiel. Vor ihrer Rede dankte der Verbandsvorsitzende Hans-Günter Lund den Mitgliedern für die große Geschlossenheit bei allen Protesten im Norden. Lund kritisierte sowohl die Pläne von Gesundheitsminister Lauterbach zu den Apotheken als auch die im politischen Betrieb verbreitete Vorgehensweise, innerhalb kürzester Fristen Stellungnahmen einzufordern. Als Gast nahm Hauke Hansen, Landtagsmitglied und gesundheitspolitischer Sprecher der CDU in Schleswig-Holstein, an der Veranstaltung teil, um die ABDA-Präsidentin zu hören.
Nur die Politik kann für mehr Geld sorgen
Für Overwiening geht es beim Protest darum, in Resonanz zueinander zu kommen und dann einen gemeinsamen Weg zu gehen. Dabei könne es unterschiedliche Gewichtungen geben. Dies sei ein demokratischer Prozess, und die ABDA sei die richtige Instanz dafür, erklärte die ABDA-Präsidentin. Die Apotheken seien derzeit in aller Munde. Doch bei Politikern vermisse sie oft die nötige Offenheit. Da fehle die „Bereitschaft zum Erkenntnisgewinn“, folgerte Overwiening. Die Apotheken seien so selbstverständlich da, dass dies nicht hinterfragt werde. In der SPD habe man ihr sogar vorgeworfen, die AfD erhalte so gute Umfragewerte, weil die Apotheker die Menschen verunsichern würden. Overwiening zeigte sich entsetzt, dass die SPD so auf einen demokratischen Protest reagiere. Der Grund für die Umfragewerte sei aber, dass die Menschen nicht partizipieren könnten. Die Politik werde zum „closed shop“. Auch die betroffenen Verbände würden nicht gehört. Doch „wenn wir sehen, dass es nicht mehr geht, ist es unsere Pflicht, darauf aufmerksam zu machen“, bekräftigte Overwiening. Denn im Gegensatz beispielsweise zu den Ärzten haben die Apotheker keine jährlichen Verhandlungen über ihr Einkommen
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Die Apotheker könnten sich nur an die Politik wenden - dies sei von der Politik so gestaltet worden. Die Apotheken könnten auch nicht einfach aufhören, denn „ohne uns ginge es den Menschen im Land schlechter“. Doch beim Gehalt seien die Apotheken inzwischen das Schlusslicht im Gesundheitswesen. Overwiening ist überzeugt, dass die geringen Gehälter im Gesundheitswesen auch daran liegen, dass „Frauenberufe“ oft als „Zubrot“ betrachtet werden. Das sei respektlos gegenüber den Frauen. Zum Argument, es wäre nicht genug Geld da, erklärte Overwiening, die Leistungserbringer seien nicht die Ursache dafür. Vielmehr fehle der GKV Geld, weil Sozialleistungen über die GKV finanziert werden und der Staat keine ausreichenden Beiträge für die Arbeitslosen zahlt.
„Wort und Tat fallen auseinander“
Unter den aktuellen Plänen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach beklagte Overwiening besonders die Idee, den Apotheken mit Einsparungen von jährlich neun Millionen Euro helfen zu wollen. Zudem verwende die Politik die Begriffe Filial- und Zweigapotheken synonym, obwohl beide nichts miteinander zu tun hätten. Erleichterte Ausschreibungen der Behörden für Zweigapotheken könnten durchaus sinnvoll sein, aber Schein-Apotheken seien eine Entwertung der Arzneimittelversorgung, und das würden die Menschen auch erkennen. Zum Umgang mit Lauterbach beklagte Overwiening, Ideen der Apotheker würden „immer nur mitgenommen, aber nicht umgesetzt“. „Wort und Tat fallen auseinander“, erklärte Overwiening, aber wie sei dann die tatsächliche Intention zu erkennen? „Wir sind doch wer, wir sind keine Bittsteller“, betonte Overwiening. Die Apotheker seien stark, weil sie vor Ort verankert sind, aber letztlich würden sich die Pläne gegen diese Struktur richten. Denn sie seien die Einführung des Fremdbesitzes „über die kalte Küche“. Doch die Apotheker würden für die notwendige Versorgung vor Ort kämpfen. Overwiening gab sich zuversichtlich, es werde Wege dafür geben, auch wenn man den Weg vielleicht erst hinter einer Ecke sieht. „Haben Sie Vertrauen“, appellierte sie an die Verbandsmitglieder.
Aussicht auf Wahljahr
In der anschließenden Diskussion wies ein Mitglied auf das „Riesen-Wähler-Potenzial“ hin, das die Apotheken durch ihre viele Kundenkontakte haben. Die Apothekenteams müssten nur erklären, „wer das verbockt hat“. Mit Blick auf die anstehenden Wahlen bedeute das: „Nächstes Jahr gibt`s Geld.“ Auf den Hinweis, dass die GKV inzwischen sogar einen Überschuss habe, erklärte Overwiening, der Apothekenabschlag sei wegen des erwarteten Defizits erhöht worden, aber jetzt gehe es der GKV besser. Darum wäre es logisch, die Erhöhung des Abschlags früher als geplant zu beenden. Mehrere Mitglieder regten zudem an, die Adexa könnte die Apotheken bestreiken, denn so könnten die Probleme noch deutlicher vermittelt werden. Außerdem wurde vorgeschlagen, die Honoraranpassung ebenso wie die Abgeordnetendiäten an die Richtergehälter zu koppeln. Verbandsgeschäftsführer Georg Zwenke ergänzte später, dies sei plausibel, denn bei der pharmazeutischen Beratung gehe es ebenso wie bei Richtern darum, die Unabhängigkeit zu sichern.
Misstrauenskultur beenden
Overwiening betonte, es gehe um 60 Prozent Kostensteigerung, die nicht ausgeglichen worden seien. Außerdem beklagte sie den Umgang mit neuen Regeln. Eigentlich sollten Nullretaxationen pauschal ausgeschlossen werden. Da nun aber einzelne Fälle geregelt wurden, würden die Krankenkassen andere Gründe für Retaxationen suchen. Das alles bedeutet für Overwiening: „Wir zahlen viel Geld für Misstrauen“. Statt ein staatliches Gesundheitswesen zu schaffen, beauftrage der Staat freie Heilberufler, die über eigene Kontrollinstanzen verfügen, aber sie würden dann mit hohem Aufwand bei allen Beteiligten zusätzlich kontrolliert. „Warum denn diese Misstrauenskultur mit diesem Kontrollaufwand?“ fragte Overwiening. Dies sei eine gesellschaftspolitische Frage. Die Apotheker würden oft etwas aus dem Vertrauen heraus tun, und das sei auch gut so.
„Beharrlich bleiben“
Doch Overwiening gab sich zuversichtlich, dass die laufenden Proteste für die nötige Aufmerksamkeit in der Politik sorgen. Beim Protest am Mittwoch im Westen habe es eine „Super-Presseresonanz“ gegeben. Dabei sei auch deutlich geworden, dass die Patienten das gut finden. Zur weiteren Strategie erklärte sie, es müsse nach dem November eine Pause geben, um politische Gespräche zu ermöglichen. Wenn das nichts bringe, müssten die Apotheken mit anderen Maßnahmen weitermachen. Dafür gäbe es schon Pläne, die sie aber nicht verriet. Außerdem erklärte Overwiening, sie glaube an das parlamentarische Verfahren. Das Parlament sei ein Korrektiv für die Regierung. Zum politischen Geschäft gehöre auch das Kalkül, zu allem erst „nein“ zu sagen. Doch Overwiening appellierte an die Mitglieder: „Bleiben Sie beharrlich, und wir werden es zusammen schaffen - da bin ich sicher.“
2 Kommentare
"Pause" ist keine gute Idee
von Thomas B am 24.11.2023 um 8:21 Uhr
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Verantwortung
von Thomas Kerlag am 20.11.2023 um 19:39 Uhr
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